Svenja Hofert

Svenja Hofert

for New Work, Arbeit der Zukunft, Postagilität, Wirtschaft und Psychologie

Homeoffice: Wo Entfremdung auf den neuen Wunsch nach Nähe trifft

Andrey_Popov - Shutterstock

Die einen wünschen sich Flexibilität und Freiheit, die anderen sehnen sich nach persönlichem Kontakt. Der Umgang mit Homeoffice-Regelungen wird zukünftig eine große Rolle im Recruiting spielen.

Würden Sie kündigen, wenn Sie ins Homeoffice zurückmüssten? 36% der US-Amerikaner denken laut einer Studie darüber nach, dies zu tun. Doch da gibt es auch noch die andere Seite, und das ist die heranwachsende Generation Corona. Junge Menschen, die den durch Corona lange unterdrückten Erlebnis- und Kontakthunger bewusst im Büro ausleben möchten. Sie werden sich möglicherweise in Zukunft für jene Firmen entscheiden, die sie nicht gleich „remote“ schicken.

Das heißt auch: Die Bedürfnisse sind unterschiedlicher denn je. Es geht für Unternehmen damit um nicht weniger als die Notwendigkeit zur Individualisierung des bisherigen Normalarbeitsverhältnisses. Eine allzu klare Positionierung à la "Remote-only" oder "cooles Büro in der City" wird da eher hinderlich sein. Denn welche Zielgruppen auf welchen Lockruf reagieren und wie das zur jeweiligen Unternehmensstrategie passt, dazu braucht es wohl mehr Daten.

Hinter der Frage nach der Homeoffice- und New-Work-Strategie stecken also  Themen, die größer sind als vielen bewusst ist. Denn individualisierte Lösungen verlangen auch individuelle Arbeitsverträge.

Die große Entfremdung

Die Probleme werden immer drängender, je mehr Corona-Welle um Corona-Welle vom Büro entfremdet. Die Fluktuation steigt, die Bindung nimmt ab. Selbst große Arbeitgebermarken habenMühe, so hört man, ihre Talente zu binden, wenn der Wettbewerb auch „nur Remote“ anbietet – doch vielleicht mit spannenderem Inhalt und zu besseren Konditionen.

Bisherige Bindungsinstrumente wie interne Netzwerke kommen an Grenzen. Denn ein Online-Event kann jeder organisieren - auch die zweitgrößte Marke. Spannend ist das für einige - für viele aber nicht (mehr). Die Qualität von in echten, in Vor-Ort-Beziehungen aufgebauten beruflichen Netzwerken dagegen erreicht man Online auch mit viel Rantam kaum. Zumal ein nicht geringer Prozentsatz in den ewigen Videokonferenzen zumindest gedanklich abgeschaltet hat.

New Work: Der Lockruf des schönen Büros

Die Organisationen suchen nach Lösungen. Viele erkennen sie in „New Work“ und verbinden damit räumliche Umgestaltung. Mitarbeiterzentriertes New Work würde die Grundfeste bisheriger Organisation berühren. Es würde individuelle und kreative Lösungen da verlangen, wo der Standardarbeitsvertrag vorherrscht.

Nicht nur heimlich, sondern zunehmend offen wünschen sich vor allem obere Führungskräfte auch deshalb eine Rückkehr ins Büro, teils wissend und teils ahnend dass mit jedem Monat mehr Homeoffice der innere Abstand größer wird. 

Homeoffice: Zuhause sieht die Welt anders aus

Zuhause sieht die Welt anders aus, die Kollegen sind nur noch ferner Teil des eigenen Mikrokosmos – der Arbeitsort und damit auch der Arbeitgeber wird austauschbarer. Ob ich für diese oder jene Unternehmensberatung oder einen Industriekonzern arbeite: Die Arbeit der Laptop-Klasse ist ohnehin remote. Da wird zum entscheidenden Faktor, was gerade bei den Konzernmitarbeitenden früher oft Nebensache war: Die Themen, die Konditionen – und die Führung. 

Die Rolle der Führung

Doch diese wird in vielen Firmen immer noch eins zu eins in den Online-Raum übersetzt – und ist vielfach genauso emotionsarm und austauschbar wie in Präsenz. „You cannot disrupt yourself“, sagte einst der jüngst verstorbene Innovationsguru Clayton Christensen - und das gilt natürlich auch für die bisherigen Führungskräfte. Sie sind für die alte Welt ausgewählt und geprägt worden und können sich nicht so ohne weiteres neu erfinden. Wie schwierig allein der Versuch ist, zeigt etwa die mühsame Überführung alter Führungshierarchien in flexibel-agilere Rollenmodelle.

Die große Unbekannte: Was will die Generation Corona?

Viele Organisationen haben die riesige Dimension dieses Problems noch nicht verstanden. Sie glauben nach wie vor, dass intelligente Raumkonzepte die Schieflage beseitigen könnten. Doch das greift viel zu kurz. Noch ist in keiner mir bekannten Studie untersucht, welche Folgen Corona auf die Generation Corona haben wird. Doch die typische Entwicklung war in der Vergangenheit immer eine Gegenbewegung zur vorherigen oder/und eine Reaktion auf das große Thema der Generation. Einiges deutet darauf hin, dass in Zukunft sehr viel kreatives „Sowohl als Auch“ gefragt ist.

Hier finden Sie ein 11-minütiges Video, in dem ich über meine Erfahrungen zu dem Thema berichte. 

Svenja Hofert ist Keynote-Speakerin, bildet aus und berät Organisationen zu New Work und digitaler Transformation. Sie ist auch Gesellschafterin und Gründerin der Hamburger Teamworks GTQ GmbH.

About the author

Svenja Hofert
Svenja Hofert

Geschäftsführende Gesellschafterin, Teamworks Gesellschaft für Teamentwicklung und Qualifizierung mbH

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Unternehmensberaterin, Buchautorin, Ausbilderin, Key Note Speaker mit Blick für Zusammenhänge und einem Gespür für das, was kommt. Schreibt für Verbindung und gegen Schwarzweißdenken.