Die Preferred-Supplier-Falle

Warum Unternehmen sich nicht auf einen eng begrenzten Dienstleister-Pool verlassen dürfen
Die Einkaufsabteilungen vieler großer Unternehmen sind von einer sogenannten „Preferred-Supplier-Strategie“ geprägt. Dies bedeutet, dass das betreffende Unternehmen einen festen Pool an externen Dienstleistern hat, den es beauftragt. Dieser Pool von Dienstleistern wird für einen bestimmten Zeitraum festgelegt. Die Beauftragung von Dienstleistern, die nicht Teil dieses festgesetzten Pools sind, ist in der Regel gar nicht oder nur in wenigen Ausnahmefällen möglich. Der Vorteil liegt auf der Hand: Reduktion von Vergabe- und Absprache-Aufwand. Doch die Risiken sind immens: Es wird eine gefährliche Schein-Sicherheit geschaffen, während neue und chancenreiche Marktentwicklungen oft verschlafen werden.
Eine Preferred-Supplier-Strategie mindert die Innovationskraft eines Unternehmens.
Einerseits halte ich es für nachvollziehbar, dass viele größere Unternehmen mit Preferred Suppliern zusammenarbeiten, denn auf diese Art und Weise können Einkaufsprozesse optimiert werden. Andererseits verlieren Auftraggeber aber so die Gesamtsicht auf den Markt und kleine innovative Dienstleister mit neuen Denkansätzen werden so zu spät oder überhaupt nicht wahrgenommen. Diese enge Sichtweise auf den Markt kann im Worst Case zu gravierenden Wettbewerbsnachteilen und dem Verlust von Marktanteilen führen. Denn neue Marktentwicklungen werden dann sehr oft zu spät erkannt.
Auftraggeber sind vermeintlich auf der sicheren Seite, wenn sie renommierte Dienstleister beauftragen.
Da ich beide Seiten der Medaille sehr gut kenne, kann ich mich sowohl in die Auftraggeber- als auch in die Dienstleister-Perspektive sehr gut hineinversetzen. Für den Auftraggeber ist das Risiko geringer, wenn er einen Dienstleister beauftragt, der sich bereits am Markt einen Namen gemacht hat. Denn wenn in so einem Projekt irgendetwas schief läuft, kann er argumentieren, dass es doch sehr unwahrscheinlich gewesen sei, dass im Rahmen der Beauftragung eines solchen renommierten Unternehmens etwas nicht funktioniert.
Dennoch plädiere ich für eine Supplier-Diversity-Strategie. Denn gerade kleine, inhabergeführte Unternehmen sind meist mit sehr viel Herzblut bei der Sache und bieten maßgeschneiderte Dienstleistungen an, weil sie oft einen hohen Spezialisierungsgrad haben. Das Argument, dass Kleinunternehmer die Strukturen von Großunternehmen nicht kennen, können diese oft durch ihren eigenen CV entkräften. Denn häufig handelt es sich dabei um Personen, die früher selbst in Großunternehmen gearbeitet haben.
Viele innovative Kleinunternehmen wollen nicht zu Sub-Unternehmern von Preferred Supplieren werden
Nicht selten passiert es, dass die Fachabteilungen mit kleinen Unternehmen zusammenarbeiten möchten, der Einkauf ihnen aber einen Strich durch die Rechnung macht. Damit aber dennoch eine Zusammenarbeit möglich ist, schlägt der Einkauf kleinen Unternehmen oft vor, zum Sub-Unternehmer eines Preferred Suppliers zu werden. Dieser Deal ist für die meisten kleinen Unternehmen nicht besonders lukrativ. Denn er mindert den Umsatz des Kleinunternehmers, da der Preferred Supplier bei diesem Geschäft verständlicherweise auch mitverdienen möchte. Außerdem geht dabei die Marke des Kleinunternehmers unter, weil er nur noch der verlängerte Arm des Preferred Suppliers ist, was einer Degradierung gleich kommt. Darüber hinaus unterscheiden sich in manchen Fällen die Unternehmensphilosophien des Preferred Suppliers und des Kleinunternehmens grundlegend voneinander und eine entsprechende Kooperation wäre ein Verrat der eigenen Werte für den Kleinunternehmer.
Die Verlierer der Preferred-Supplier-Strategie
Am Ende einer solchen Verhandlung gibt es bedauerlicherweise oft nur Verlierer. Denn der Kleinunternehmer möchte sich verständlicherweise selbst treu bleiben und wird den Auftrag unter den vorgeschlagenen Rahmenbedingungen nicht durchführen – sofern er ihn nicht unbedingt benötigt oder andere Vorteile hat. Die Fachabteilung ist unzufrieden, weil sie nicht den gewünschten Dienstleister bekommt. Die Mitarbeiter des Preferred Suppliers sind für die Fachabteilung in diesem Fall nur zweite Wahl, was sich negativ auf die gesamte Zusammenarbeit auswirken kann. Und wer möchte schon zweite Wahl sein? Scheitert das Projekt in dieser Konstellation sind weitere Konflikte zwischen Einkauf und Fachabteilung vorprogrammiert.
Die Lösung: Der goldene Mittelweg
Wie in vielen Fällen führt auch hier der goldene Mittelweg oft zum Erfolg. Es gibt Unternehmensbereiche, in denen eine Preferred-Supplier-Strategie durchaus sinnvoll ist, z. B. beim Einkauf von bestimmten Waren oder Dienstleistungen, die keine Auswirkungen auf das strategische Business des Auftraggebers haben, wie Büromaterial oder einem Reinigungsservice. Die Preferred-Supplier-Strategie ist jedoch meist sehr kontraproduktiv beim Einkauf von strategischen Beratungsdienstleistungen. Denn wenn man hier auf die falschen Pferde setzt, kann der Schuss nach hinten los gehen. Im Worst Case bedeutet dies den Verlust von Marktanteilen, weil man wichtige Entwicklungen im Kerngeschäft aufgrund der Beauftragung von wenigen Beratungsunternehmen manchmal verschläft. Bemerkt man dann Fünf vor Zwölf relevante Marktverschiebungen, ist es oft zu spät, um eigenes Knowhow in den neuen Marktsegmenten aufzubauen und es bleibt nur noch der teure Zukauf von kleineren Unternehmen, die schneller und innovativer waren.
Am Ende fressen nicht die Großen die Kleinen, sondern die Schnellen überholen die Langsamen.
Denn Märkte und Zielgruppen ändern sich in der heutigen Zeit in Windeseile und wer hier nicht kontinuierlich ein waches Auge auf den Markt und neue, innovative Dienstleister aller Größen hat, wird verlieren. Am Ende fressen nicht die Großen die Kleinen, sondern die Schnellen überholen die Langsamen. Auftraggeber sollten daher stets im Blick haben, dass innovative, kleine Dienstleister sich oft viel schneller an Marktveränderungen anpassen können als größere Dienstleister. Sie sind daher in der Lage, ihren Auftraggebern frühzeitig interessante Impulse für ihr strategisches Business zu geben. Dies hat positive Auswirkungen auf die Time-to-Market von neuen Dienstleistungsangeboten und Produkten und davon profitieren alle Beteiligten in der Wertschöpfungskette. Zudem macht es Sinn, dass Auftraggeber regelmäßig die Arbeitsergebnisse von langjährigen Dienstleistern genau analysieren. Denn viele Dienstleister haben eine hohe Personalfluktuation und verändern kontinuierlich ihr Portfolio, was Qualitätsschwankungen mit sich bringen kann.
Über die Autorin
Sonja App ist Managementberaterin mit Fokus internationales/interkulturelles Management und Marketing, Innovationsmanagement, Diversity Management und Relationship Management sowie Fachbuchautorin, interkulturelle Trainerin und Coach. Sie moderiert die XING Ambassador Community Diversity Management und veranstaltet regelmäßig offizielle XING Events zu verschiedenen Aspekten des Diversity Managements, wie zum Beispiel Vorträge, Workshops, Seminare und Webinare sowie innovative Events zum Networking wie kulinarische Weltreisen, interreligiöse Reisen und Länder-Specials wie "XING Adventure - Schwedische Nacht". Weitere Informationen zu Sonja App: www.sonja-app.com
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Insider for Internationales Management, Marketing, Innovationsmanagement, Diversity Management