Mit dieser Methode verwandeln Profis wie US-Sprinterin Allyson Felix Rückschläge in Triumphe
Jeder erlebt im Beruf Niederlagen. Aber erfolgreiche Menschen wissen, wie sich solche Tiefs in Erfolge verwandeln lassen. So wie Felix, die****erfolgreichste US-Läuferin aller Zeiten, die von ihrem Sponsor Nike fallen gelassen wurde.
Im Jahr 2020 wird die US-Läuferin Allyson Felix vom Time Magazine zu einem der einflussreichsten Menschen des Jahres gekürt. Was hat sie, das andere nicht haben? Unter anderem 13 Weltmeistertitel und elf olympische Medaillen. Aber es sind nicht allein ihre sportlichen Leistungen, die Felix zu einem internationalen Vorbild machen. Das prestigeträchtige Magazin hat die Afroamerikanerin vielmehr für einen Kampf ausgezeichnet, den sie gegen ihren eigenen Sponsor angetreten ist.
Denn als die Athletin 2018 erstmals Mutter wurde, wollte ihr Sponsor Nike Felix 70 Prozent weniger zahlen und damit ihren Marktwert als Werbeikone mehr als halbieren. Zudem wollte Nike Felix nicht vertraglich zusichern, sie nicht mit weiteren Gehaltskürzungen zu „bestrafen“, wenn sie in den Monaten nach der Geburt keine Topleistungen bringe. Die damals 35-Jährige hatte ihre Tochter mit Komplikationen per Kaiserschnitt zur Welt gebracht, das Baby kam zwei Monate zu früh, musste zunächst auf der Intensivstation bleiben. „Wenn wir Kinder bekommen, dann riskieren wir Gehaltseinbußen von unseren Sponsoren während der Schwangerschaft und danach. Es ist ein Beispiel einer Sportindustrie, die immer noch meist von und für Männer gemacht wird“., schrieb sie in einem Beitrag für die New York Times.
Starker Auftritt einer Feministin
Trotz einer Geheimhaltungsklausel machte Allyson damals die Diskriminierung öffentlich und erreichte, dass Nike schließlich nach weltweiter Empörung seine Richtlinien zum Mutterschutz für Werbeträgerinnen änderte. Aber die Enttäuschung bei Felix blieb, schließlich hatte der Sportartikelhersteller sie 2010 damit angeworben, junge Frauen unterstützen zu wollen. So wandte die Athletin ihrem Sponsor öffentlich den Rücken und gründete ihre eigene Marke: Saysh, designed von und für Frauen.
In diesen Schuhen lief Felix schließlich bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokyo zum Erfolg und gewann ihr siebtes Olympia-Gold. Per Instagram wandte sie sich damals an ihre Kolleginnen: „Dieses Unternehmen habe ich für euch gegründet. So dass keine von euch morgens um 4.30 Uhr trainieren muss, wenn sie im fünften Monat ist, nur um ihre Schwangerschaft vor ihrem Sponsor zu verstecken.“
Die schnellste Feministin der Welt hat sich ihren Weg vom fallengelassenen Star zu einer Ikone im Sport hart erkämpfen müssen. Auch ihre sportlichen Leistungen sind außergewöhnlich, denn Felix galt in der Sportwelt eigentlich schon als zu alt, um überhaupt noch 2021 bei Olympia anzutreten – und gewann doch wieder Gold. Drei wichtige Erkenntnisse, mit denen sie es geschafft hat, sich aus dem Tief wieder auf Hochleistung zu trimmen, verriet sie dem Magazin Fast Company.
1. Konzentriere Dich auf kleine Ziele statt auf ein großes
Allyson Felix hatte einen detaillierten Plan, wie sie als Mutter in ihre sportliche Laufbahn zurückkehren wollte. Aber wegen gesundheitlicher Probleme während der Schwangerschaft, darunter eine schwere Präeklampsie, stellte sich heraus, dass „nichts nach Plan lief“. Also hörte Allyson auf, so weit vorauszuschauen. „Als mein Baby auf der Neugeborenen-Intensivstation lag, ging es nur darum, den Tag zu überstehen.“ Die Konzentration nur auf das, was sie an diesem Tag tun konnte, habe ihr geholfen, die Dinge ins rechte Licht zu rücken. Jeden Tag fragte sie sich: Okay, was habe ich heute auf dem Teller? Wie schaffe ich das? Wie schaffe ich es, mein Training zu absolvieren?“
Durch die Festlegung kleinerer Ziele, so Felix, wurden die Dinge greifbarer.
Das sagt die Expertin dazu: Die Suche nach neuen, kleineren Zielen ermöglicht es, den Fokus zu verlagern und aus der echten oder gefühlten Ausweglosigkeit auszubrechen. „Um eine Niederlage bewältigen zu können, muss man unbedingt die Bindung an das gescheiterte Projekt, das nicht erreichbare Ziel lösen und zugleich nach einer Alternative suchen“, empfiehlt die Diplompsychologin Ursula Nuber, ehemalige Chefredakteurin der Zeitschrift Psychologie Heute. „Indem ein nicht erreichbares Ziel aufgegeben wird, zugleich aber ein anderes gewählt wird, bleibt die Person in einer Vorwärtsbewegung“, so die Psychologin weiter.*
2. Trau Dich, Hilfe von anderen anzunehmen
Als Allyson schließlich zum Training zurückkehrte, gab sie zu, dass sie sich manchmal niedergeschlagen fühlte, weil sie es gewohnt war, auf einem viel höheren Niveau zu trainieren. Sie sagte sich immer wieder: „Setz einen Fuß vor den anderen!“ Aber sie musste diese Ermahnung erst von Menschen aus ihrem Umfeld hören, um auch wirklich daran glauben zu können. „Es ist erschreckend einfach, sich selbst zu kritisieren und sich darin aufzuzehren, wenn etwas nicht gut läuft", sagt sie. Sie habe lernen müssen, um Hilfe zu bitten. Etwas, womit sie sich anfangs schwertat. Aber die Situation war eine völlig andere, sie war Spitzensportlerin und gleichzeitig Mutter, die sich um ein krankes Baby kümmern musste**. Ohne Hilfe von außen wäre der Wiedereinstieg nicht gelungen. Noch heute ist es so, dass sie ihren Mann bittet, ihre Tochter zu einem Training mitzubringen, damit sie Zeit mit ihr verbringen kann.**
Das sagt der Experte dazu: „Jeder Mensch macht sich über die Jahre ein Bild von sich selbst. Es ist sein Lebensentwurf. Er nimmt sich vor, was er erreichen oder wie er sein möchte“, sagt der Psychoanalytiker Heinrich Deserno. Diese Idealvorstellung werde auch von einem unbewussten Teil befeuert. „Und gerade dieser unbewusste Teil, der häufig wie ein Auftrag wirkt, bringt uns so oft zu Fall.“ In einer solchen Situation Hilfe anzunehmen von jenen vertrauten Menschen, die aus einer anderen Perspektive die Situation differenzierter einschätzen können und frei sind von dem Zwang, der sich da womöglich im Kopf der Betroffenen abspielt, ist ein wichtiger Schritt, um wieder auf die Erfolgsspur zu kommen.
3. Sei bereit, Deine Methoden und Erwartungen anzupassen
Allyson fand heraus, dass es ungeheuer wichtig ist, sich an die eigene neue Situation anzupassen. Dabei müsse man viel Flexibilität akzeptieren; „Die Realität entspricht nicht immer dem, was man sich wünscht.“ In ihrem Fall bedeutete das, ihre Trainingszeiten auf den Nachmittag zu verlegen, wenn ihr Mann von der Arbeit kam und sich um das Baby kümmern konnte. „Ich hätte lieber morgens trainiert, aber es ging darum, mit der Unterstützung, die ich hatte, flexibel umzugehen.“
Das sagen die Experten dazu: Letztendlich ist die Fähigkeit zur Anpassung, zur Justierung der eigenen Erwartungen und Methoden, genau das, was Scheitern zu einer Chance machen kann. „Eines der wichtigsten Potenziale des Scheiterns scheint darin zu bestehen, Menschen zu befähigen, Neues an sich und in ihrer Umwelt zu entdecken“, schreiben die Psychologen Olaf Morgenroth und Johannes Schaller. „Durch das Scheitern werden Denk- und Handlungsroutinen durchbrochen und veränderte Sichtweisen auf Probleme angeregt, die wiederum neue Optionen eröffnen. Scheitern ist daher nicht nur Versagen, Verzicht und Selbstaufgabe, sondern auch Aufbruch, Wandel und Chance.“
Lesetipp: So kannst Du einen konstruktiven Umgang mit Niederlagen trainieren
Karriereberaterin und XING Insiderin Ragnhild Struss Ragnhild Struss schildert in ihrem Beitrag "Weiter geht’s: Wie wir Niederlagen konstruktiv händeln", wie wir mit negativen Gefühlen infolge von Niederlagen umgehen und einen konstruktiven Umgang mit Misserfolgen mit drei Übungsschritten trainieren können. Sie betont, dass das Gefühl einer Niederlage auch immer eng verbunden ist mit der Frage: Wessen Schuld ist das Ganze? Dabei falle es uns schwer, das richtige Maß und die Mitte der Schuldbeurteilung zu finden. Manche Menschen geben anderen die Schuld und aktivieren damit ihren Selbstschutz. Andere interpretieren die Niederlage komplett als eigenes Versagen. "Wer aber seine Situation objektiv bewerten und darauf aufbauend auch ändern will, muss den Mittelwert bei dieser Betrachtung finden“, so Ragnild Struss. Wichtig sei es, präsent zu bleiben, sich nicht zurückzuziehen oder andere zu beschuldigen. Man müsse den Mut aufbringen, sich mit dem, was passiert ist, auseinanderzusetzen – entweder allein, am besten schriftlich mit Papier und Stift, oder mit Hilfe von außen, zum Beispiel von einem Freund oder Coach.
Wie gehst Du mit Rückschlägen um? Welche Methode hilft Dir, ein Karrieretief zu überwinden und Dich auf neue Ziele zu konzentrieren? Diskutiere mit uns in den Kommentaren.
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* Ursula Nuber, Die Kunst „richtig“ zu scheitern, in: Psychologie Heute, 31, Heft 1, S. 20–23