Das Problem mit Stereotypen im Recruiting und der Personalentwicklung
Menschen lieben Stereotype. Sie, ich, jeder von uns. Und das hat gute Gründe. Denn stereotypes Denken hilft uns durch den Alltag. Wir stehen jeden Tag vor unzähligen kleinen und großen Entscheidungen und haben nicht genug Energie, um über jede in der Tiefe nachzudenken. Bei den meisten Entscheidungen ist das auch nicht notwendig, da sie eher trivial sind (welches Duschgel kaufe ich, wo setze ich mich im Zug hin?). Daher haben wir Abkürzungen im Denken entwickelt, die solche Entscheidungen automatisch für uns vorbereiten.
Stereotype gehören zu diesen Abkürzungen. Stereotype Vorstellungen über Menschen helfen uns, schnell zu entscheiden, wem wir vertrauen, wenn wir in einer Bar angesprochen werden, wen wir um Hilfe bitten, wenn wir uns in einer Stadt verlaufen haben oder wem wir zutrauen, kurz auf unsere Wertsachen aufzupassen, wenn wir uns noch einen Cocktail an der Poolbar bestellen wollen.
Die entscheidende Frage: Wann sollte ich objektive Informationen nutzen?
Für all diese Fälle mag stereotypes Denken praktisch sein, da wir einfach keine Zeit (und auch keine Lust) haben, in jedem dieser Fälle eine strukturierte und systematische Persönlichkeitsanalyse durchzuführen. Insofern werden Stereotype immer Teil unseres Denkens sein. Entscheidend ist nun aber, die Situationen zu identifizieren, in denen Sie sich ganz bewusst gegen das stereotype Denken und für eine differenzierte Betrachtung entscheiden sollten. Dies ist im beruflichen Kontext zum Beispiel dann der Fall, wenn Sie die Aufgabe haben, die richtige Person für eine vakante Position auszuwählen oder jemandem dabei helfen möchten, sich selbst und andere Menschen besser zu verstehen. Sie haben in solchen Situationen nur eine Chance das stereotype Denken zu vermeiden: indem Sie sich einen systematischen Überblick über die zur Verfügung stehenden, objektiven Daten verschaffen. Auf Ihr Gefühl oder Ihren „gesunden Menschenverstand“ sollten Sie hier nicht vertrauen, denn diese greifen auf Stereotype und andere „Abkürzungen“ (im Fachjargon Entscheidungsheuristiken genannt) zurück.
Verzichten Sie auf (Stereo-)Typentests
Jeder und jede von uns möchte möglichst fair und objektiv beurteilt werden, wenn wir uns zum Beispiel für einen Job bewerben. Die moderne Psychologie stellt dafür passende Instrumente zur Verfügung. Nicht geeignet sind dagegen Instrumente wie Typentests, die auf die menschliche Vorliebe für stereotypes Denken ausgerichtet sind und jeden Menschen in vier, acht oder mehr Schubladen stecken. Solche (Stereo-)Typentests spielen in der modernen Psychologie keine Rolle und wandern auch in der Praxis so langsam in die „Mottenkiste" der Diagnostik.
Wie Sie Stereotype vermeiden können
Hier noch einige Hinweise, wie Sie stereotypes Denken in Ihrer beruflichen Praxis vermeiden können:
Sensibilisieren Sie sich selbst dafür, wann und wie oft Sie Stereotype nutzen: Wenn Sie das nächste mal durch die Stadt gehen, schauen Sie sich nacheinander einige Menschen an und überlegen Sie, was diese wohl beruflich machen, welche Partei sie wählen oder wie intelligent sie sind. Sie nutzen für Ihre Urteile auf jeden Fall Stereotype, da Sie ja über gar keine anderen Informationen verfügen.
Denken Sie an Ihren beruflichen Alltag und identifizieren Sie Situationen, in denen Sie zukünftig objektive Daten und Informationen als Entscheidungsgrundlage nutzen möchten.
Überlegen Sie, wie Sie in Ihrem beruflichen Leben stereotypes Denken reduzieren können. Informieren Sie sich dafür bezüglich fundierter Modelle zur Persönlichkeit (zum Beispiel die Big Five) und moderner Analyseinstrumente.
Sprechen Sie andere Menschen auf dieses Thema an, besonders wenn es um wichtige Entscheidungen geht. Den wenigsten Menschen ist bewusst, dass sie ihre Mitmenschen in Schubladen stecken und wichtige Entscheidungen aufgrund stereotypen Denkens treffen – bis es Ihnen jemand verdeutlicht.
Beim Denken in Stereotypen ist es wie beim Backen mit ganz viel Zucker: Es ist eine einfache und wunderbare Lösung, die jeden überzeugt, der nicht tiefer in die Thematik eintaucht. Wie so oft ist die einfachste Lösung nur leider keine gute.
Ihr
Dr. Ronald Franke
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Unter der Rubrik PERSONALITY PROFILER auf der Website von LINC erfahren Sie mehr zu einer auf den BIG FIVE basierten Persönlichkeitsanalyse , die Persönlichkeit, unter der Brücksichtigung von Charaktereigenschaften, Motiven und Kompetenzen, mit all ihren Facetten erfasst.