Entspannt ins Jahresgespräch: 10 Reflexionsfragen für deine optimale Vorbereitung
Für viele Mitarbeitende steht in den nächsten Wochen wieder das Jahresgespräch mit ihrer Führungskraft an. Mit diesen zehn Fragen zur Selbstreflexion wirst du sicher und entspannt in das Gespräch gehen.
Ein gutes Jahresgespräch sollte heute mehr als die pure Generalabrechnung der letzten zwölf Monate oder das pflichtbewusste Ausfüllen von Bewertungsformularen für die Personalakte sein. Es bietet die Möglichkeit für Führungskräfte und ihre Mitarbeitenden, sich abseits des operativen Tagesgeschäfts bewusst Zeit füreinander zu nehmen. Zur Rückschau auf das vergangene Jahr, jedoch insbesondere für den Blick in eine gemeinsame Zukunft als erfolgreiches Team.
Im Coaching erlebe ich viele Arbeitnehmer, deren Emotionen vor einem Jahresgespräch von Angst und Sorgen geprägt sind. Weil sie nicht wissen, was alles auf den Tisch kommen wird. Weil sie Angst vor der jährlichen Generalabrechnung haben – auch wenn das Jahr doch eigentlich gefühlt gut gelaufen ist. Sie sehen das Gespräch als lästigen Pflichttermin an, den es vor dem Fest im hektischen Tagesgeschäft noch flott zu erledigen gilt. Antanzen, Formular ausfüllen, neue Ziele definieren, wieder für ein Jahr Ruhe.
Wenn ich von meinen Klientinnen und Klienten höre, dass sie ihre Führungskräfte bereits das ganze Jahr kaum zu greifen bekommen haben, weil die Distanz im Homeoffice zu groß war oder aber ihre Chefinnen und Chefs durchweg auf anderen Baustellen unterwegs waren, dann verstehe ich nicht, warum selbst das gute alte offizielle Jahresgespräch nicht für einen echten Austausch genutzt wird – mal ganz davon abgesehen, ob heute zentral angeordnete Jahresgespräche überhaupt noch zeitgemäß sind.
Lästiges Pflichtprogramm oder entspannter Austausch?
Ja, oftmals hängen von der Beurteilung der Leistungen eines Mitarbeiters Bonuszahlungen oder variable Gehaltsbestandteile ab. Ein vorgegebener und für alle Mitarbeitenden gleich geltender Prozess zur Durchführung und Protokollierung der Gespräche ist für beide Seiten daher sinnvoll. Struktur ist gut für Transparenz und Gerechtigkeit, doch echtes Interesse am Menschen und ein guter Austausch sind trotzdem möglich.
Wie wäre es, wenn das Jahresgespräch ein Treffen auf Augenhöhe ist? Wenn du dich als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter auf dieses Gespräch freust, weil du die Chance hast, für dich persönlich wirklich wichtige Themen mit deiner Führungskraft zu besprechen. Wie wäre es, wenn du diesen Termin bewusst nutzt, um die Zusammenarbeit noch besser zu gestalten und deine nächsten Karriereschritte in die für dich passenden Bahnen zu lenken? Ein Träumchen, nicht wahr? 🤓
Gast oder Kollege im Chef-Büro? Deine Haltung entscheidet!
Auch wenn dich deine Chefin oder dein Chef formal zu diesem Gespräch einlädt und womöglich noch mehr Boss alter Schule statt echte Führungskraft ist, so bleibt es deine eigene Entscheidung, mit welcher inneren Haltung und welchen persönlichen Zielen du in das Gespräch gehst.
Bist du der kleine, vorgeladene Gast im ehrwürdigen Chefbüro, der pflichtbewusst einmal im Jahr förmlich Rede und Antwort steht? Oder bist du die Kollegin oder der Kollege im Team deiner Führungskraft, die/der auch eigene Sichtweisen und persönliches Feedback einbringen möchte?
Falls du dich in diesem Moment denken hörst „Aber ich habe doch keine Wahl und muss das jährliche Bewertungsspiel über mich ergehen lassen“, dann hängst auch du in jener Opferrolle fest, in der viele Angestellte vor allem in großen Konzernen heute stecken, weil sie gelernt haben, keine Selbstverantwortung mehr zu übernehmen. Gerade dann ist das Jahresgespräch eine gute Gelegenheit, zu spüren, wie es sich anfühlt, wieder Chef·in des eigenen Lebens zu sein.
Auch wenn es dir fremd oder falsch vorkommt, besitzt du die Wahl: Hast du Lust darauf, dein Jahresgespräch mitzugestalten und mit deiner Führungskraft über die wirklich wichtigen Themen zu sprechen, die für dich und deine gute Entwicklung im Unternehmen wegweisend sind – oder bleibt es für dich ein lästiger Pflichttermin, den du einfach ertragen und wie jedes Jahr irgendwie schnell überstehen willst? Für was entscheidest du dich?
Meine 10 besten Reflexionsfragen zur Vorbereitung auf dein Jahresgespräch
Falls du dich für mehr echten Austausch und ein gutes Entwicklungsgespräch entschieden habst, sind hier 10 Fragen für deine Vorbereitung und Selbstreflexion. Klarheit schafft Sicherheit. Je klarer du selbst in das Gespräch hineingehst, umso gelassener wirst du deiner Führungskraft als selbstbewusster Gesprächspartner in der Rolle als Kollegin oder Kollege begegnen.
Nimm dir für jeden der folgenden 10 Fragenblöcke etwas Zeit und schreibe auch einige wichtige Stichpunkte hierzu auf. Bei welchen Fragen fühlst du dich sicher und entspannt? Wo spürst du vielleicht Unsicherheit, Unbehagen oder sogar Angst aufsteigen? Versuche hier, zu einer eigenen Meinung und mehr Klarheit zu finden – vielleicht auch im Gespräch mit Partnern, guten Freunden, vertrauten Kollegen oder auch einer/einem Coach.
Welche Ziele haben wir im letzten Jahr gemeinsam definiert, was haben wir im Team erreicht und was habe ich konkret hierzu beigetragen? Was haben wir nicht umgesetzt und was waren die Ursachen hierfür?
Wie möchte ich auf negatives Feedback, Kritik oder sogar Vorwürfe reagieren? Wie gehe ich mit Lob und Wertschätzung meiner Leistungen um, werde ich es selbst annehmen können?
Welches Feedback möchte ich meiner Führungskraft geben? Was ist in unserer Zusammenarbeit gut gelaufen, was schätze ich an ihr/ihm besonders? Was wünsche ich mir in Zukunft mehr/weniger/anders von meiner Führungskraft? Was benötige ich von ihr/ihm, um einen guten Job zu machen?
Ist es mir wichtig, im Jahresgespräch über eine Gehaltsanpassung zu sprechen? Wenn ja, mit welchen zukünftigen zusätzlichen Aufgaben, Projekten oder neuen Rollen im Unternehmen kann ich die Anpassung begründen?
Wie möchte ich mich im Team oder im Unternehmen weiterentwickeln? Gibt es Positionen in anderen Teams, die für mich reizvoll wären - und möchte ich bereits jetzt mit meiner Führungskraft darüber sprechen?
Welche fachlichen oder persönlichen Entwicklungsthemen sehe ich für mich und welche Aus- oder Weiterbildungen passen hierzu? Möchte ich im Gespräch Vorschläge für Seminare machen oder abwarten, was mir HR vorschlägt?
Mit welchem Ergebnis möchte ich aus dem Gespräch herausgehen? Was sollte im Gespräch zwischen mir und meiner Führungskraft konkret vereinbart werden, was kann auch im Anschluss entschieden werden?
Wie gehen wir damit um, wenn bereits unterjährig Ziele nicht erreicht werden? Wie werde ich mich verhalten und was sind die Konsequenzen, wenn meine Führungskraft Zusagen aus dem Jahresgespräch nicht einhält?
Wie sollte unser Gespräch dokumentiert werden? Möchte ich die formale Bewertung einsehen, bevor sie in der Personalakte abgelegt wird? Was ist mir wichtig, über die offizielle Bewertung hinaus zu protokollieren?
Mit welchem Gefühl möchte ich das Gespräch verlassen?
Ein Jahresgespräch ist weder Vortanzen, noch lästige Pflichtveranstaltung, sondern ein guter Austausch zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden als Kollegen eines Teams.
Womöglich überfordert oder verunsichert dich diese Fülle der Fragen. Ich sehe in den Coachings, dass sich die meisten Angestellten kaum derartige Gedanken vor einem Jahresgespräch machen – geschweige denn für sich selbst wissen, was ihnen im Beruf wichtig ist und was für sie eine gute Entwicklung ausmacht. Meine Erfahrungen zeigen, dass es sich lohnt – und oft auch wortwörtlich auszahlt, diese eigene Klarheit im Vorfeld zu schaffen.
Was mir wichtig ist und dich wieder entspannen lassen sollte: Es geht bei diesen Reflexionsfragen nicht um die perfekte oder von irgendwem erwünschte Antwort – sonst hätte ich zu jeder Frage diese eine Antwort formuliert ;-)
Es sind Gedankenimpulse für deine zumindest grobe Vorstellung davon, was dir persönlich in der Zusammenarbeit und für deine Entwicklung bei diesem Arbeitgeber, in diesem Team und mit deiner Führungskraft heute und in den nächsten Monaten wichtig ist, um dort einen guten Job zu machen, motiviert zu sein und gesund zu bleiben.
Ach ja, wäre es nicht großartig, wenn du alle deine Themen kollegial unterjährig besprechen kannst, wenn sie akut sind? Ich hoffe, dass Beiträge wie dieser schon bald überflüssig werden, weil das Konstrukt „Jahresgespräch“ abgeschafft und durch flexiblere Formen des Austauschs ersetzt gehört. Denn Zeit für Feedback und Entwicklung ist täglich.
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Wie verlaufen Jahresgespräche bei dir im Unternehmen? Schreibe über deine Erfahrungen und Meinung gerne unten in den Kommentaren.
Weitere Beiträge zu Job & Karriere sowie Informationen zu meinen Angeboten im Karriere-Coaching findest du auf meiner Homepage: www.bernd-slaghuis.de.