Der lange zweite Lockdown zeigt auch in der Wirtschaft immer ernstere Folgen: Nach einer neuen Konjunkturumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) sehen sich Zehntausende Unternehmen in Deutschland vor der Insolvenz. Demnach gaben fünf Prozent der befragten Betriebe an, dass sie von der Pleite bedroht sind. Nach DIHK-Angaben wären dies hochgerechnet auf die gesamte Wirtschaft etwa 175.000 Unternehmen.

Die Lage ist aber von Branche zu Branche sehr unterschiedlich. Besonders wirtschaftlich gefährdet sind, wie zu erwarten, jene Bereiche, die direkt von den Schließungen betroffen sind. Demnach sind ein Drittel der kreativen und künstlerischen Betriebe, 30 Prozent der Reisebüros, 27 Prozent der Taxibetriebe und 20 Prozent der Unternehmen aus der Gastronomie von der Insolvenz bedroht. Überdurchschnittlich schlechte Werte gibt es auch bei Messe- und Kongressveranstaltern.

Zudem verschlechtere sich die Finanzlage von bisher noch wirtschaftlich gesunden Unternehmen, stellt die Umfrage fest, für die mehr als 18.000 Unternehmen aus allen Branchen befragt worden waren. Mehr als ein Viertel der Unternehmen berichten von einem Rückgang ihres Eigenkapitals, jeder fünfte Betrieb habe mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen, so die Studie. Im Vergleich zum Herbst 2020 habe sich die Finanzlage der Firmen damit nicht verbessert.

Finanzierungssorgen fielen gerade bei Industriebetrieben stark ins Gewicht, weil diese ihre kapitalintensiven Maschinen und Produkte oft vorfinanzieren müssten. Derzeit berichteten 23 Prozent der Industrieunternehmen von schmelzendem Eigenkapital. Das ist nicht unproblematisch, denn bisher kam Deutschland wirtschaftlich so gut durch die Krise, weil es der Industrie recht gut ging, die den größten Anteil an Bruttowertschöpfung erwirtschaftet.

Die Wirtschaftshilfen scheinen Experten zufolge zudem nicht die erhoffte Wirkung zu zeigen. Sie können in vielen Fällen nicht die fehlenden Umsätze ausgleichen. Teilweise wird kritisiert, dass Firmen künstlich am Leben gehalten würden, sogenannte Zombie-Firmen entstehen.

Auch Geschäftsklima verschlechtert sich deutlich

Auch der neueste Ifo-Geschäftsklimaindex belegt, dass sich die Stimmung in den deutschen Unternehmen insgesamt verschlechtert hat. "Die zweite Corona-Welle hat die Erholung der deutschen Wirtschaft vorläufig beendet", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest zur Umfrage seines Instituts unter 9.000 Managerinnen und Managern. Der Ifo-Geschäftsklimaindex fiel im Januar zum Vormonat überraschend stark um 2,1 auf 90,1 Punkte. Die Unternehmensführenden beurteilten Ausblick und Lage ungünstiger als zuletzt. "Die Unsicherheit hat zugenommen in der Wirtschaft – auch weil sich die Impfungen hinziehen dürften", sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. Deutschland erreicht nach Ansicht der Bundesregierung konjunkturell erst Mitte 2022 wieder das Vorkrisenniveau.

Dem Münchener Wirtschaftsforschungsinstitut zufolge sind von der Krise auch Dienstleister im Transport- und Logistikbereich betroffen. Zudem entfaltet die Unsicherheit über mögliche Fortschritte bei der Pandemiebekämpfung doppelt nachteilige Effekte: Die Unternehmen sind verunsichert und halten sich mit Investitionen zurück, das wiederum führt zu einem starken Abflauen der wirtschaftlichen Entwicklung und verstärkt den Pessimismus. 

Im verarbeitenden Gewerbe sank das Ifo-Barometer nach zuletzt acht Anstiegen in Folge. Die Industrie bleibe aber "sehr gut aufgestellt", stellt das Institut klar. Auch weil die Exporterwartungen zuletzt gestiegen sind. Besonders Elektroindustrie und Maschinenbauer stünden gut da. Jedoch trübe sich auch im Bauhauptgewerbe die Stimmung im Januar ein. So setzten die Betriebe zwar im November mehr um, sammelten aber spürbar weniger Aufträge ein. "Wir sehen eine ähnliche Entwicklung wie bereits im Frühjahr des letzten Jahres während des ersten Lockdowns", sagte Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB). Die Bestellungen hätten vor allem im Wirtschaftsbau nominal mit gut 14 Prozent massiv verloren, während der Wohnungsbau weiter boome.

Die deutsche Wirtschaft war 2020 mit fünf Prozent so stark eingebrochen wie seit der Finanzkrise 2008/2009 nicht mehr und schrumpfte zugleich erstmals seit elf Jahren. Die Bundesregierung hat bisher für 2021 offiziell mit einem Wachstum von 4,4 Prozent gerechnet, dürfte ihre Prognose aber im neuen Jahreswirtschaftsbericht, der am Mittwoch ansteht, auf drei Prozent senken.

Der Ökonom Fuest warnt daher vor einem radikalen Lockdown einschließlich geschlossener Industriebetriebe.