Credit Suisse erstickt in Skandalen: Wenn der Arbeitgeber in der Dauerkrise steckt
Die Zukunft der Credit Suisse ist in der Schwebe. Unter der Ungewissheit leiden die Mitarbeitenden. Eine Einordnung.
Elli von Planta weiss, wie es sich anfühlt, für eine Krisenbank zu arbeiten. Die Baslerin war in der Finanzkrise, von 2007 bis 2010, die oberste Personalvertreterin bei der UBS, als das Institut vom Bund gerettet werden musste. «Es war damals ganz schrecklich», erzählt die ehemalige Bankangestellte. «Jeder böse Zeitungsartikel traf uns Mitarbeitende ins Mark. Wir waren loyale Angestellte.»
Nun ist die UBS wieder profitabel und erfolgreich. Dafür ist die Nummer zwei der Grossbanken, die Credit Suisse, in der Bredouille. Der Wert der CS-Aktie ist auf etwas über 4 Franken gefallen, die Öffentlichkeit spekuliert, was mit der Bank passieren wird.
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Wird die Bank zerschlagen, verkauft sie Unternehmensteile, steigt ein Investor ein, werden Tausende von Stellen abgebaut – das sind nur einige der Szenarien, die in den Medien und Gerüchteküchen ausgebreitet werden. Es ist eine schon mehrere Jahre lang schwelende Krise bei der Credit Suisse, die sich dem Finale nähert. Am 27. Oktober will das Topmanagement die Pläne für die Zukunft präsentieren.
«Grossbanken haben an Glaubwürdigkeit verloren»
Elli von Planta fühlt sich an die Lage damals bei der UBS erinnert – und sieht dennoch viele Unterschiede. Damals, 2008, geriet die ganze Finanzbranche in den Strudel der Krise, die UBS war nur etwas stärker betroffen als ihre Konkurrenten. Nun ist unter den internationalen Grossbanken nur die Deutsche Bank ähnlich in der Klemme wie die Credit Suisse.
Auch die Haltung in der Bevölkerung gegenüber der CS sei eine andere als einst bei der UBS, glaubt von Planta: «Damals litt die ganze Schweiz, weil sie auf ihr Flaggschiff UBS stolz war. Früher galten die Banken für die Bevölkerung als Fels in der Brandung. Inzwischen haben sie an Glaubwürdigkeit verloren.»
«Die Situation ist immer ähnlich»
Auch Unternehmensberater Matthias Mölleney stützt sich auf eigene Erfahrungen, wenn er über die Arbeit in einem Unternehmen in der Krise spricht. Mölleney war vor dem Grounding Personalchef der Swissair und arbeitete Anfang der 1990er Jahre für die Lufthansa, als die deutsche Airline knapp dem Konkurs entkam.
«Die Situation ist immer ähnlich», sagt Mölleney. Die Belegschaft sei in der Regel verunsichert und fürchte um die Stelle. «Es gehört zu den grössten Ängsten der Menschen, ihre Stelle zu verlieren.» Gerüchten zufolge will die Credit Suisse 4000 Jobs abbauen, viele davon in der Schweiz.
Und sei der Ruf des Arbeitgebers ramponiert, litten darunter auch die Angestellten, sagt Unternehmensberater Mölleney.
Nicht immer ist die Stimmung schlecht
Die Verunsicherung habe nicht immer eine schlechte Stimmung zur Folge. «Entscheidend ist, wie die Mitarbeitenden die Lage einschätzen. Wenn sie das Unternehmen in der Öffentlichkeit unfair behandelt sehen, kann unter der Belegschaft eine Solidarisierung entstehen, sodass die Leute zusammenrücken», sagt Mölleney. «Auch der gegenteilige Effekt kann eintreten, wenn den Angestellten das Vertrauen in die Führung fehlt. Dann schwindet die Verbundenheit mit dem Unternehmen», so Mölleney.
Für gewöhnlich setze sich intern eine Haltung durch, erklärt der Unternehmensberater: «Wir kämpfen oder wir verlassen das sinkende Schiff.» Wie das Betriebsklima bei der CS ist, könne er allerdings nicht sagen, «ich sehe nicht in das Unternehmen hinein».
Viele CS-Mitarbeitende wollen nicht offen reden
Beim Bankenpersonalverband hat Christof Burkard, Fachverantwortlicher Sozialpartnerschaft, wenig Rückmeldungen von CS-Mitarbeitenden erhalten. Er habe mit einigen Leuten Kontakt, viele möchten aber nicht offen reden. Burkard spürt bei manchen eine «unbestimmte Angst». Andere hätten sich an die Krise gewöhnt, «die Credit Suisse macht ja schon lange Negativschlagzeilen», sagt der Verbandsvertreter.
Für Unternehmensberater Matthias Mölleney ist klar, was für die Stimmung innerhalb der Credit Suisse in dieser Lage entscheidend ist. «Es braucht jetzt schnell ein Zeichen.» Das Topmanagement müsse den Mitarbeitenden so schnell wie möglich aufzeigen, wie es weitergehen soll.
Doch zumindest in der Öffentlichkeit wollen CEO Ulrich Körner und Präsident Axel Lehmann erst Ende Monat Klarheit schaffen. Und wegen der Börsenregeln – Stichwort Ad-hoc-Publizität – wird die Führung auch gegenüber den Mitarbeitenden nicht viel mehr offenlegen können. Es ist ein Dilemma, welches sich in vielen börsengehandelten Unternehmen stellt.
Die Krise als Chance sehen
«Man muss die Menschen mitnehmen und offen und ehrlich sein. Wenn die Konzernleitung nichts sagen darf, muss sie das der Belegschaft aufzeigen» sagt Managementberaterin Katja Unkel. Es gelte, den Mitarbeitenden das Gefühl zu geben, dass sie wichtig sind und ernst genommen werden.
«Jetzt nur an die Investorinnen und Finanzmärkte zu denken, wäre für die Geschäftsleitung fatal.» Die Krise könne für die Angestellten auch eine Chance sein, glaubt Katja Unkel. «Mitarbeitende sind leidensfähig, wenn sie an das Unternehmen glauben.»
Matthias Mölleney sagt, dass die Credit Suisse wieder eine Erfolgsgeschichte werden kann. «Das habe ich damals auch bei der Lufthansa erlebt, sie hat in den 1990er Jahren aus eigener Kraft den Turnaround geschafft. Intern war die Stimmung danach fantastisch.»
Das CS-Topmanagement habe aber nur wenig Zeit, den Nährboden für eine gute Unternehmenskultur zu schaffen. «Eine Kultur zu ändern, gelingt nicht über Nacht. Aber bis Ende Jahr muss es einen Aufwärtstrend geben. Eine solche Phase der Ungewissheit darf nicht ewig dauern.»
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