Taylor Swift bei ihrem Auftritt am 9. Mai in Paris, wo sie den europäischen Abschnitt ihrer
Taylor Swift bei ihrem Auftritt am 9. Mai in Paris, wo sie den europäischen Abschnitt ihrer "Eras Tour" startete. 20 Prozent der Eintrittskarten für die vier ausverkauften Shows in der Stadt entfielen auf Amerikaner.
AFP/JULIEN DE ROSA

Am 9. Mai war es so weit: Megastar Taylor Swift startete den europäischen Abschnitt ihrer umjubelten "Eras Tour" in Paris. Mit dabei waren ganze Flugzeugladungen voller "Swifties" aus den USA, die ihrem Idol in die Alte Welt folgten. Denn jenseits des großen Teichs sind die Ticketpreise so exorbitant hoch, dass viele Fans den Konzertbesuch gleich mit einem Urlaub in Europa verbinden. Allein in Paris entfielen 20 Prozent der Eintrittskarten für die vier ausverkauften Shows in der Stadt auf Amerikaner. Stockholm, Swifts nächster Stopp, erwartet etwa 10.000 Konzertbesucher aus den USA.

Manche dürften ein Konzert für einen merkwürdigen Grund halten, ins Ausland zu reisen – zumal Fans Swifts Auftritte zu Hause im Fernsehen verfolgen können, in einer Dokumentation, die jetzt auf Disney+ gestreamt wird. Vonseiten der Onlinereisegesellschaft Expedia heißt es allerdings, dass die Reisefreudigkeit der Swift-Anhänger Teil eines breiteren Trends sei. Dieser "Tourtourismus" sei erstmals während Beyoncés "Renaissance Tour" zu beobachten gewesen.

Keine angemessenen Preise

Swift-Fans begründen ihren Entschluss, ihrem Idol über den Atlantik zu folgen, damit, dass die Tickets in Europa billiger seien als in den Staaten. Einige dürften sich gesagt haben: "Augenblick mal, ich kann entweder 1500 Dollar ausgeben, um meine Lieblingskünstlerin in Miami zu sehen, oder ich kann diese 1500 Dollar dafür verwenden, eine Konzerteintrittskarte, ein Hin-und-Rückflugticket zu kaufen und drei Nächte in einem Hotelzimmer zu buchen", sagte etwa Expedia-Sprecherin Melanie Fish zur Nachrichtenagentur AP.

Tatsächlich ging genau das der 43-jährigen Jennifer Warren durch den Kopf, die in St. Catherines in der kanadischen Provinz Ontario nahe der US-Grenze lebt. Sie und ihr elfjähriger Sohn lieben Swift, aber sie konnten keine Konzerteintrittskarten zu einem in ihren Augen angemessenen Preis auftreiben. So entschieden sich Warren und ihr Mann für einen Europa-Urlaub in der Gegend rund um die Stadt, in der sie Tickets für ein Swift-Konzert ergattern konnten. Für die Warrens ist es Hamburg geworden. "Du kommst raus, du siehst die Welt, und du siehst zur selben Zeit deinen Lieblingskünstler oder -darsteller. Also gibt es eine Menge Gewinne", sagt Warren gegenüber ABC News.

Swifties vor der Le Defense Arena: Fans reisen aus der ganzen Welt an und sorgen für gut gebuchte Hotels.
Swifties vor der Le Defense Arena: Fans reisen aus der ganzen Welt an und sorgen für gut gebuchte Hotels.
AP/Lewis Joly

Die drei VIP-Tickets, die sie auftrieb, sind für Plätze nahe der Bühne, was Warren einen absoluten Glücksfall nennt. Sie kosten jeweils 600 Euro. Swift hat mittlerweile sechs Konzerttermine im November in Toronto bekanntgegeben, was sich von Warrens Wohnort aus leicht mit dem Auto erreichen lässt. Aber da lägen die Ticketpreise für äußerst schlechte Plätze auf Resale-Websites wie Viagogo bereits bei umgerechnet 2033 Euro, sagt Warren.

Dass Hardcorefans einem Star oder einer Band auf der Tournee folgen, ist indes kein ganz neues Phänomen. "Groupie" tauchte in den späten 1960ern als ein etwas abfälliger Begriff für Leute auf, die sich an die Fersen von Rockbands hefteten. In der jüngeren Vergangenheit hätten Musikfestivals wie Coachella in Kalifornien und Glastonbury in England sowie Konzertserien in Las Vegas von Stars wie Elton John, Lady Gaga und Adele Reisende in Orte geführt, die sie andernfalls nicht besuchen würden, sagt Expedia-Sprecherin Fish. Reise- und Unterhaltungsanalysten glauben, dass der Trend auch mit einer seit der Corona-Pandemie aufgestauten Nachfrage der Menschen nach Erlebnissen statt nach materiellen Gütern zu tun hat.

"Swift-Effekt" auch in Wien

Auf jeden Fall wird die Swift-Tour auch in Europa die Kassen klingeln lassen. So erwartet Natalia Lechmanova, die für Europa zuständige, leitende Ökonomin des Mastercard-Economics-Institutes, dass Restaurants und Hotels den gleichen Schub erleben werden, den das Institut innerhalb eines Vier-Kilometer-Radius um die Konzertveranstaltungsorte in den USA 2023 ausmachte.

Ohne Merch geht es nicht:In den vergangenen Monaten belebte Swift mit ihren Konzerten messbar die Wirtschaft der Orte, die sie besucht. Das unabhängige Forschungsinstitut Common Sense aus dem US-Bundesstaat Colorado hat berechnet, dass die gesamte
Ohne Merch geht es nicht: In den vergangenen Monaten belebte Swift mit ihren Konzerten messbar die Wirtschaft der Orte, die sie besucht. Das unabhängige Forschungsinstitut Common Sense aus dem US-Bundesstaat Colorado hat berechnet, dass die gesamte "Eras Tour" von Taylor Swift in den USA zu Verbraucherausgaben in Höhe von 4,6 Milliarden Dollar führen könnte. Das wäre mehr als das Bruttoinlandsprodukt von 35 Ländern.
AFP/MIGUEL MEDINA

Und die Stärke des Dollar gegenüber dem Euro könnte auch die Bereitschaft der Besucher zum Kauf von Kleidung, Erinnerungsstücken, Schönheitsprodukten und anderem fördern. Tatsächlich können die örtlichen wirtschaftlichen Auswirkungen von dem, was mittlerweile als "Swifteconomics" bezeichnet wird, beträchtlich sein. Airbnb berichtete am Dienstag, dass Suchanfragen auf der Plattform nach Unterkünften in den britischen Städten Edinburgh, Liverpool, Cardiff und London, in denen Swift im Juni und August auftritt, um durchschnittlich 337 Prozent gestiegen seien, seit die Eintrittskarten im vergangenen Sommer in den Verkauf kamen.

Der "Swift-Effekt" ist auch in Wien deutlich spürbar. Das Vergleichsportal Check24 Österreich hat die Hotelbuchungen an den drei Konzerttagen (8., 9. Und 10. August 2024) mit dem Buchungsvolumen der Woche vor dem Event verglichen. Die Analyse ergibt aktuell ein Plus von 246 Prozent. Dabei sind 36 Prozent der Hotelzimmer schon im Juli und August des Vorjahres gebucht worden. Also rund um den Verkaufsstart der Konzerttickets Mitte Juli.

Gute Gelegenheit

Die Zimmerpreise haben sich im Schnitt um 22 Euro pro Nacht erhöht, heißt es in einer Aussendung. An Konzerttagen kostet ein Hotelzimmer in Wien im Schnitt 170 Euro pro Nacht. In der Woche davor zahlt man im Schnitt 148 Euro. Die Buchungslage zeigt, dass auch für andere Konzerte viele Fans nach Wien kommen. Ende August, wenn die Band Coldplay nach Wien kommt, gibt es ebenfalls signifikant mehr Hotelbuchungen.

Beim nächsten Stopp der "Eras Tour" in Stockholm (17. bis 19. Mai) werden 120.000 Besucher aus 130 Ländern, davon 10.000 aus den USA, erwartet, wie Carl Bergqvist von der Handelskammer der schwedischen Hauptstadt gegenüber NBC News angibt. Stockholm ist Swifts einziger skandinavischer Stopp auf ihrer "Eras Tour". Fluggesellschaften haben sich darauf eingestellt und bieten Extraflüge aus Dänemark, Finnland und Norwegen an, um Fans zu den Shows zu befördern. Die 40.000 Hotelzimmer in der Stadt sind Bergqvist zufolge ausgebucht – und das, obwohl sich die Preise rund um die Tourdaten massiv erhöht haben.

Das kann Caroline Matlock aus dem texanischen Houston nicht davon abhalten, nach Stockholm zu fliegen – obwohl sie Taylor Swift bereits vor mehr als einem Jahr in ihrer Heimatstadt auf der Bühne gesehen hat. Sie sei noch nie in Schweden gewesen und wolle zugleich die Gelegenheit nutzen, auch Oslo und Göteborg zu besuchen, sagt Matlock und freut sich darauf, beim Konzert mit "Swifties" aus anderen Ländern in Kontakt zu kommen, wird sie im Independent zitiert. (Markus Böhm, 14.5.2024)