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Unternehmen gegen rechts Partei beunruhigt Firmen: Das kostet Unternehmen eine Anti-AfD-Haltung

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Demonstrationen für Demokratie ziehen regelmäßig Tausende auf die Straße. Auch immer mehr Unternehmen sprechen sich gegen rechtsextreme Positionen und die AfD aus
© IPON / IMAGO
Reinhold Würths Brief gegen die AfD soll der Firma Kunden und Aufträge gekostet haben, sagt der Firmenpatriarch. Auch andere Unternehmerinnen und Unternehmer haben gegen die Partei Position bezogen. Wie erging es ihnen?

In der Wählergunst hat die AfD in den vergangenen Monaten ordentlich zugelegt. Weniger beliebt ist die Partei in den Chefetagen deutscher Unternehmen: Für die Mehrheit der Betriebe ist das Erstarken der AfD ein Grund zur Sorge, wie eine Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) unter mehr als 900 Unternehmen zeigt. 77 Prozent der Unternehmen sehen der IW-Studie zufolge ein Risiko für den Bestand der Europäischen Union und den Euro. 63 Prozent sorgen sich um den Zusammenhalt der eigenen Belegschaft. Zuerst hatte das Nachrichtenportal „ZDFheute“ darüber berichtete.

Dem Erstarken der AfD begegnen zahlreiche Unternehmen mittlerweile mit Haltung: 54 Prozent geben an, sich innerhalb des Betriebs gegen die Partei positioniert zu haben, 47 Prozent öffentlich. Im März brach zum Beispiel Unternehmerurgestein Reinhold Würth mit einem Grundsatz seines Schraubenimperiums: Statt vom politischen Geschehen Distanz zu halten, bezog er klar Stellung. In einem Brief warnte der Firmenpatriarch seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor der AfD.

Der Brandbrief gegen die Partei ist der Firma Würth teuer zu stehen gekommen. Davon erzählt Reinhold Würth in einem Interview mit dem „Handelsblatt“. Einige Kunden hätten angekündigt, nicht mehr bei Würth kaufen zu wollen. Umsatzeinbußen in Höhe von 1,5 Mio. Euro habe das Unternehmen hinnehmen müssen. Ein Verlust, den Reinhold Würth aber gerne in Kauf nimmt. Wahrscheinlich habe man „deutlich mehr Aufträge aus Sympathie dazubekommen als verloren“, resümiert er im Interview.

Mit seinen deutlichen Worten steht Würth längst nicht mehr allein. Doch wie viel kostet es anderen Unternehmerinnen und Unternehmern, Haltung zu zeigen? Capital hat bei einigen Firmen nachgefragt.

„Mehr Lob als Tadel“

Bei Uhren setzt Nomos aus der sächsischen Kleinstadt Glashütte seit Jahren Maßstäbe – und seit langem auch beim Einsatz für Demokratie. Die Manufaktur mit heute rund 200 Mitarbeitern habe schon im Jahr 2015 erstmals Stellung gegen Rassismus bezogen, sagt Geschäftsführerin Judith Borowski im Gespräch mit Capital. Das Unternehmen spricht sich seither regelmäßig auch gegen die AfD aus, veranstaltet Workshops, in denen es um den Umgang mit Verschwörungserzählungen oder Hate Speech geht. „Und jedes Mal, wenn die Presse über uns berichtet, erhalten wir Zuschriften, an denen sich vielleicht auch etwas ablesen lässt, ob unsere Kundinnen und Kunden diese Haltung teilen oder nicht“, sagt Borowski. „Es gibt Kritik, klar. Doch unterm Strich erhalten wir deutlich mehr Lob als Tadel.“

Je nachdem, wo ein Beitrag erscheint, würden sich aber Unterschiede bemerkbar machen: Bei Artikeln in der überregionalen Presse sei die Post stets voller Zustimmung. Berichten regionale Medien in Sachsen, sei das Stimmungsbild eher ein anderes – Nomos liegt im Wahlkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, wo die AfD bei der letzten Bundestagswahl 33 Prozent der Wählerstimmen holen konnte. Wirtschaftlicher Schaden sei durch das Engagement nicht feststellbar; „die meisten unserer Kunden in aller Welt schätzten hier eine klare Position“. Vor einer Weile sei aber ein Bewerber abgesprungen, als er von der Haltung der Firma erfahren habe. „Unterm Strich ist auch dies gut für uns“, sagt Borowski. „Denn wir wollen bei Nomos ein Klima der Weltoffenheit und Toleranz.“

Bereitschaft zum Dialog

Im Westen der Republik, im nordrhein-westfälischen Siegen, sitzt die Verzinkerei The Coatinc Company. Ihr Chef Paul Niederstein hat schon mehrfach im Karrierenetzwerk Linkedin und in verschiedenen Medien wie dem „Handelsblatt“ gegen die AfD Stellung bezogen und zum Dialog aufgerufen. Grundsätzlich positiv seien die Reaktionen darauf gewesen, sagt Niederstein Capital. „Ich mache mir keine Sorgen, damit Kunden zu verlieren oder Mitarbeiter zu verprellen, auch wenn das momentan möglicherweise der Fall ist.“ 

Es sei Teil seiner unternehmerischen Verantwortung, auf die Gefahren für Gesellschaft und Wirtschaft hinzuweisen, die radikale Parteien mit sich bringen, so Niederstein. Er engagiere sich vor dem Hintergrund der jahrhundertelangen Firmengeschichte des Oberflächenveredlers und der Erfahrungen seiner Vorgänger – Niederstein leitet Deutschlands ältestes Unternehmen in 17. Generation. Im Rückblick auf das historische Geschehen sei jetzt eine klare Haltung gegen radikale Parteien eigentlich ein Schutz für Belegschaft und Kundenkreis, so Niederstein. „Wenn solche Kräfte an Macht gewinnen, ist der Schaden um ein Vielfaches größer als das Risiko, jetzt ein paar Kunden zu verlieren oder ein paar Mitarbeiter zu verärgern, die meine Position vielleicht nicht nachvollziehen können.“ 

„Keine negativen Auswirkungen“

Ebenfalls aus Nordrhein-Westfahlen stammt der Büroausstatter Soennecken. Vorstandsvorsitzender Benedikt Erdmann appellierte im Januar in einem Gastkommentar im „Handelsblatt“ an die Wirtschaft, „mit klarer Haltung den menschen- und damit auch investitionsfeindlichen Parolen der AfD entgegenzutreten“. Geschadet hat das dem Unternehmen aus Overath nicht. Die Firma Soennecken setze sich für ein offenes und demokratisches Deutschland ein, teilte Erdmann auf Anfrage von Capital mit. „Wir verzeichnen keinerlei negative Auswirkungen auf unser Engagement.“ Im Gegenteil, es habe „viel Zuspruch und Anerkennung“ gegeben und gebe es immer noch. Erdmann berichtet, dass bei einigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sogar der Wunsch entstanden sei, sich dahingehend im privaten, aber auch im beruflichen Kontext stärker einzusetzen. „Dabei unterstützen wir sie“, sagt Erdmann. „Ich finde es wichtig, auch als Unternehmen Stellung zu beziehen und Mitarbeitende in ihrem Mitwirken zu bestärken.“

Ähnlich sieht es Alicia Lindner. Die Co-Geschäftsführerin der Naturkosmetikherstellers Börlind in Baden-Württemberg forderte zum Beispiel bei Linkedin Unternehmerinnen und Unternehmer auf, Position gegen die AfD zu beziehen: Man müsse sich „für unsere Demokratie und für Vielfalt stark machen“ und in den Diskurs gehen. Gegenüber Capital bestätigte Lindner, dass ihr Beitrag in dem Karrierenetzwerk „keinerlei negative Rückmeldungen oder wirtschaftliche Auswirkung“ gehabt habe.

Das berichtet auch die Presseabteilung von Siemens Energy. Dessen Aufsichtsratsvorsitzender Joe Kaeser appellierte im Januar im Interview mit der Nachrichtenagentur „Reuters“ an die deutsche Wirtschaft, offen auf die Folgen von AfD-Wahlerfolgen hinzuweisen. Das Medienecho habe „keine negativen Auswirkungen“ für den Energietechnikherstellers gehabt.

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