Klimaschutz: Warum Green Finance dringlich ist
Die Europäische Kommission schätzt, dass Investitionen von jährlich rund 180 Milliarden Euro notwendig sind, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Dem Finanzsektor kommt damit eine zentrale Rolle bei der gesellschaftlichen Transformation zu. Die Bedeutung von sogenannten ESG-Informationen (Environmental, Social, Governance) nimmt im Rahmen der mittel- bis langfristigen Prognose von unternehmerischem Erfolg seit der Finanzkrise stetig zu. Unternehmen werden von Investoren, Kunden, Analysten und Regulatoren verstärkt dazu aufgefordert, neben den klassischen Finanzkennzahlen auch ESG-Informationen transparent zu machen. Nach einer Studie des Institute for Sustainable Investing von Morgan Stanley sind weltweit bereits rund ein Sechstel aller Assets under Management nach nachhaltigen Kriterien investiert (ca. 6,6 Billionen US-Dollar). Aber auch internationale Initiativen wie die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung, die Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen, und das Pariser Weltklimaabkommen setzen neue Rahmenbedingungen, die von der Wirtschaft neue Lösungen erfordern. Auch der Fokus der G20 auf Green Finance unter deutscher Präsidentschaft widmete sich dieser Thematik.
Das ist das Ergebnis einer Studie von Prof. Henry Schäfer von der Universität Hohenheim, der dies am Beispiel Klimaschutz zeigt. Neben dem Auf- und Ausbau der erforderlichen Kompetenzen und Kapazitäten auf Fachebene sei es besonders „dringlich“, dass die Akzeptanz des Wandels in den Führungsebenen von Banken und Sparkassen gestärkt wird. Der Bericht entstand in Zusammenhang mit der G7 Working Group on Green Finance and Small and Medium Enterprises (SMEs). Diese Bestandsaufnahme belegt, dass der deutsche Finanzsektor im europäischen und internationalen Vergleich in Sachen Green Finance den Anschluss zu verlieren droht. Begrüßenswert ist vor diesem Hintergrund die Initiative des hessischen Wirtschaftsministeriums zur Schaffung eines bundesweit wirkenden Green Finance Cluster Frankfurt, das zum Ziel hat zu klären und zu entwickeln, wie die Finanzwirtschaft in Deutschland zu den Klimazielen der Landes- und Bundesregierung sowie der EU beitragen kann.
Mit der Umsetzung der 140 „prioritären Maßnahmen“ sind konkrete Schritte zur weiteren Reduzierung der Treibhausgasemissionen und zur Anpassung an den Klimawandel verbunden. Die Auswahl basiert auf Empfehlungen von Steuerungskreis und Arbeitsgruppen im Rahmen des Beteiligungsprozesses, der Bewertung des wissenschaftlichen Konsortiums sowie Ergänzungen aus der interministeriellen Arbeitsgruppe und den beteiligten Ressorts.
Im 2017 startete die Deutsche Börse die Sustainable Finance Initiative (Auftaktkonferenz) in Frankfurt. Ziel war es auch hier, gemeinsam mit rund 100 hochrangigen Akteuren des Finanzplatzes neue fachübergreifende Strukturen für nachhaltiges Unternehmertum zu etablieren und neue Geschäftsfelder auszuloten. Als Dialogplattform diskutiert die Initiative hier Fragen rund um die Zukunftsfähigkeit des Finanzsystems und stößt weitere konkrete Initiativen und Projekte an. Im Mittelpunkt stehen Aspekte, inwiefern Kapitalmärkte innovative Investmentstrategien fördern und wie es gelingt, ein mittel- bis langfristiges Chancen- und Risikomanagement zur Sicherung von systemischer Stabilität zu etablieren.
Das Thema Nachhaltigkeit wird auch für die Gruppe Deutsche Börse immer wichtiger – sie ist als Teilaspekt ihrer Wachstumsstrategie Accelerate fest verankert. „Mit einem entsprechenden Gremium wird die gruppenweite Nachhaltigkeitsstrategie entlang der gesamten Wertschöpfungskette weiterentwickelt. So wächst auch das Produktangebot im Bereich der nachhaltigen Investments.“ (Quelle: Deutsche Börse). Über ihre Indextochter STOXX bietet die Deutsche Börse ein breites Angebot an Nachhaltigkeitsindizes.
Es gibt inzwischen viele Banken, deren Geldgeschäfte fair, ethisch und ökologisch sind. Dazu gehören die Bank für Gemeinwohl, Bank für Kirche und Caritas eG, Bank für Kirche und Diakonie, Bank für Orden und Mission (Zweigniederlassung der vrbank Untertaunus eG), Bank im Bistum Essen eG, Bankhaus Schelhammer & Schattera, DKM Darlehnskasse Münster eG, EthikBank, Evangelische Bank eG, Freie Gemeinschaftsbank, GLS Bank, Pax-Bank eG, ProCredit Bank AG, Steyler Bank GmbH, Triodos Bank N.V. Deutschland und die UmweltBank AG. Hier steht nicht die Gewinnmaximierung im Fokus. Mit den Kundeneinlagen werden beispielsweise nachhaltig ausgerichtete Projekte sowie zukunftsorientierte Unternehmen finanziert.
Prof. Dr. Maximilian Gege ist Mitbegründer und Vorsitzender des geschäftsführenden Vorstands des Unternehmensverbands B.A.U.M. e.V. Der gelernte Bankkaufmann hat zusammen mit seinem Team ein Konzept sowie eine Analyse- und Bewertungsmatrix entwickelt, um bevorzugt kleine und mittelständische Unternehmen, die für einen nachhaltigen Fonds in Frage kommen, zu suchen und zu bewerten. im Oktober 2018 wurde in Zusammenarbeit mit der GLS Bank als Anlageberater und der Green Growth Futura GmbH (GGF), einer eigens von Prof. Dr. Gege gegründeten Dienstleistungs-Agentur für nachhaltigkeitsinteressierte Investoren, der B.A.U.M. Fair Future Fonds (FFF) aufgelegt. Ein ausführliches Interview mit ihm ist im aktuellen memo Nachhaltigkeitsbericht 2019/2020 enthalten. Darin finden sich auch Tipps, wie ein Laie erkennen kann, ob eine Finanzanlage wirklich nachhaltig ist, denn leider werden häufig nachhaltige Investments von Banken oder Anlageberatern empfohlen, die es bei genauem Hinsehen gar nicht sind. „Dabei steckt oft gar keine böse Absicht dahinter, sondern es fehlt einfach an entsprechender Schulung und am nötigen Hintergrundwissen“, so Gege. Eine gute Informationsplattform ist auch das Forum Nachhaltige Geldanlagen. Der Verein hat gemeinsam mit Finanzfachleuten und Akteuren der Zivilgesellschaft ein Siegel für nachhaltige Investmentfonds erarbeitet. Eine High Level Expert Group (HLEG) on Sustainable Finance gibt Empfehlungen für eine nachhaltige Finanzwirtschaft. Sie zielen unter anderem auf die Offenlegung von Nachhaltigkeitsrisiken bei Finanzierungen ab – beispielsweise durch mehr Transparenz zu klimabezogenen Auswirkungen. Auf Grundlage der Empfehlungen der HLEG hat die EU-Kommission am 8. März einen Aktionsplan verabschiedet, der konkrete Umsetzungsmaßnahmen beinhaltet und damit eine Strategie für ein nachhaltiges Finanzwesen darstellt.
Mit der steigenden Zahl nachhaltiger Fonds nimmt auch die Vielfalt der Anlagestrategien in Hinblick auf die Nachhaltigkeit der Anlageprodukte zu. Das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) hat gemeinsam mit Eurosif und den nationalen SIFs (Sustainable Investment Foren) eine neue Version des Europäischen Transparenz Kodexes veröffentlicht, der die aktuellen Entwicklungen der Nachhaltigen Investment Industrie reflektiert. Er ist so konzipiert, dass ein breites Spektrum von Assetklassen (von Aktien bis Fixed Income) abgedeckt werden kann und stellt einen allumfassenden Transparenznachweis für Nachhaltigkeitsfonds in Europa dar. Zudem ist er ein Mindestkriterium zum Erhalt des FNG-Siegels für nachhaltige Publikumsfonds sowie des Österreichischen Umweltzeichens. In anderen Ländern (z.B. Frankreich) darf sich ein Fonds nur als nachhaltig bezeichnen, wenn er den Transparenz Kodex unterzeichnet hat.
Seit Mai 2008 sorgt das Europäische Transparenzlogo für nachhaltige Publikumsfonds für mehr Transparenz im nachhaltigen Anlagemarkt. Es wird an die Unterzeichner des Europäischen Transparenz Kodexes für Nachhaltigkeitsfonds verliehen und gibt Anlegern die Möglichkeit festzustellen, ob und wo sie ausführliche Informationen über die nachhaltige Anlagestrategie eines Investmentprodukts finden.
Die Grundsätze:
• Qualitätssicherung durch Transparenz
• Erhaltung des vielfältigen Spektrums nachhaltiger Geldanlagen
• keine Vorgabe ethischer Standards
• keine Vorgaben zum Portfolio.
„Es trifft nicht zu, dass nachhaltige Fonds eine schlechtere Rendite haben als konventionelle. Da nachhaltige Unternehmen langfristiger und zukunftsfähiger denken und handeln, haben sie die gleichen oder sogar besseren Renditen als Unternehmen, denen Nachhaltigkeit nicht so wichtig ist“, sagt Gege. Hinzu kommt, dass nachhaltige Unternehmen weniger skandalbehaftet sind als Risikounternehmen. Der B.A.U.M. Fair Future Fonds ist ein Aktienfonds, der vorwiegend in kleine und mittelständische Unternehmen investiert, weil hier langfristig gedacht und gehandelt wird. „Schlechte Nachrichten an der Börse können den Kurs von heute auf morgen einbrechen lassen und der Anleger verliert Geld. Das passiert im Mittelstand relativ selten“, so der Finanzexperte. Um in das Portfolio des FFF zu kommen, werden die Unternehmen einem strengen Auswahl- und Prüfprozess unterzogen. „Wir prüfen nach dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex, der ja in der Politik und in der Wirtschaft sehr anerkannt ist.“
Auch stehen folgende Fragen im Fokus:
• Wird das Unternehmen nachhaltig geführt?
• Welche Nachhaltigkeitsziele hat das Unternehmen?
• Wie viel CO2 sollen in den nächsten Jahren eingespart werden?
• Hat das bereits klimaschädliche Emissionen reduziert und will es das auch zukünftig tun?
• Handelt es sozial verantwortlich?
• Gibt es ein Energiemanagement und ein Supply Chain Management?
• Was macht das Unternehmen mit ausländischen Gesellschaften?
• Gibt es Konzepte zur Abfallvermeidung, für Recycling und für Wiederverwertung?
Auf Basis dieser Informationen wird ein Unternehmensprofil erstellt und werden die Stärken und Schwächen sowie die Chancen und Risiken eines Unternehmens analysiert. Die Empfehlungen werden dann mit dem Nachhaltigkeitsbeirat besprochen, in dem sich ausgewiesene Experten engagieren. Sie bewerten die Unternehmen nochmals akribisch und geben dann die Empfehlung frei (oder eben auch nicht). Nach erfolgter Freigabe übernimmt dann die GLS Bank die Informationen und legt die Stückzahl der Aktien und das Investment fest. Überschreitet die Rendite eine bestimmte Grenze, wird in soziale Projekte weltweit investiert. „Wenn der Fonds gute Ergebnisse liefert … und die Rendite über 6 % erreicht, wird Geld frei, das wir dann in soziale Projekte investieren. Bei einer Rendite von z.B. 10 % im Jahr werden rund 400.000 Euro als Fördermittel für Kinder- und Umweltprojekte weltweit zur Verfügung gestellt. Wir stecken uns dieses Geld also nicht in die eigene Tasche, sondern lassen bewusst neben unseren Anlegern auch andere Menschen, vor allem benachteiligte Kinder, davon profitieren.“
Weiterführende Informationen:
memo im Gespräch. Interview mit Prof. Maximilian Gege. In: memo Nachhaltigkeitsbericht 2019/2020, S. 33-36.
Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: CSR und Nachhaltigkeitsmanagement richtig umsetzen: Die wichtigsten Schritte und Werkzeuge - mit zahlreichen Praxistipps und Mustervorlagen. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.