Es fing alles damit an, dass die Bundesregierung der Europäischen Zentralbank im Frühjahr 2010 das Securities Markets Programme (SMP) durchgehen ließ, im Rahmen dessen für 223 Milliarden Euro Staatspapiere der sechs Krisenländer gekauft wurden, also Papiere der Länder Griechenland, Italien, Portugal, Spanien, Irland und Zypern. Sowohl der frühere Bundesbankpräsident Axel Weber als auch der einstige EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark hatten protestiert, weil die Käufe das Verbot der Monetisierung der Staatsschuld verletzten, und sie traten zurück, als sie merkten, dass man nicht auf sie hören wollte.

Aber der Protest war vergebens. Die deutsche Regierung beugte sich dem französischen Druck, der ihr von dem damaligen Staatspräsident Nicolas Sarkozy, dem Chef des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, und dem früheren EZB-Chef Claude Trichet entgegengesetzt wurde. Sie beruhigte ihr Gewissen mit der Annahme, dass der Vertragsbruch, den die damalige französische Finanzministerin Christine Lagarde seinerzeit freimütig eingestanden hatte, nur eine vorrübergehende Abweichung vom Pfad der Tugend sein würde.

Weit gefehlt. In Wahrheit waren die Entscheidungen erst der Startschuss für eine ganze Armada von ausufernden geldpolitischen Beschlüssen des EZB-Rates, die der Rettung der überschuldeten Banken und Staaten Südeuropas und Irlands sowie ihrer nationalen und internationalen Gläubiger diente, unter denen das französische Bankensystem bei Weitem die größte Rolle spielte. Nachdem Deutschland gezeigt hatte, dass es bereit war, wegzusehen, gab es kein Halten mehr.

Mit einem Sammelsurium von Einzelentscheidungen wurden die Bonitätsanforderungen für die Pfänder, die die Banken bei ihren Notenbanken einreichen mussten, wenn sie neu geschaffenes Geld leihen wollten, sogar unter das Schrottniveau (BBB-) gesenkt. Damit gelang es den Banken und Staaten der Krisenländer, immer mehr Kredit unterhalb der Marktkonditionen aus den nationalen (elektronischen) Druckerpressen zu ziehen, die nun im Euroraum verstreut sind.

Außerdem tolerierte der Rat der EZB, dass die Krisenländer sich für Hunderte von Milliarden Euro ELA-Notkredite mit frisch geschaffenem Geld gewährten und zudem noch Geld schufen, um in Rahmen des Anfa-Geheimabkommens auf eigene Rechnung allerlei Papiere zusammenzukaufen. Allein die italienische Notenbank erwarb im Rahmen der Anfa-Fazilitäten für über 100 Milliarden Euro Staatspapiere mit Geld aus der eigenen Druckerpresse. Diese Kreditgewährung hätten die anderen Staaten mit einer Mehrheit von zwei Dritteln im EZB-Rat verhindern können, doch leider hatten sie dafür in den entscheidenden Jahren gerade eine Stimme zu wenig.

Länder ließen hemmungslos anschreiben

Die asymmetrische lokale Geldschöpfung in den Krisenländern ermöglichte es den Bürgern, Firmen und Banken dieser Länder, Überweisungen in andere Länder in Auftrag zu geben, ohne dabei nationale Liquiditätsengpässe in Kauf nehmen zu müssen. Man verwendete das neue Geld zur Tilgung privater Schulden im Ausland, zum Erwerb ausländischer Waren und zum Kauf von Vermögensobjekten im Ausland wie zum Beispiel Immobilien in Berlin. Durch die Überweisungen, die durch die sogenannten Target-Salden gemessen werden, wurde die Liquidität zwar wieder eingezogen, doch die Notenbanken der anderen Länder, allen voran die Bundesbank, waren nun gezwungen, die Zahlungen zu kreditieren. Sie mussten selbst Geld schaffen und damit die Konten der Adressaten der Zahlungen füllen. Dabei erhielten sie nicht, wie es sonst bei der Geldschöpfung üblich ist, Forderungen gegen das heimische Bankensystem, sondern Forderungen gegen das EZB-System. Die ausländischen Gläubiger, Exporteure und Immobilienverkäufer freuten sich über diesen Geldsegen nicht weniger als die Staaten und Banken der Krisenländer selbst.

In den Jahren 2012 und 2013 gab es in Deutschland überhaupt kein Geld mehr, das die Bundesbank auf dem Wege der Kreditvergabe an hiesige Banken oder durch Wertpapierkäufe in Umlauf gebracht hatte. Es gab nur noch Überweisungsgeld aus Griechenland & Co., für dessen Ausgabe die Bundesbank eine Target-Forderung gegen das EZB-System erhielt, das selbst wiederum Forderungen an die auftraggebenden Notenbanken der Krisenländer verbuchte. Kurzum, die anderen Länder bedienten sich und ließen hemmungslos anschreiben, weil sie wussten, dass die Bundesbank ihre Forderungen niemals würde fällig stellen können.

Die Target-Salden waren nach den Rettungsaktionen vom Sommer 2012 wieder gefallen, steigen aber seit dem Sommer 2014 erneut kontinuierlich an. Allein die Target-Forderungen der Bundesbank sind inzwischen schon wieder auf 609 Milliarden Euro gestiegen, während die entsprechenden Verbindlichkeiten der südeuropäischen Krisenländer auf 688 Milliarden Euro angewachsen sind.