Ein guter Sportwagen schafft es in weniger als vier Sekunden von null auf 100. Wie schnell Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) in dieser Woche auf Touren kam, ist nicht überliefert, aber es muss sehr schnell gewesen sein: Er sei ziemlich verärgert gewesen über den Angriff von TÜV-Nord-Chef Guido Rettig, heißt es im Ministerium. Rettig hatte der Regierung vorgeworfen, sie habe den Prüfern untersagt, die Motorensoftware von Fahrzeugen zu untersuchen und zwar auf Drängen der Autoindustrie. Hätten die Prüfer Einblick in die Software gehabt, hätte der VW-Abgasskandal schon viel früher aufgedeckt werden können, so der TÜV.

Dobrindt reagierte prompt: Auch der TÜV habe die falschen CO2-Werte bei einem Termin mit einer Kommission des Verkehrsministeriums nicht erklären können. Von einer Anfrage des TÜV, die Steuerungssoftware zu untersuchen, weiß das Ministerium nichts: "Es gab in der Sitzung ‎keine Belege für eine etwaige Initiative des TÜV Nord", heißt es aus Berlin. Inzwischen prüfe man allerdings, ob eine Offenlegung der Motorelektronik-Software Pflicht werden soll. "Deutschland unterstützt die Weiterentwicklung der Prüfverfahren seit Jahren." Das Verkehrsministerium gibt damit weiterhin den Aufklärer im VW-Skandal. Und weist weit von sich, von der Autolobby beeinflusst worden zu sein.

Aber stimmt das wirklich? Oder ist der Einfluss der Autohersteller nicht doch größer als von den Politikern zugegeben? Vieles spricht dafür. Der Verband der Automobilhersteller (VDA) hat nach einer Krisensitzung im Verkehrsausschuss Anfang November einige Dinge eingeräumt: Es gebe "eine Differenz zwischen den Ergebnisse auf dem Prüfstand und den Werten auf der Straße" bei den Abgasmessungen. Zudem gebe es "Einzelfälle, in denen bewusst Fahrzeugmodelle mit einer Manipulationssoftware ausgestattet wurden und damit sehr hohe Diskrepanzen aufweisen." Deswegen setze sich der VDA nun "für eine rasche Einführung der RDE-Gesetzgebung ein", die eine Messung der realen Abgaswerte auf der Straße vorsieht.

Alle Hinweise wurden ignoriert

Ministerium und Automobilindustrie versuchen den Eindruck zu erwecken, dass niemand von den Manipulationen gewusst hat. Dabei war das Thema schon seit Langem bekannt. Das sagen nicht nur Organisationen wie der TÜV und die Deutsche Umwelthilfe (DUH), sondern das belegen auch Protokolle aus Bundestagsdebatten, in denen immer wieder die Frage aufkam: Wie gut sind die bestehenden Abgasuntersuchungen? Und warum stimmen die Messwerte der Hersteller beim Zulassungsverfahren und die von Prüfdiensten zum Realverbrauch nicht überein?

Schon 2007 enthüllte die DUH im Detail den Betrug der Autokonzerne bei der Ermittlung von Abgaswerten und Spritverbrauch. Dabei erklärte die DUH die von den Herstellern angewandten Tricks. Dazu gehört, dass die Software erkennt, wenn gerade eine Abgasprüfung stattfindet und entsprechend darauf reagiert. Bereits damals habe man das Bundesverkehrsministerium und das Kraftfahrtbundesamt (KBA) aufgefordert, diese Praxis zu korrigieren.

Seit 2007 gilt auch eine EU-Verordnung, die regelt, wie die Abgasprüfung bei der Typzulassung vonstatten geht. Die Hersteller sind demnach in der Pflicht, die für die Prüfung relevanten Daten herauszugeben. Tun sie das nicht, kann ihnen im schlimmsten Fall die Zulassung entzogen werden. Die Verordnung verbietet zudem, dass in den Fahrzeugen Mittel angewandt werden, um die Abgasregelung auszutricksen.

Die Autokonzerne hätten all das geflissentlich ignoriert, sagt Jürgen Bönninger, Geschäftsführer der Fahrzeugsystemdaten GmbH (FSD), einer von TÜV und Dekra gegründeten Gesellschaft: "Die Hersteller geben uns bis heute diese Informationen nicht, obwohl wir sie mehrfach eingefordert haben." Daraufhin habe es schon 2009 ein Protestschreiben des Rechtsanwalts und ehemaligen Bundesinnenministers Gerhart Baum an den damaligen EU-Kommissar Günter Verheugen gegeben, der anmahnte, dass dieses Verhalten der Autohersteller "gegen unmittelbar geltendes Recht verstößt".