Diversity Management ist (auch) ein Männerthema!

Neulich war ich auf einer Messe und am Messestand einer renommierten Anwaltskanzlei fragte mich ein Jurist nach meiner Tätigkeit und meinen Projekten. Ich teilte ihm mit, dass ich unter anderem die größte XING Community zum Diversity Management moderiere. Er rümpfte daraufhin etwas die Nase und fragte mich mit kritischem Blick "Diversity Management - das ist doch dieses Frauenthema …?" In solchen Situationen würde ich am liebsten in die Welt hinaus rufen:
„Liebe Männer, entspannt Euch! Diversity Management betrifft uns alle!“
Diversity ist ein neutrales Wort und bedeutet Vielfalt. Diversity Management hat viele Facetten. Macht man eine Umfrage und fragt zehn Leute, wie sie Diversity Management definieren, bekommt man zehn verschiedene Antworten. Ich beschränke mich daher hier auf meine Sicht des Diversity Managements. Eine Grundlage des Diversity Managements ist die Antidiskriminierung, in Deutschland konkret das AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz), das beinaltet, dass niemand aufgrund seines Geschlechts, Alters, seiner ethnischen Herkunft, Religion, Behinderung, sexuellen Identität oder Orientierung diskriminiert werden darf, was sowieso selbstverständlich sein sollte.
In meinen Augen geht erfolgreiches Diversity Management aber viel weiter. Im Idealfall schaffen Unternehmen und sonstige Organisationen eine Kultur der Wertschätzung, in der sich nicht nur niemand diskriminiert fühlt, sondern in der sich ALLE Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter optimal gemäß ihrer persönlichen Fähigkeiten und Bedürfnisse entfalten können und sich rundum wohlfühlen. Dadurch entsteht eine klassische Win-Win-Win-Situation für das Unternehmen, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und alle Stakeholder des Unternehmens.
Auch die Auseinandersetzung mit Mehrheiten und Minderheiten ist im Diversity Management ein Thema.
Alle Menschen gehören in einigen Bereichen Mehrheiten und in anderen Minderheiten an. Viele dieser Zugehörigkeiten können sich im Laufe des Lebens ändern oder variieren in konkreten Situationen.
Ein paar Beispiele: Wenn ich als Deutsche in Deutschland arbeite, gehöre ich zur Mehrheit, arbeite ich dagegen im Ausland, gehöre ich zu einer ethnischen Minderheit. Wenn ich als Christin in Deutschland in eine Kirche gehe, gehöre ich zu einer Mehrheit, wenn ich in eine Moschee gehe, bin ich Teil einer Minderheit. Wenn ich mir als heterosexuelle Frau eine klassische romantische Komödie im Kino anschaue, gehöre ich zu einer Mehrheit, wenn ich zu einem LGBT-Event gehe, gehöre ich zu einer Minderheit. Als ich vor einigen Monaten eine Fußoperation hatte und Gehhilfen gebraucht habe, habe ich einen Eindruck davon bekommen, wie es sich anfühlt, zur Minderheit der Behinderten zu gehören. Wenn ein Informatiker in einem Modeunternehmen arbeitet, gehört er aufgrund seiner Qualifikation und seines Geschlechts zu einer Minderheit, wechselt er in ein IT-Beratungsunternehmen gehört er zu einer Mehrheit. Die großen Fragen dabei sind:
In welchen Lebensbereichen gehöre ich Mehrheiten und Minderheiten an? Wie fühlt es sich an, Teil der Mehrheit bzw. der Minderheit zu sein?
Ich gehöre zwar in vielen Lebensbereichen Mehrheiten an, habe aber schon oft die Erfahrung gemacht, wie es sich anfühlt, Minderheiten anzugehören - zum Beispiel als ich im Ausland gelebt habe oder als ich in einem IT-Beratungsunternehmen gearbeitet habe, in dem Frauen und Personen mit betriebwirtschaftlicher Qualifikation Minderheiten darstellten. Meist bringt es große Vorteile mit sich, zu einer Mehrheit zu gehören. Denn wenn sich alle ähnlich sind, stellt sich die Frage der Integration gar nicht. Zudem kann man in der Regel seine Ideen in einer Gruppe Gleichgesinnter schneller und besser durchsetzen, weil alle eine ähnliche Denkstruktur haben. In Unternehmen entsteht so allerdings die Gefahr der Betriebsblindheit.
Obwohl ich die oben genannten Vorteile durchaus zu schätzen weiß, treibt mich meine persönliche Neugier immer wieder in Situationen, in denen ich zu einer Minderheit gehöre. Dies ist zwar anstrengender, aber mein Interesse an fremden Lebensformen, Kulturen und Religionen ist deutlich größer als die Angst, in den betreffenden Situationen zu einer Minderheit zu gehören. Denn die neuen Erfahrungen sind eine große Bereicherung für mich.
Deswegen mein Appell an alle Menschen, aber insbesondere an männliche Führungskräfte in deutschen Unternehmen, die sehr oft in ihren Jobs und vielen anderen Lebensbereichen Mehrheiten angehören:
Bitte verlasst ab und zu Eure Komfortzone und begebt Euch in Situationen, in denen Ihr zu einer Minderheit gehört.
Im beruflichen und privaten Alltag gibt es viele Möglichkeiten, die Perspektive zu wechseln. Damit kann man schon klein anfangen, zum Beispiel indem man Events von Branchen besucht, mit denen man bisher noch keine Berührungspunkte hatte oder solche, bei denen man aufgrund seines Geschlechts zu einer deutlichen Minderheit gehört.
Auch in der Freizeit kann man viele neue Experimente wagen, um andere Lebenssituationen zu analysieren. Mein Tipp: Essen mit Freunden im Dunkelrestaurant. So lernt man für ein paar Stunden die Welt von Sehbehinderten kennen.
Ich freue mich sehr über Erfahrungsberichte zu diesem Thema, gerne auch etwas ausführlicher in unserer XING Ambassador Community Diversity Management.
Wer nicht öffentlich schreiben möchte, kann mir auch eine PN auf XING oder eine klassische E-Mail schicken an: contact@sonja-app.com
Über die Autorin
Sonja App ist Managementberaterin mit Fokus internationales/interkulturelles Management und Marketing, Innovationsmanagement, Diversity Management und Relationship Management sowie Fachbuchautorin, interkulturelle Trainerin und Coach. Sie moderiert die XING Ambassador Community Diversity Management und veranstaltet regelmäßig offizielle XING Events zu verschiedenen Aspekten des Diversity Managements, wie zum Beispiel Vorträge, Workshops, Seminare und Webinare sowie innovative Events zum Networking wie kulinarische Weltreisen, interreligiöse Reisen und Länder-Specials wie "XING Adventure - Schwedische Nacht". Weitere Informationen zu Sonja App: www.sonja-app.com
About the author

Insider for Internationales Management, Marketing, Innovationsmanagement, Diversity Management