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Bernd Ziesemer Die große Ratlosigkeit bei Siemens Energy

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Und wieder soll ein neuer Mann bei Siemens Energy die Wende bei der angeschlagenen Windkrafttochter Gamesa einleiten. Mit den alten Rezepten

Den Wortschmieden von Siemens Energy fallen keine neuen Vokabeln mehr ein. Der vierte Chef innerhalb von vier Jahren zieht bei der angeschlagenen Windkraftsparte Gamesa in die Vorstandsetage ein. Und auch dieser Wechsel erfolgt selbstredend wie alle vorherigen „im besten Einvernehmen“, wenn man dem Mutterkonzern glauben will. Und die neue Personalentscheidung soll wie alle alten Hauruckaktionen vorher beweisen, dass Siemens-Energy-CEO Christian Buch nun „noch härter durchgreifen“ will.  Und auch der neue Mann tritt mit dem Versprechen an, „noch mehr“ zu sparen als alle seine Vorgänger.

So ein Kettenkarussell wie bei Gamesa gab es in der deutschen Großindustrie noch nie. Und es waren ja durchaus keine Leichtmatrosen, die in all diesen Jahren die Windkraftsparte retten sollten. Markus Tacke (Chef bis zum Juni 2020) diente sich seit 1998 bei Siemens in einschlägigen Gewerken hoch. Andreas Nauen (Chef bis Februar 2022) gelangte mit den Lorbeeren des erfolgreichen Managers der Offshore-Windkraftsparte in das höchste Gamesa-Amt. Und Jochen Eickholt (Chef bis zur letzten Woche) erklomm den riskantesten Schleudersitz der deutschen Industrie mit dem Ruf des beinharten und erfolgreichen Sanierers. Die drei brachten zusammen weit über 60 Jahre Siemens-Erfahrung mit in den Job – und scheiterten doch.

Und nun also Vinod Philip. Ein Mann mit 24 Karrierejahren bei Siemens, der noch nie andere Konzerne von innen gesehen hat. Ein Mann mit einem ähnlichen Lebenslauf wie alle seine drei Vorgänger, teilweise mit exakt den gleichen Stationen. Sicherlich ein guter Manager wie alle anderen Leute an der Gamesa-Spitze zuvor. Nach all den Sanierungsjahren stellt man Vinod Philip nun das Ziel, „bis 2026 den Breakeven“ zu erreichen. Das mutet bescheiden an und wäre auch bescheiden in einem normalen Unternehmen. Und doch muss man sich fragen: Was kann der neue Mann, was die alten Männer nicht konnten? Wieso sucht man nicht einen Manager von außen oder – horribile dictu – eine Managerin? Weil den Job vielleicht kein Hochkaräter mehr übernehmen will?

Joe Kaeser fällt nichts ein

Diese naheliegenden Fragen kann nur derjenige beantworten, der für das Chaos und die falsche Strategie der letzten Jahre letztendlich verantwortlich ist: der frühere Vorstandschef des Mutterkonzerns Siemens AG und jetzige Aufsichtsratschef von Siemens Energy, Joe Kaeser. Außer immer neuen Personalwechseln und der überaus teuren Komplettübernahme von Gamesa für viele Milliarden Euro ist dem überaus selbstgewissen Aufseher bis jetzt noch nichts Weltbewegendes eingefallen. Und seinem Adlatus Christian Bruch auch nicht. Die Bestallung von Vinod Philip verbindet man jetzt mit der Aussage, der neue CEO solle Gamesa jetzt voll in den Konzern integrieren und das marode On-Shore-Windanlagen-Geschäft auf „stabile Märkte“ wie Europa fokussieren. Aber galt das nicht eigentlich schon als Marschorder für seinen Vorgänger?

Irgendwie muss man bei der Causa Gamesa/Siemens Energy allmählich an das schöne Bonmot Albert Einsteins denken: Die Definition von Wahnsinn sei es, „immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten“. 

Bernd Ziesemer ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint regelmäßig auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen.

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