Wirtschaftsprüfer:Prüfen und kassieren

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Ausgerechnet KPMG soll jetzt für die Finanzaufsicht die Deutsche Bank überwachen - jene Firma, die auch die Bücher der Bank prüft.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

In der konzerneigenen Rhetorik klingt es bei der Deutschen Bank stets so, als sei das Gröbste geschafft. Im Lagebericht für das vergangene Geschäftsjahr beispielsweise: Seitenlang geht die Bank da im Punkt "Finanzkriminalität" darauf ein, wie ernst sie die Vorgaben in diesem sensiblen Bereich nimmt, wie sie ihre Abläufe verbessert hat, um Geldwäsche, Terrorfinanzierung oder Sanktionsverstöße zu erkennen und zu unterbinden. "Wir überprüfen unsere Kunden sorgfältig", heißt es.

Die Finanzaufsicht Bafin, das ist spätestens seit Montag klar, sieht das völlig anders. Sie hat die Geduld verloren und deshalb Experten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG als Aufpasser bestellt, damit die Bank ihre Geldwäscheprävention bis 2021 in den Griff bekommt.

Nur arbeiten die Sonderprüfer ausgerechnet bei jener Firma, deren Bücher sie schon seit 1952 prüft. Kein einziges Mal haben KPMG oder die Vorgängergesellschaften seither ein eingeschränktes Testat für einen Jahresabschluss des größten deutschen Geldhauses ausgestellt, nur selten hatten die Wirtschaftsprüfer überhaupt etwas zu beanstanden. Im Abschluss für 2017 heißt es etwa, der Lagebericht vermittle "insgesamt ein zutreffendes Bild von der Lage der Gesellschaft". Obwohl die drohende Sonderprüfung seitens der Bafin auch im Aufsichtsrat befürchtet worden war, gaben sich die Prüfer mit der Selbstdarstellung des Konzerns zufrieden. Im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften habe man die "nicht-finanzielle Erklärung", in der die Geldwäsche thematisiert wird, auch nicht inhaltlich geprüft.

Dass nun ausgerechnet KPMG-Berater als externe Aufpasser bestellt werden, ist deshalb einerseits nachvollziehbar, kennt doch niemand die Strukturen und Bilanzen der Bank so gut wie ihre langjährigen Wirtschaftsprüfer. Auch die Probleme in der Risikoeinstufung von Kunden und der Geldwäscheprävention dürften ihnen bekannt sein. Andererseits hat KPMG mit keinem Wort thematisiert, wie mangelhaft die Maßnahmen gegen Finanzkriminalität offenbar sind und welche Risiken sich für die Bank daraus ergeben. Überprüft sich KPMG nun am Ende auch selbst?

Die vier Buchstaben sind jüngst immer wieder in unrühmlichen Zusammenhängen aufgetaucht. KPMG ist die kleinste der Big Four, wie die großen Wirtschaftsprüfer auch genannt werden. Zusammen mit EY, PwC und Deloitte bildet KPMG ein Oligopol derjenigen, die als einzige noch in der Lage sind, die Jahresabschlüsse international agierender Konzerne zu prüfen. Gleichzeitig beraten sie Regierungen, Aufsichtsbehörden und vereinen Unternehmens- und Steuerberatung auf sich, sind also irgendwie überall.

Und im Fall von KPMG häufen sich überall Probleme. Zuletzt stellte das Financial Reporting Council, die britische Kontrollbehörde für Wirtschaftsprüfer, der Firma ein verheerendes Zeugnis aus. Die Qualität der untersuchten Abschlussprüfungen in diesem Jahr und die "qualitative Verschlechterung" in den vergangenen fünf Jahren seien "inakzeptabel", heißt es dort. In den USA ließen KPMG-Prüfer jahrelang die Bilanztricks des früheren GE-Chefs Jeffrey Immelt durchgehen. Noch schwerer wiegt der Skandal um die frühere US-Führungsriege, die von 2015 an gezielt Verbindungen in die Aufsichtsbehörde PCAOB aufbaute und von dort Mitarbeiter abwarb um vorab zu erfahren, welche Testate die Aufseher genauer untersuchen wollten. In Südafrika müssen im Zuge eines Korruptionsskandals 400 Mitarbeiter gehen; KPMG ist dort auf Jahre hinaus für den öffentlichen Sektor gesperrt.

Der deutschen KPMG-Abteilung kann man aus all diesen Vorgängen kaum einen Vorwurf machen, zumal die Firma als Netzwerk rechtlich eigenständiger Landesgesellschaften organisiert ist. Aber auch hier hat KPMG jetzt Ärger: Wegen "behördlich aufgedeckter Buchführungs- und Bilanzmängel" sowie für "schwerste Mängel im Compliance-, Risikomanagement- und Geldwäschepräventionssystem" klagt die Anwaltskanzlei Bayer Law beim Amtsgericht Frankfurt auf Abberufung von KPMG als Prüfer der Deutschen Bank. Die Stellungnahmen der Wirtschaftsprüfer und der Bank liegen vor, das Verfahren läuft. Eine KPMG-Sprecherin äußerte sich weder dazu noch zum neuen Mandat bei der Deutschen Bank. Man nehme keine Aufträge an, die nicht mit der Unabhängigkeit als Abschlussprüfer vereinbar wären, hieß es lediglich. So ähnlich klingt es immer, wenn Wirtschaftsprüfungsfirmen zu möglichen Interessenkonflikten Stellung nehmen.

Ohnehin geht die langjährige Zweisamkeit von Deutscher Bank und KPMG in absehbarer Zukunft zu Ende. Per Aufsichtsratsbeschluss setzt die Deutsche Bank bald die neue EU-Richtlinie zur Abschlussprüfung um. Die schreibt vor, dass Konzerne regelmäßig ihre Prüfer austauschen müssen. KPMG untersucht deshalb noch den Abschluss für das Geschäftsjahr 2019, danach ist Schluss. Das Mandat der Bank gilt als das lukrativste unter allen Dax-Konzernen: Für 2017 hat KPMG 73 Millionen Euro berechnet. Weil die Aufgabe so umfangreich ist, kommt als Ersatz nur eine der drei anderen großen Prüfgesellschaften infrage. Nach Informationen aus Finanzkreisen ist PwC schon damit beschäftigt, eine sogenannte Schattenprüfung zu erstellen, um auf das Mandat vorbereitet zu sein. Der ehemalige Deutschland-Chef von PwC, Norbert Winkeljohann sitzt neuerdings im Aufsichtsrat der Bank. Der nächste Interessenkonflikt ist also programmiert.

© SZ vom 26.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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