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Demenz-Frühtest Fragwürdiges Geschäft mit der Alzheimer-Angst

Alzheimer ist eine gefürchtete Diagnose. Eine teure Untersuchung soll bestimmen, wie hoch das Risiko einer Erkrankung ist. Was bringt dieser Test - und hilft er wirklich, der Krankheit etwas entgegen zu setzen?
Schnittbilder des Kopfes: Wahrscheinlichkeit einer Alzheimer-Erkrankung berechnen

Schnittbilder des Kopfes: Wahrscheinlichkeit einer Alzheimer-Erkrankung berechnen

Foto: Andreas Gebert/ dpa

Den Alltag nicht mehr meistern zu können, Freunde und Angehörige nicht mehr zu erkennen, und irgendwann ganz im Vergessen zu versinken: Die Vorstellung, an Alzheimer-Demenz zu erkranken, macht vielen Menschen Angst. Selbstzahlern bieten einige Arztpraxen jetzt Tests an, die ihr Erkrankungsrisiko bestimmen sollen.

Bei der Alzheimer-Krankheit schrumpft die Masse des Gehirns, und zwar deutlich schneller, als das im Alter natürlicherweise geschieht. Um das Alzheimer-Risiko zu ermitteln, untersucht der Arzt mithilfe der Magnetresonanztomografie (MRT) ein bestimmtes Hirnareal, den Hippocampus. Eine Software berechnet daraufhin, ob es wahrscheinlich ist, innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre zu erkranken.

Mehrere Praxen bewerben das Angebot mit einem medizinischen Nutzen: "Behandlung ist möglich. Durch eine frühe Diagnose verbessern sich die Therapieaussichten (auch bei Alzheimer)", heißt es zum Beispiel vielversprechend auf der Seite des Offenbacher Instituts für bildgebende Diagnostik. Eine Facharztpraxis für diagnostische Radiologie in Ottobrunn listet das Angebot gar unter dem Punkt "Alzheimer-Vorsorge" auf: "Je früher die Diagnose gestellt wird, desto erfolgreicher kann therapiert werden", ist dort zu lesen.

Für den einmaligen Test kassieren die Praxen mehrere hundert, einige mehr als tausend Euro. Empfohlen wird teilweise, die Analyse nach einigen Jahren erneut durchzuführen. Dabei liefert das Selbstzahlerangebot nicht einmal eine Diagnose: Betroffene erfahren bloß, ob sie ein statistisch erhöhtes Risiko haben, demnächst zu erkranken. Denn ein schrumpfender Hippocampus kann, muss aber kein frühes Anzeichen von Alzheimer sein.

Belastende Unsicherheit

Medizinischen Nutzen habe das Ganze nicht, sagt Richard Dodel von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Eine Behandlung der Alzheimer-Demenz ist ohnehin nur sehr eingeschränkt möglich. "Und dass eine besonders frühe Behandlung vor dem Auftreten erster Symptome sinnvoll wäre, geben die Daten nicht her", sagt Dodel. Bei Anzeichen einer Demenz empfiehlt er, eine der Gedächtnissprechstunden aufzusuchen , die häufig an Unikliniken angesiedelt sind. Die Diagnostik wird dann von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt.

Auch Alexander Kurz, Vorstandsmitglied der Deutschen Alzheimer Gesellschaft , lehnt die Tests bei Gesunden ab. Richtig sei zwar, dass die Hirnsubstanz schon lange vor dem Ausbruch der Demenz beginnt, sich zu verändern. "Mit der heute üblichen Diagnostik kommt man also in der Tat recht spät", sagt er. Vor dem Auftreten von Symptomen sei es aber einfach nicht möglich, die Krankheit sicher zu diagnostizieren. "Ohne Symptome zum Arzt zu gehen, halte ich daher für den falschen Weg."

Zuverlässig vorhersagen lässt sich Alzheimer laut dem Experten allenfalls bei bestimmten, vererbbaren Genmutationen, die aber nicht im MRT erkannt werden können. Die Risikoanalyse selbst könne zudem große Ängste auslösen, auch wenn gar nicht klar ist, ob die Betroffenen tatsächlich erkranken.

Alzheimer lässt sich mit Medikamenten nicht vorbeugen

Selbst Oliver Bartzsch, der die Risikoanalysen in der Facharztpraxis in Ottobrunn durchführt, gibt zu, dass sich Alzheimer mit den gängigen Medikamenten nicht vorbeugen lässt. Patienten, bei denen er eine erhöhte Erkrankungswahrscheinlichkeit feststellt, bietet er jedoch die Behandlung mit verschiedenen Vitaminen oder Hormonen an, etwa Vitamin B12, denen ein die Nerven schützendes Potenzial zugeschrieben wird. Den Nutzen der Behandlung kann Bartzsch nicht belegen. Das Angebot ist ebenfalls eine Selbstzahlerleistung.

Lothar Spies, Geschäftsführer der Jung Diagnostics GmbH, wertet im Auftrag der Praxen die MRT-Aufnahmen zur Risikoanalyse mit einem speziellen Computerprogramm aus. Er wehrt sich gegen den Vorwurf der Panikmache: "Es stimmt nicht, dass wir den Menschen Angst machen."

Exakte Vorhersagen seien zwar nicht möglich: Bei auffälligen Hippocampus-Veränderungen liege die Wahrscheinlichkeit, in den Folgejahren an Alzheimer zu erkranken, bei etwa 60 bis 70 Prozent - wenn die Patienten zusätzlich kognitiv beeinträchtigt seien. Das Angebot allerdings richtet sich gerade an Patienten, die noch nicht auffällig sind.

Spies fordert, die Hippocampus-Vermessung nicht bloß in der Risikoanalyse, sondern stärker in der klassischen Diagnostik einzusetzen. Aus seiner Sicht ist das Problem nicht verfrühte, sondern zu späte Diagnosen: "Alzheimer-Demenz wird immer noch zu selten erkannt. Und die Krankenkassen tun bisher zu wenig, um die Krankheit im frühen Stadium festzustellen."

Zusammengefasst: Mit einem Hirnscan wollen Mediziner das Risiko bestimmen, ob ein Mensch in den nächsten drei bis fünf Jahren Alzheimer bekommt. Aber der Test ist umstritten - nicht nur wegen seines hohen Preises und seiner vagen Vorhersage, die unnötig Ängste schüren kann. Selbst wenn Mediziner die Erkrankung sehr früh diagnostizieren können, sind sie weitgehend machtlos. Denn es gibt bislang auch kaum Therapie-Möglichkeiten für Alzheimer-Patienten.

Zur Autorin
Foto: Hanna Lenz

Irene Habich studierte Tiermedizin und Journalistik. Sie arbeitet als freie Wissenschaftjournalistin in Berlin und Hamburg.