Interview mit dem Gründer von Pocketmedia

Luciano Gasparini zeigt den Weg vom MP3-Pionier zum Disti

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Vor 15 Jahren hat Luciano Gasparini Pocketmedia gegründet. Vom MP3-Pionier entwickelte sich das Unternehmen zum Spezialdisti für trendige Unterhaltungselektronik. Und auch Indoor-Gärten und Fishfinder sind heute in seinem Sortiment zu finden.

Luciano Gasparini, Managing Director, Pocketmedia. (Source: Netzmedien)
Luciano Gasparini, Managing Director, Pocketmedia. (Source: Netzmedien)

Wie sind Sie dazu gekommen, Pocketmedia zu gründen?

Luciano Gasparini: Ich hatte eine herausfordernde Zeit als Lernender in dem kleinen Radio-TV-Fachgeschäft im Breitenrein-Quartier in Bern. Wir waren nur zu dritt, ein Chef und zwei Lehrlinge. Dort habe ich gelernt, zu chrampfen. Als junger Radio-TV-Elektriker fand ich zwar gute Stellen. Nach der harten Lehre wollte ich mir aber von meinen Chefs nichts mehr gefallen lassen und wechselte den Arbeitsplatz sofort, wenn mir etwas nicht mehr passte. Erst als ich bei der Swissair als Elektroniker anfing, änderte sich das. Bei der Swissair zu arbeiten war toll. Dort reparierte ich Ins­trumentenlandesysteme und Navigationssysteme. Das machte ich drei Jahre lang. Danach wechselte ich in den Einkauf bei der Swissair, wo ich von der Cockpitscheibe über sämtliche Schalter bis zur kompletten Ausstattung der Bordküche alles Elektromechanische einkaufte. Das war ein sehr guter Job, weil es sehr international und intensiv war. Danach machte ich mich mit einem Partner zusammen das erste Mal selbstständig und handelte mit Flugzeug­ersatzteilen. Das funktionierte auch ganz gut. Es war mir aber zu kostenintensiv. Und ich hatte ja kein Geld. Weitere Stationen auf meinem Weg waren Studerus Telecom, Tetora und zuletzt war ich als Product Manager bei der Rediffusion tätig, bis das Unternehmen von Fust übernommen wurde. Und dann gründete ich 2002 Pocketmedia.

Warum nannten Sie Ihr Unternehmen Pocketmedia?

Als ich für Rediffusion arbeitete, kamen die ersten MP3-Player auf. Das war so Ende der 90er-Jahre. Ich erkannte den Trend zur Miniaturisierung. Ich war mir sicher, dass früher oder später alle Me­dien, ob Audio oder Video, digital in einem kompakten Gerät in der Hosentasche, auf Englisch "pocket", Platz haben würden. Und so kam ich auf den Namen Pocketmedia. Die ersten Kunden, die ich mit MP3-Playern beliefern konnte, waren Fust und Media Markt.

Wie muss man sich die ersten Verkaufsgespräche mit den Retailern vorstellen?

Die Einkäufer der Retailer waren natürlich skeptisch, und der Media-Markt Dietlikon nahm mir meine MP3-Player nur in Konsignation ab. Als der dann aber am ersten Wochenende rund 100 Stück davon verkauft hatte, realisierte der Teamleader, dass die Nachfrage da war, und ich konnte weiter liefern.

Wie entwickelte sich das Geschäft weiter?

Wir konnten richtig viele MP3-Player in der Schweiz verkaufen, vor allem auch von unserer Eigenmarke Pocketmedia. Bald stiegen aber immer mehr Anbieter in den MP3-Markt ein und die Preise sanken. Dann fingen wir als einer der ersten an, kleine mobile Lautsprecher zu importieren und diese zu vertreiben. Auch das war ein lohnendes Geschäft. Ab 2006 ging dann die Post ab mit DAB-Radios. Wir haben auch mit der Marke Revo das erste Hybrid-Radio, das DAB und Internet kombinierte, in die Schweiz importiert.

Wie kann ein kleiner Disti wie Pocketmedia gegen die ­Grossen bestehen?

Wir müssen einfach sehr nahe am Markt und an den Trends sein. Auch Geschwindigkeit spielt eine Rolle. Wenn ich an einer Messe oder im Internet eine coole neue Marke sehe, kann ich davon schnell ein paar Stück an Lager nehmen und sie bei unseren Handelspartnern platzieren. In der Vergangenheit zeigte sich auch immer wieder, dass wir als kleiner Disti unsere Nischen immer wieder neu finden müssen. Denn sobald die Grossen ein Produkt oder eine Innovation entdecken und selbst in den Markt drücken, haben die Kleinen kaum mehr eine Chance.

Auf pocketmedia.ch findet man eine Vielzahl von Warengruppen und innovativen Produkten, die eigentlich nichts mehr mit digitalen Medien für die Hosentasche zu tun haben. Verzetteln Sie sich da nicht etwas?

Ja, und wir sind auch dabei, das Sortiment zu straffen. Aber ich bin halt vielseitig interessiert und begeistere mich für verschiedenste Warengruppen und innovative Produkte. So finden sich bei mir, abgesehen von Audioprodukten, auf die wir nach wie vor den Fokus legen, auch Click-and-Grow-Produkte, das ist ein Indoor-Garten mit dazugehöriger App für die Aufzucht von Kräutern und Gemüse zuhause in der Küche, selbst wenn es dort kein Tageslicht gibt. Auch Fishfinder der Marke Deeper verkaufen wir oder Gehörschutze der Marke Sahaga mit eingebautem DAB-Radio. Zudem vertreiben wir verschiedene Standfüsse als Zubehör zu Multiroom-Systemen oder auch Drohnen, Smarthome-Kameras oder die Deko-Lichtlösung von Nanoleaf.

Sie vertreiben zudem seit Neuestem die DAB-Radios von Comoaudio, wie an der CE Trend-Show in Luzern zu sehen war. Gibt es denn nicht schon genug DAB-Radios auf dem Schweizer Markt?

Mag sein, dass es schon einige Marken auf dem Schweizer Markt gibt. Aber nachdem wir die Marke Revo nicht mehr in unserem Sortiment hatten, musste ich Ersatz finden für die Kunden, die bei Pocketmedia DAB-Radios einkaufen möchten. Und Comoaudio ist ja auch nicht einfach ein weiteres DAB-Radio, sondern kann auch als Multiroom-System konfiguriert werden. Zudem macht etwa das Modell Musica auch CDs multiroomfähig. Zudem wurde Comoaudio von Tom De Vesto gegründet, der als Gründer und Entwickler auch von Cambridge Soundworks und der bekannten Marke Tivoli eine echte Grösse in der Audiobranche ist. Auch sehen die Geräte im Holzlook von Comoaudio hübsch aus und fügen sich mit ihrem Design edel in jede Wohnlandschaft ein. Für den Handel sind die Geräte auch deshalb interessant, weil sie im hochpreisigen Segment auf Pre­miumkunden abzielen.

Über welche Kanäle vertreiben Sie denn all diese Produkte? Wohl kaum alles über den CE-Handel?

Doch, auch. Aber nicht nur. Weitere Kanäle sind etwa der Fischerei-Fachhandel für den Deeper Sonar Fishfinder oder der Baufachhandel, der die Sahaga-Gehörschutzprodukte verkauft. Auch der Elektro- und Lampenfachhandel gehören zu den von mir betreuten Kanälen.

Sie haben also im Verlauf der Jahre diversifiziert ...

Ja, das war auch nötig; nur mit dem CE-Handel als Kanal könnten wir nicht mehr existieren.

Glauben Sie, dass auch der CE-Handel sich diversifizieren müsste?

Natürlich. Aber vor allem sollte er sich mit innovativen und neuen Warengruppen auseinandersetzen, ausprobieren und wenn etwas nicht funktioniert, dann halt auch wieder verwerfen. Wenn ich sehe, dass draussen im Handel überall die gleichen Marken und die gleichen Produkte angeboten werden, die sich nur durch den Preis voneinander unterscheiden, stehen mir regelmässig die Haare zu Berge. Stellen Sie sich die Modebranche vor mit ihren grossen Outlets wie C&A, H&M, Zara, und wie sie alle heissen. Stellen Sie sich vor, sie alle hätten das exakt gleiche Sortiment. Undenkbar. Aber genauso ist es in CE-Branche. Die Einkäufer berücksichtigen bei der Sortimentauswahl vor allem die Topmarken und überlegen sich zu wenig, was es sonst noch für interessante Produkte für ihre Kunden gäbe. Vielen Einkäufern fehlt auch der Mut, etwas auszuprobieren. Als ich Einkäufer und Produktmanager war, sagte mir mein damaliger Chef: "Schau mein Junge, von zehn Deals, die du machst, müssen zwei in die Hosen gehen, und dafür gelingen die anderen acht anderen umso besser."

Welcher Kanal ist denn experimentierfreudiger?

Im Onlinekanal haben die Einkäufer weniger Berührungsängste, mal etwas zu wagen.

Wenn Sie auf die vergangenen 15 Jahre Geschäftstätigkeit von Pocketmedia zurückblicken, was waren die Highlights?

Es ist natürlich jedes Mal ein Highlight für uns, wenn wir mit einem Kunden einen Vertrag abschliessen können. Und ganz grundsätzlich ist es für mich auch ein dauerhaftes Highlight, dass ich als Selbstständigerwerbender meinen Lohn selbst verdienen kann und meine Zeit selbst einteilen darf. Es bedeutet eine grosse Freiheit, selbstständig zu sein. Wir sind zwar nie besonders stark gewachsen und wir sind heute zu dritt. Aber wenn ich sehe, wie sich die Disti-Landschaft in den vergangenen Jahren verändert hat, bin ich ein wenig stolz, dass es mein Unternehmen noch gibt.

Wollten Sie denn mit dem Unternehmen nie grösser werden?

Nein, mehr Umsatz heisst auch mehr Stress, und ich bräuchte auch mehr Mitarbeiter. Die Unternehmensgrös­se, wie sie jetzt ist, kann ich gut bewältigen. Und auch das Risiko ist überschaubar. Ich kann mit dieser Grösse auch schnell auf Entwicklungen des Marktes und der Technologie reagieren und bin flexibler als grössere Unternehmen. Es ist ganz gut so, wie es ist.

Würden Sie sich heute noch einmal selbstständig machen?

Ja, warum denn nicht?

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