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Gehaltsstudie Fixgehalt statt Firmenanteile: Manager gehen auf Nummer sicher

Eine Gruppe von Managerinnen und Managern sitzt um einen Tisch herum, während eine Frau im Stehen spricht
Bei ihren Gehältern wollen Vorstände momentan lieber keine Risiken eingehen
© Monkey Business 2/Shotshop / Picture Alliance
Die Vorstandsgehälter steigen laut einer aktuellen Analyse erstmals seit Jahren nicht mehr. Managerinnen und Manager setzen verstärkt auf Sicherheit bei ihren Bezügen. Für eine Expertin ist der Zeitpunkt günstig, um jetzt KI-Manager abzuwerben

Das Wachstum ist offenbar auch bei den Gehältern von vielen Top-Führungskräften vorbei. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse der Berliner Personalberatung I-Potentials. Die Experten für Executive Search haben sich dabei auf C-Level-Manager aus den Bereichen Digitales, Transformation und Innovation konzentriert. Sie werteten nach eigenen Angaben Gehaltsdaten von 1424 Managern aus den Jahren 2011 bis 2023 aus. Managing Partner Martina van Hettinga erklärt, warum das eine Chance für Mittelständler und Familienunternehmen ist. 

CAPITAL: Frau von Hettinga, kommt die Krise jetzt bei Vorstandsgehältern an? 
MARTINA VAN HETTINGA: Ja, zumindest legt das unsere Datenauswertung nahe. Seit 2011 waren die Gehälter im Durchschnitt von Jahr zu Jahr stets gestiegen. 2022/23 gab es zum ersten Mal einen leichten Rückgang. Dieser fällt aber relativ milde aus. 

Dennoch ist das Minus verglichen mit den Zuwächsen der Jahre zuvor signifikant. Geraten Top-Manager unter Druck? 
Es gibt weiterhin einen sehr starken Kandidatenmarkt mit Top-Playern. Die setzen allerdings nicht mehr so stark auf eine variable Anteilsvergütung wie noch vor ein paar Jahren. 

Laut Ihrer Analyse hat sich der Anteil von Unternehmensbeteiligungen an der Vergütung auf sechs Prozent halbiert. Ist das der Hauptgrund für die gesunkenen Gehälter? 
Ja, denn die Fixgehälter sind weiter gestiegen. Ihr Anteil erhöhte sich von 73 Prozent im Zeitraum 2020/21 auf 78 Prozent von 2022 bis 2023. Bonuszahlungen blieben mit 15 Prozent in etwa gleich. 

Vorstände setzen beim eigenen Gehalt also mehr auf Sicherheit? 
Ob das wirklich ein Trend wird, kann man erst so richtig nach drei Jahren sagen. Aber ja: In unsicheren Zeiten steigt die Präferenz für finanzielle Sicherheit. Beim starken Wachstum der Jahre zuvor wurde bei der Zusammensetzung der Vergütung hingegen stärker auf Risiko gesetzt. Dennoch bleiben Unternehmensbeteiligungen relevant. Sie finden sich in durchschnittlich 72 Prozent aller Executive-Verträge in der New Economy.

Ihre Studie konzentriert sich ja auf Entscheider der C-Ebene aus den Bereichen Digitales, Transformation und Innovation. Gehören die im Vorstand zu den Top-Verdienern?
Ja, absolut. 

Genau diese Manager brauchen viele Unternehmen gerade auch mit Blick auf Künstliche Intelligenz. Ist jetzt also ein guter Zeitpunkt für mittelständische Unternehmen, die nicht mit so großen Anteilspaketen locken können wie Start-ups?
Auf jeden Fall. Gerade für familiengeführte oder „reife“ Unternehmen eröffnen sich gerade Chancen, für die Transformation Top-Führungskräfte auch aus der Digitalwirtschaft anzuwerben, die früher nicht so leicht die Branche verlassen hätten oder vorwiegend für innovativere Organisationen in Bereichen wie zum Beispiel Pharma oder Biotech verfügbar waren. Auch traditionelle Unternehmen müssen natürlich bereit sein, die üblichen Vorstandsgehälter zu bezahlen. Aber vielen Kandidaten geht es mittlerweile neben diesem Hygienefaktor um andere Themen.

Nämlich? 
Zum Beispiel: Wo sitzt das Unternehmen? Diese Menschen haben sich ein Leben aufgebaut und wollen nicht unbedingt weit wegziehen, hybrides Arbeiten ist nicht mehr wegzudenken. Auch flexible Arbeitszeitmodelle spielen im Vorstand mittlerweile eine Rolle. 

„Arbeitgeber müssen mehr drauflegen, damit Leute umziehen oder pendeln“

Aber nicht die Viertagewoche? 
Nein, aber durchaus die Frage, von wo aus man arbeitet. Ein Tag Homeoffice pro Woche ist quasi schon gesetzt. Wer zwei Tage in Aussicht stellen kann, hat schon einen deutlichen Vorteil. Ein anderes Beispiel: Die meisten CTOs ziehen Konstrukte vor, bei denen ihr Bereich nicht an den CFO gekoppelt ist und so als Kostencenter behandelt wird. Viele Top-Executives sagen: Die Rahmenbedingungen und die strategische Zielsetzung und Vision sind mir am Ende wichtiger, als dass ich 10.000 oder 20.000 Euro mehr verdiene. 

Apropos: In welchen Städten verdienen die von Ihnen untersuchten Top-Manager am meisten?
Nordrhein-Westfalen liegt mit 310.000 Euro an der Spitze, gefolgt von Bayern mit 290.000 Euro und Berlin mit 285.000 Euro. 

Schlägt sich da auch der NRW-Pendleraufschlag zwischen den großen Ballungsräumen nieder?
Ja, Arbeitgeber müssen mehr drauflegen, damit Leute umziehen oder pendeln. Aber wie gesagt: Für viele ist das nicht mehr der entscheidende Faktor. Je flexibler und authentischer sich ein Unternehmen aufstellt, je klarer es Erwartungen kommuniziert und je schneller und verbindlicher es im Recruiting-Prozess ist, desto einfacher lassen sich gefragte Kandidaten anwerben. 

Was bedeutet denn in diesem Feld „schnell“, wenn es um Recruiting geht?
Bei einigen Unternehmen kann der ganze Prozess schon zwölf Monate dauern. Da sind viele umworbene Kandidaten längst weg, weil sie parallel oft von anderen Organisationen angeworben werden. Wer vier bis fünf Monate zusichern kann, ist da klar im Vorteil. 

Trotz der stagnierenden Gehälter wird die Luft für Vorstände also nicht dünner? 
Genau, das sehen wir nicht. Durch die demografische Entwicklung gehen viele Führungskräfte in Rente. Es gibt wenige Top-Talente mit den spezifischen fachlichen und persönlichen Skills, die in unsicheren Zeiten den massiven Herausforderungen begegnen können. Da soll der Finanzvorstand auch moderne Führung beherrschen, Digitalexpertise mitbringen, globale Märkte analysieren, das Unternehmen krisenfest aufstellen und Innovationen anstoßen – die Zahl derer, die das können und auch künftig noch wollen, ist überschaubar. 

Dennoch sehen Sie deutliche Unterschiede bei der finanziellen Wertschätzung innerhalb der C-Ebene.
Ja, bei Finanzvorständen gab es in den vergangenen drei Jahren ein durchschnittliches Plus von 17 Prozent. Zugespitzt gesagt: Bei den Restrukturierungs- und Kostenexperten wurde ordentlich investiert. Die Vergütung von Vorständen aus dem Produkt- und Tech-Bereich hat sich hingegen im Durchschnitt nur um neun Prozent erhöht. Das ist angesichts der Konjunktur immer noch eine massive Entwicklung, aber wir sehen, dass Unternehmen hier auf Sicht segeln. Das birgt allerdings die Gefahr, dass Innovationen verschlafen werden. Das verschärft die übrigen Standortrisiken in Deutschland – keine optimale Perspektive. 

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