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Stellenabbau VW, Tesla, ZF: Sichere Jobs in der Autoindustrie, das ist vorbei

Ein Modell der neuen Generation des ID.3 wird im Werk von Volkswagen in Zwickau montiert
E-Auto-Produktion bei VW in Zwickau: Elektrofahrzeuge sind weniger komplex als Verbrennerautos
© Hendrik Schmidt/dpa / Picture Alliance
Abfindungen bei Volkswagen, Stellenabbau bei Autozulieferern und Kündigungen bei Tesla sind erst der Anfang. Die Folgen des Umbaus in der Autoindustrie für die Beschäftigten werden in Zukunft noch gravierender sein

Aus Sicht manch eines Arbeitnehmers mag die Offerte traumhaft klingen: Mit 57 in Altersteilzeit, bald nie mehr arbeiten, aber 95 Prozent des Gehalts weiter beziehen und den Dienstwagen behalten. Oder für jene, die das Alter noch nicht erreicht haben: wahrscheinlich deutlich mehr als ein Jahresgehalt Abfindung und noch einmal 50.000 Euro Bonus obendrauf, ein goldener Handschlag für (fast) jedermann. 

Der Autokonzern Volkswagen will besonders gutverdienende Angestellte aus dem mittleren Management und Ingenieure aus der Entwicklung derzeit mit solch üppigen Ausstiegsangeboten loswerden. Und dass die Angebote so großzügig sind, erzählt zweierlei: Wie gut es den Autofirmen in Deutschland lange gegangen ist (und teilweise immer noch geht). Und wie gut es ihnen sehr, sehr lange Zeit nicht mehr gehen wird.

Über Jahrzehnte war eine Beschäftigung in der Autoindustrie die allererste Wahl in Deutschlands Ingenieur- und Wirtschaftshochschulen: Aufstiegsmöglichkeiten, stabile Perspektiven, großzügige Bezahlungen und gute Arbeitsbedingungen. Dazu noch an Produkten und Marken mitarbeiten, die jeder kennt, die sich weltweit verkaufen und die für Deutschlands vornehmste Fähigkeiten stehen. Wachstum, Verantwortung, Reisen, flotte Dienstwagen und – jedenfalls für viele bei VW – eine 35-Stunden-Woche. Diese Kombination war schwer zu schlagen. 

Heute sind diese Zeiten vorbei, nicht nur bei dem Konzern aus Wolfsburg. Unter den Autoherstellern baut neben VW auch Mercedes in großem Stil Stellen ab (auch hier speziell im Management und in Entwicklungsabteilungen). Die großen Autozulieferer Bosch, Continental, ZF, Schaeffler haben angekündigt, jeweils Tausende Jobs einsparen zu wollen. Bei vielen kleineren Firmen der Branche sind die Dimensionen im Verhältnis ähnlich. Und jetzt erwischt es sogar die Beschäftigten, die am vermeintlichen Hoffnungsort der hiesigen Autoindustrie arbeiten: Auch am Tesla-Standort in Grünheide sollen Stellen abgebaut werden. 

Die deutschen Autobauer haben die Entwicklung verschlafen

Der Umstieg ins Zeitalter des Elektroantriebs verläuft weltweit holprig. Der deutschen Autoindustrie gelingt er besonders schlecht. Dabei wäre wohl schon ein glimpflich laufender Umbau, bei dem die hiesigen Hersteller ihren Weltmarktanteil halten könnten, ein Jobkiller. Seit Jahren gibt es Prognosen, nach denen besonders bei den hiesigen Zulieferern, aber auch bei für die Autoindustrie arbeitenden Maschinenbauern im Zuge der Elektrifizierung viele Arbeitsplätze gefährdet sind. Das liegt daran, dass E-Autos weniger komplex sind als Verbrenner. 

Zudem kommen wichtige Bauteile und die Maschinen dafür aus Asien, weil die Technologie dort entwickelt wird. Das gilt insbesondere für die Batterien, die den größten Anteil an der Wertschöpfung der künftigen Autos haben. Deutsche Hersteller, Zulieferer und der hiesige Maschinenbau haben hier leider die Entwicklungen zu lange verschlafen. Sie bemühen sich derzeit aufzuholen, doch das kostet sie viel Zeit und Geld – trotzdem ist der Erfolg ungewiss.

Die deutsche Autoindustrie erlebt also derzeit eine multiple Krise: Die Konkurrenz, etwa aus China, die ihr davoneilt, die stark unterschiedliche Entwicklung auf den Weltmärkten, die Investoren die deutschen Autobauern und -zulieferern in Scharen den Rücken kehren, die staatliche Regulierung und Förderpolitik, die mehr als verwirrend ist und allen voran der Markt, der nicht so auf das Angebot anspringt, wie vorgesehen. Gemessen an dem Ausmaß des Schlamassels halten sich viele Betriebe sogar noch erstaunlich stabil. 

Aber man muss festhalten, dass nicht gesagt ist, dass alle diese Krise überleben. Dass der deutsche Autobau weltweit an Statur einbüßt, ist sogar keine unwahrscheinliche Perspektive. Und selbst wenn alle Bemühungen gelingen, mit denen sich die Chefetagen in diesen Monaten den Kalamitäten entgegenstellen – selbst dann werden wahrscheinlich am Ende weniger Menschen gebraucht als vorher.

Dazu kommt, dass jetzt schon andere Fertigkeiten gebraucht werden – und von denen sogar mehr. Nur gibt es sie auf dem deutschen Arbeitsmarkt viel zu wenig: Weniger Maschinenbauer, mehr Softwareingenieure, Datenspezialisten, KI-Experten, Profis für ressourceneffiziente Produktion. Weniger klassische Vertriebsleute, mehr Markenspezialisten und global denkende, phantasiereiche Denker. Dazu Batteriespezialisten, Chemiker, Reinraumbauer, Laboranten – sie alle sind in Autofirmen bisher kaum vorhanden. 

Die Unternehmen, wenn sie überleben wollen, haben kaum eine Alternative dazu, sich bei der Beschäftigung umzuorientieren und das heißt auch, sich von Mitarbeitenden zu trennen. Solange sie das einigermaßen anständig tun, sollten Politik und Öffentlichkeit sie dabei eher unterstützen als auszubremsen (wie es die brandenburgische Linkspartei mit ihrem besonders absurden Vorschlag versuchte, Tesla Grünheide einfach zu teilverstaatlichen).

Am Beschäftigungsumbau führt kein Weg vorbei

Bislang wurden die dem Technikumbau zugrundeliegende Beschäftigungskrise und der Beschäftigungswandel durch das viele Geld und die enormen Jobgarantien verdeckt, die es aus der Vergangenheit noch in der Autoindustrie gibt. Doch das zeigen die aktuellen Stellenabbauprogramme eben auch, selbst wenn sie den Jobverlust so großzügig abfedern wie bei Volkswagen: 

Langsam kommt jetzt die Wirklichkeit der Autoindustrie im Alltag der Unternehmen und im Leben ihrer Mitarbeitenden an. Wirtschafts- und arbeitsmarktpolitisch müsste es darauf adäquate Reaktionen geben: Bildungsangebote, Umschulungsprogramme, allgemein ein politischer Fokus, der sich von der klassischen Konzentration auf die Jobmaschine Auto und auf deutsche Ingenieursherrlichkeit wegbewegt. 

Es ist immer traurig, wenn Firmen Geld und Kreativität dafür aufwenden müssen, sich von Leuten zu trennen, anstatt dazu, ihre Leute zu Höherem, Besserem und mehr zu motivieren. Aber der nötige Umbau in der Autoindustrie ist eben auch ein Beschäftigungsumbau. Was im Augenblick zu beobachten ist, ist erst der Anfang davon.

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