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Erster Streik seit 17 Jahren Wie viel verdient man eigentlich auf dem Bau?

Beschäftigte des Bau-Gewerbes streiken an einer Rohrleitungsbaustelle in der Region Hannover. Zum ersten Mal seit 17 Jahren streiken Bauarbeiter.
Beschäftigte des Bau-Gewerbes streiken an einer Rohrleitungsbaustelle in der Region Hannover. Zum ersten Mal seit 17 Jahren streiken Bauarbeiter.
© Julian Stratenschulte/dpa
Schon wieder wird in Deutschland gestreikt. Dieses Mal legen Bauarbeiter ihre Arbeit nieder und fordern 500 Euro mehr Lohn im Monat. Das wäre ein kräftiger Sprung, denn die aktuellen Löhne liegen deutlich unter dem Schnitt aller Branchen.

Häuslebauer müssen sich ab sofort auf zusätzliche Verzögerungen einstellen, genauso Autofahrer auf der Autobahn. Zum ersten Mal seit 17 Jahren wird seit Montagmorgen auf Baustellen gestreikt, der vergangene bundesweite Streik in der Branche liegt gar 22 Jahre zurück. "Jetzt haben es die Arbeitgeber in der Hand, ob die Häuser und Wohnungen fristgerecht fertig werden, ob der Stau aufgrund von Autobahnbaustellen noch länger wird", sagt der Chef der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), Robert Feiger.

Nach dem Auftakt in Niedersachsen soll der Streik ab Dienstag auf das gesamte Bundesgebiet ausgeweitet werden. Der Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Uwe Nostitz, kritisiert: "Gerade jetzt, in konjunkturell schwierigen Zeiten, insbesondere im Wohnungsbau, kommen Streikmaßnahmen zur Unzeit." Die IG Bau will damit deutlich mehr Lohn für die Arbeit draußen "bei Wind und Wetter" durchsetzen, wie der Abteilungsleiter Bauwirtschaft, Christian Beck, gegenüber ntv.de betont. "Ohne die Bauleute fehlen jetzt und in Zukunft die notwendigen Fundamente für die Energiewende, und es gibt keine intakten Straßen, Schienen und Brücken."

Nachdem die Arbeitgeber den Schlichterspruch in dem Tarifstreit abgelehnt hatten, fordert die Gewerkschaft nun wieder wie zu Beginn der Verhandlungen 500 Euro für jede und jeden der rund 930.000 Beschäftigten im Bauhauptgewerbe. Aktuell starten die Tariflöhne auf den Baustellen mit 12,85 Euro pro Stunde knapp über dem allgemeinen Mindestlohn. So viel sieht der Tarifvertrag für sogenannte Werkerinnen und Werker vor, die einfache Bau- und Montagearbeiten nach Anweisung ausführen, etwa Beton mischen oder manuell graben. Im Durchschnitt kommen sie damit nach Angaben der IG Bau auf rund 2220 Euro brutto in Vollzeit. Eine Ausbildung ist hierfür nicht nötig.

Mit Ausbildung zwischen 3400 und 4450 Euro

Fachwerker, Maschinisten und Kraftfahrer verdienen laut Tarifvertrag nach drei Monaten im Schnitt gut 3100 Euro in Westdeutschland und knapp 2650 Euro im Osten. Mit einer zweijährigen Ausbildung kommen Facharbeiter auf gut 3540 Euro im Westen und bis zu rund 3440 Euro in Ostdeutschland. Zu den Tätigkeiten zählen zum Beispiel Asphaltieren, Betonstahlbiegen, Verputzen oder das Verlegen von Rohren.

Nach einer dreijährigen Ausbildung zum Spezialbaufacharbeiter werden fast 3900 Euro im Westen und knapp 3750 Euro im Osten gezahlt. Vorarbeiter, die entweder eine kleine Beschäftigtengruppe führen oder besonders schwierige Arbeiten selbständig ausführen, kommen auf fast 4070 Euro (West) beziehungsweise gut 3940 Euro (Ost). Am meisten können Werkpoliererinnen und -polierer verdienen, die Arbeitnehmergruppen führen und dafür rund 4450 Euro (West) beziehungsweise gut 4300 Euro erhalten.

Zusätzliche Zuschüsse gibt es für die teils weiten Anfahrten zu Baustellen, Bauleute fahren nach Gewerkschaftsangaben im Schnitt täglich 65 Kilometer zur Arbeit. Als Entschädigung erhalten sie sieben bis neun Euro Verpflegungszuschuss pro Tag. Bei Baustellen, die zu weit entfernt liegen, um täglich nach Hause zu fahren, wird darüber hinaus eine Wegezeitentschädigung gezahlt, in der Regel zwischen 18 und 78 Euro pro Woche, gestaffelt nach Entfernung. Ab 75 Kilometern gibt es für Hin- und Rückfahrt je 9 Euro, ab 400 Kilometern je 39 Euro. Ab 500 Kilometern werden die Beschäftigten zusätzlich alle vier Wochen für einen Tag freigestellt.

Streik für mehr Lohn: "Großteil verdient zwischen 2200 und 3100 Euro"

Wie viele Beschäftigte in der Branche nach Tarif bezahlt werden, ist nach Gewerkschaftsangaben allerdings nicht nachvollziehbar. Der Großteil erhält - abweichend von der tatsächlichen Tätigkeit und Qualifikation - Löhne in Höhe der untersten beiden Lohngruppen, wie Beck gegenüber ntv.de erklärt. Außerdem wird ein Teil, etwa aus dem Straßenbau, im Winter saisonbedingt in Kurzarbeit geschickt oder sogar arbeitslos. Fürs Betonieren beispielsweise ist es dann zu kalt.

Das Jobportal Stepstone hat für Bauarbeiter ein Median-Gehalt von 37.700 Euro pro Jahr berechnet, umgerechnet sind das gut 3140 Euro im Monat. Dabei handelt es sich um das mittlere Gehalt - die Hälfte verdient mehr, die Hälfte weniger. Zum Vergleich: Über alle Branchen hinweg lag das Median-Gehalt im vergangenen Jahr demnach bei knapp 3650 Euro. Das Durchschnittsgehalt von Vollzeitbeschäftigten laut Statistischem Bundesamt vor einem Jahr bei gut 4300 Euro brutto.

Dieser Artikel erschien zuerst bei ntv.de

ntv.de, mit DPA

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