Es ist Ostern. Mein Mann legt mehrere Schichten grüner Salatblätter auf sein gebuttertes Brot und sagt grinsend: „Ich bin heute ein Hase, ich esse Hasenfutter.“ Ich verstreiche den Farmersalat auf meinem Knäckebrot und sage:“Ich bin immer ein Hase, ich liebe diesen Sellerie-Mörchensalat.- Sag einmal, erinnerst du dich eigentlich noch an die Hattu-Mörchen-Hasenwitze?“ - Er, Salatbrot kauend: „Nein, habe ich vergessen.“
Da fällt mir plötzlich auf, wie lange ich schon keine Witze mehr gehört habe. Keiner erzählt mehr Witze. Da gab es früher diese Hattu-Möhrchen-Hasen-Witze, die Blondinen-Witze, die Ostfriesen-Witze. Noch früher die Klein-Erna-Witze und die Fritzchen-Witze. Wir witzelten und lachten. Auf keiner Party, auf keinem Gruppentreffen hört man heute noch Witze.
Ich habe daraufhin einmal „Witze“ gegoogelt und da findet man solche Kategorien wie „Flache Witze“, „gute Witze“, „Lustige Witze“, „extrem kurze Witze“.
Ich habe sogar einen Hattu-Möhrchen-Hasenwitz wieder gefunden, hier diesen: „Kleines Häschen fragt die Lebensmittelverkäuferin: Hattu Milch? - Verkäuferin: Ja.- Häschen: Hattu Fettarme – Verkäuferin: Ja. - Häschen: Muttu lange Ärmel tragen.“
Die meisten neuen Witze, auch die unter den sogenannten „Guten Witzen“ gesammelten, befassen sich mit Unterleibsthemen.
Als wir so ungefähr 15, 16 Jahre alt waren, damals in der Zeit, als in den Kinos die Helga-Aufklärungsfilme erschienen und der jung-politische Spruch kursierte: „Wer zweimal mit demselben pennt, gehört schon zum Establishment!“, erzählten sich die Mädchen in unserer Klasse natürlich auch Witze, die irgendwie mit Sexualität zu tun hatten und wir kicherten hinter vorgehaltenen Händen. Einen braven Witz aus dieser Zeit erinnere ich noch: „Im Deutschunterricht erfahren die Schülerinnen, dass zu einer guten Story immer vier Komponenten gehören: Religion, Adel, Sex und ein Geheimnis. Nach diesem Schema soll der nächste Aufsatz geschrieben werden. Anna schreibt los und ruft nach zehn Minuten: Fertig! - Wieso, das kann doch nicht sein, sagt die Lehrerin.- Doch, fertig! - Anna gibt ihr Blatt ab. Die Lehrerin liest: Oh Gott, stöhnte die Prinzessin. Ich glaub, ich bin schon wieder schwanger. Wenn ich bloß wüsste, von wem.“
Als ich meinen ersten Ehemann kennenlernte, gingen wir viel auf Parties. Das was man heute „feiern“ nennt. Er war immer einer der beliebtesten Gäste, weil er urkomisch und wirklich witzig Witze erzählen konnte. Immer lachten sich alle halbtot. „Peter erzähl einen Witz!“ Er schmückte seine Witze derart phantasievoll und witzig aus, dass auch ich, die diese Witze zum 'zigsten Mal hörte, immer wieder lachen musste. Diese ersten Jahre unserer Ehe haben wir viel gelacht. (Das Ende unserer Ehe war dann ein schlechter Witz, über den ich erst Jahre später lachen konnte, aber das ist eine andere Geschichte.)
Lachen ist ja so gesund! Wirklich, das ist keine Witz: Menschen, die viel lachen, leben länger. Außer, wenn sie Witze beim Fischessen erzählen und ihr Lachen ihnen zusammen mit einer Fischgräte im Halse stecken bleibt. Lachen bewirkt unter andrem einen wunderbar heilsamen Hormoncocktail im Gehirn.
Das hier schreibt die AOK im Netz: „Lachen macht gesund: Frust adé: ab morgen regelmäßig lachen. Unsere Linktipps für gemeinschaftliches oder therapeutisches Lachen helfen Ihnen weiter. Lachclubs und Lachseminare : Lassen Sie das Zwerchfell beben, Tränen rollen und Gesichtsmuskeln zucken: Lachen Sie einfach nach Herzenslust und lernen Sie andere "komische" Gemüter kennen. Hier finden Sie Lachschulen und -clubs oder Seminare für Lachyoga in Ihrer Region sowie in ganz Deutschland...“
Ja, wir Deutschen? Haben wir das Lachen und Witze erzählen schon so verlernt, dass wir das im Rahmen der Erwachsenenbildung und Gesundheitserziehung neu lernen müssen?
Man kann aber auch einfach die gesammelten alten Loriot-Sketche auf CDs erwerben und wiederholt und kostengünstiger ordentlich durchlachen. Zum Beispiel wie ein Ehepaar einen Witz erzählt, oder wie die Ehefrau das viel zu hart gekochte Viereinhalb-Minuten-Frühstücks-Ei verteidigt. Erinnern Sie sich?
Als ich meinen zweiten, heutigen Ehemann kennenlernte, erzählte er mir bei unserem ersten Waldspaziergang Witze. Irgendwie haben Liebe und Lachen doch etwas miteinander zu tun, scheint mir. Bei mir jedenfalls.
Einer dieser Witze, den er mir mit einem mich erheiternden Akzent erzählte, ging so: “ In einen Gebrauchtwarenhandel für Gehirne kommt ein verkaterter Mann und sagt: Guten Tag, ich habe solche elende Kopfschmerzen, ich brauche ein neues Gehirn. Was haben Sie denn im Angebot? Der Verkäufer zeigt auf verschiedene Gläser mit in grünem Alkohol konservierten Gehirnen verschiedener Größe: Hier ist ein französischen Gehirn, das kostet 200€, das hier ist ein amerikanisches Gehirn, das kostet 300€ und das hier ist ein deutsches Gehirn, das kostet 500€. - Der verkaterte Kunde fragt: Ja, warum ist denn das deutsche Gehirn so viel teurer als das französische und das amerikanische? Na ja, sagt der Verkäufer, der Franzose hatte zu viel Rotwein getrunken, der Amerikaner konnte keine Fremdsprachen und das deutsche Gehirn ist kaum benutzt, praktisch wie neu!“
Nun kann man nicht wirklich sagen, dass die Gehirne von uns Deutschen nicht genug denken würden, vielleicht denken wir sogar zu viel, aber nicht unbedingt immer das Richtige? Vielleicht kann man den Witz umarbeiten dahingehend, dass das Deutsche Gehirn viel denkt und wenig lacht, also in dem Sinne, dass der deutsche Ernst eben teuer ist.
Gegen zu viel deutschen Ernst habe ich übrigens eine nette kleine, aber wirkungsvolle Übung für Sie. Diese Übung geht so: Machen Sie einmal ein ernstes Gesicht. Jetzt. Ganz ernst, noch ernster. Ja und jetzt noch, noch, noch ernster! So ernst wie Sie nur können und dann noch ein bisschen mehr!
Wenn Sie jetzt nicht in prustendes Lachen ausgebrochen sind, haben Sie diese Übung nicht richtig gemacht! Dann machen Sie sie jetzt einmal „echt im Ernst“.
Hat es jetzt funktioniert? Nichts ist so komisch, wie wenn man herzlich über die eigenen, übertriebenen „Rollen“ lacht. Über sich selbst zu lachen ist unglaublich befreiend.
Spielen Sie einmal „die Beleidigte“. Oder „den Besserwisser“. Und dann übertreiben Sie dieses Rollenspiel ganz, ganz stark, so stark, dass Sie lachen müssen.
Das ist gesunder Humor: über sich selbst zu lachen.
Über Andere zu lachen ist da schon etwas gefährlicher. Der Humor zu Lasten Anderer geht oft über Ironie, Sarkasmus, Schadenfreude. Und kann im Zynismus enden. Humor, der andere verletzt, der andere demütigt, ist nicht so gesund. Ich hatte einmal einen Klienten, einen erfolgreichen und natürlich sehr eloquenten Juristen, der ein Persönlichkeitstraining bei mir machte. Anlass war, dass er so unglücklich und unzufrieden über seine Umgebung war. Seine Nachbarn, seine Mitarbeiterinnen, seine Bekannten, alle waren so ernst und übellaunig. Gleich beim ersten gemeinsamen Mittagessen fiel mir auf, dass er sich laufend mit echt komischem, aber beißendem Humor über Leute lustig machte. Seine Ironie war durchaus geistreich und witzig. Ich fragte ihn, ob er über sich selbst auch derart komisch herziehen könne, ob er auch sich selbst so komisch und lächerlich finden könnte. Konnte er erst einmal nicht. Am Ende des Trainings konnte er es. Kurze Zeit nach dem Training schrieb er mir aus seinem Heimatort, dass die Leute dort wie verwandelt seien. Nie vorher hätte er so viele Leute lächeln und lachen sehen.
Wenn wir uns nicht so total ernst nehmen würden - wir wären manches Mal lustiger, fröhlicher und nicht so lächerlich. Lächerliche Leute, oft Politiker, werden zu köstlichen Opfern von Satirikern, Kabarettisten und Berufskomikern. Deren Stilmittel, politisch und gesellschaftlich bekannte Personen durch den Kakao zu ziehen, ist Ironie, manchmal bitterböse Ironie. Da gibt es aber auch wirklich Politiker, die gerade dazu einladen, sie als den unbewussten Polit-Clown zu entlarven, den sie in ihrem clownesken, karierten Jackett und ihrem selbstgefälligen Lachen oder ihren gefärbten (nein gar nicht gefärbten!) Haaren der Presse bieten.
Gerade gegenwärtig haben wir ja genug politische Clowns zu bedauern, leider auch zu befürchten, im Westen wie im Osten, da kann einem wirklich das Lachen vergehen, wenn man sich überlegt wie viel Schrecken und Leid diese Witzfiguren mit ihrer Machtfülle ausrichten können. Schlechte Witze sind das. Da mutet so ein deutscher Großkarierter wirklich harmlos an, auch wenn er in seinem Ministerium Entscheidungen treffen und umsetzen durfte, die den deutschen Steuerzahlern und deutschen Verbraucher viele unnütze Millionen kosten. Auf der Weltbühne gibt es wohl gerade nicht so viel zu lachen. Gut, dass wir Comedy, Kabarett und Satire haben, die uns wenigstens ab und zu lachend zum Nachdenken anregen. Wenn einer über andere lacht, der auch über sich selbst lachen kann, wie zum Beispiel Oliver Welke in seiner „Heute show“, oder Urban Priol, der bissig-intelligent, ironisch und leidenschaftlich in seiner „Anstalt“ gesellschftliche und politische Missstände aufgezeigt hat.
Aber nein, jetzt werde ich ja selbst ironisch und viel zu ernst. Soooo ernst. Noch ernster – und noch ein bisschen ernster! Bis ich lachen muss.
Und hier noch ein ganz alter Witz: „Sitzen sich zwei Bekannte im Zugabteil gegenüber. Der eine packt für die lange Reise gut gerüstet einen geräucherten Fisch aus und beginnt daran zu nagen. Der Mann gegenüber hat an Reiseproviant nicht gedacht und fragt schüchtern den Essenden: Sag einmal, ich habe auch Hunger, würdest Du mir etwas abgeben? - Ja, gerne, sagt der gut Versorgte. Ich gebe Dir den Kopf. Das ist das Beste am ganzen Fisch. Du musst die feinen Bäckchen unter den Augen und die Augen essen. Die Augen ganz besonders. Wenn du die Fischaugen isst, das macht schlau und klug. Der Hungrige nagt den Fischkopf ab und ist ganz schnell fertig, während der Andere immer noch am Fischfilet nagt. Da bemerkt der Hungrige: weiß....
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