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Flugzeugbauer Bauchlandung in einer Reihe von Defekten: Die Krisenserie bei Boeing

Flugzeug landet ohne Räder auf dem Rumpf
Am Flughafen Istanbul musste eine Boeing 767 am Mittwoch eine Bauchlandung hinlegen
© ntv
Seit Monaten sorgen die Pannen bei Boeing für Schlagzeilen. Nun sind innerhalb eines Monats zwei Whistleblower gestorben, die auf Probleme beim Flugzeugbauer hingewiesen hatten

Wer dieser Tage in ein Flugzeug steigt, achtet vielleicht zum ersten Mal darauf, wer dessen Hersteller ist. Die Angst fliegt mit, wenn man in einer Maschine des Weltmarktführers Boeing sitzt. Der Konzern steckt seit den Abstürzen zweier 737-Max-Jets mit 346 Toten vor mehr als fünf Jahren in einer Dauerkrise.

Nachdem es im Januar fast zu einer ähnlichen Katastrophe kam, steht vor allem die Qualitätsaufsicht von Boeing wieder verstärkt im Mittelpunkt. Bei einer Boeing 737-9 Max brach kurz nach dem Start ein Teil des Rumpfes heraus. Die Sitzreihe darüber war nur zufällig nicht besetzt und das Flugzeug befand sich in relativ geringer Höhe. Der Vorfall endete glimpflich – ist aber nur ein Beispiel für die massiven Probleme des Unternehmens.

Boeing 767 macht Bauchlandung in Istanbul

Der jüngste Vorfall: Ein Flieger des Logistik-Konzerns FedEx musste am Mittwoch am Istanbuler Flughafen auf dem Rumpf landen. Ursache war nach Angaben des Flughafens ein Defekt am vorderen Fahrwerk der Maschine. Bei dem betroffenen Flugzeug handelt es sich um eine Boeing 767. Verletzt wurde glücklicherweise niemand.

Auf Videos des Vorfalls ist zu sehen, wie die Boeing mit dem Hauptfahrwerk aufsetzt und dann über Meter auf dem vorderen Teil des Rumpfes über die Landebahn schlittert. Der Flughafen teilte mit, das vordere Fahrwerk habe nicht ausgefahren werden können. Der Fehler wurde offenbar bereits vor der Landung festgestellt, der Flieger habe beim Kontrollturm die Landung mit dem Rumpf beantragt, hieß es.

Rettungsdienst und Feuerwehr seien daraufhin zur Landebahn entsandt worden. Einsatzkräfte waren am Morgen weiterhin damit beschäftigt, das Flugzeug von der Landebahn zu schaffen. Es habe einen Hydraulikfehler am Fahrwerk gegeben, zitiert die türkische Hörfunk- und Fernsehanstalt TRT das Verkehrsministerium, das sich auf die Aussage eines Piloten bezog.

Gefälschte Prüfberichte bei 737 Jets

Der Vorfall steht in einer Reihe weiterer Pannen bei Boeing-Maschinen. Auf die Abstürze der zwei 737-Max-Jets vor mehr als fünf Jahren folgte ein mehr als 20-monatiges Startverbot für die Maschinen der Reihe. Probleme mit weiteren Modellen warfen den US-amerikanischen Hersteller ab März 2019 weit hinter seinen europäischen Rivalen Airbus zurück.

Als auf dem Flug Anfang Januar 2024 das Rumpfteil aus der 737-9 Max herausbrach, griff die US-Luftfahrtbehörde FAA schließlich durch. Zunächst durften Maschinen bis zu einer technischen Überprüfung nicht mehr starten. Zudem nimmt die Behörde nun die Produktions- und Kontrollprozesse unter die Lupe.

Probleme mit Boeing 737 Max: Ein Desaster mit Vorgeschichte

Nun ermittelt die FAA erneut: Beim Bau einiger Maschinen des Langstreckenjets 787 „Dreamliner“ von Boeing wurde wohl die Verbindung zwischen Tragflächen und Rumpf nicht überprüft. Boeing-Mitarbeiter hatten Prüfberichte zum „Dreamliner“ gefälscht. Kontrollen der Verbindung zwischen Rumpf und Tragflächen seien zum Teil ausgelassen und trotzdem als durchgeführt eingetragen worden, teilte Boeing mit. Der Konzern betonte zugleich, es handele sich nicht um ein dringliches Sicherheitsproblem für die aktuelle Airline-Flotte und es müssten keine Flugzeuge am Boden bleiben.

Boeing betonte, man habe die FAA umgehend über den Verstoß informiert. Ein Boeing-Mitarbeiter habe einen Verstoß gegen die Prüfungsvorgaben beobachtet und das Management informiert, schrieb 787-Programmchef Scott Stocker in einer E-Mail an die Belegschaft. Danach habe Boeing festgestellt, dass „mehrere Personen“ im Werk im US-Bundesstaat South Carolina die vorgeschriebenen Tests nicht durchgeführt, aber in den Unterlagen als abgeschlossen vermerkt hätten. Die Inspektionen müssten nun außerplanmäßig nachgeholt werden.

Tod zweier Whistleblower

Auf die Probleme bei Boeing machten zuletzt Whistleblower aufmerksam. Zuerst war es der ehemalige Qualitätsmanager John Barnett, der jahrelang in einem 787-Boeing-Werk arbeitete. Bis März 2024 sagte er als Zeuge vor Gericht gegen Boeing aus, am 9. März 2024 wurde er mit einer Schusswunde im rechten Schläfenbereich tot aufgefunden. Ermittler gehen Medienberichten zufolge von einem Suizid aus.

Ihm folgte Joshua Dean, der Produktionsfehler beim Boeing-Zulieferer Spirit Aerosystems gemeldet hat. Nun ist auch er gestorben. Laut einem Bericht der Seattle Times hatte er zwei Wochen lang gegen eine plötzliche und aggressive Infektion gekämpft, bevor er starb.

In seiner Rolle als Qualitätsprüfer meldete Dean ein „schwerwiegendes und grobes Fehlverhalten des leitenden Qualitätsmanagers der 737-Produktionslinie“ bei Spirit an die Federal Aviation Administration (FAA). Nach seiner Entlassung im April 2023 legte er Beschwerde ein und behauptete, seine Kündigung sei auf seine geäußerten Bedenken in Bezug auf die Flugsicherheit zurückzuführen.

Dieser Artikel ist eine Übernahme des Stern, der wie Capital zu RTL Deutschland gehört. Auf Capital.de wird er zehn Tage hier aufrufbar sein. Danach finden Sie ihn auf www.stern.de.

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