Dr. Alexandra Hildebrandt

Dr. Alexandra Hildebrandt

für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Neue Konzepte für klimagerechte Mobilität

Pixabay

Mobilität ist einer der zentralen Faktoren für den Klimaschutz. Verstopfte Innenstädte, Parkplatzsuche, steigende Spritpreise, Luftverschmutzung und massive CO2-Ausstöße befeuern den Klimawandel. 

Auch unser Mobilitätsverhalten führt zu großen Belastungen von Umwelt und Infrastruktur mit negativen Auswirkungen auf unsere Lebensqualität und Gesundheit. Im Mittelpunkt der neuen Mobilität steht die Idee, Menschen und Güter multimodal zu befördern: schnell, einfach, sicher, günstig, CO2-neutral und ohne unnötige Umstiege. Dazu bedarf es übergreifender Mobilitätsplattformen, mit denen die Fahrten geplant, gebucht und auch bezahlt werden können. 

Für eine nachhaltige Zukunft müssen auch Automobilkonzerne Mobilitätslösungen und -dienste entwickeln, die das traditionelle Autokaufsystem ergänzen und eine bessere Nutzung von Vermögenswerten durch die Kreislauf- und Sharing-Ökonomie fördern und dabei Erwartungen von Verbraucher:innen, Unternehmen, Betreibern und Gebieten berücksichtigen. Allerdings wirft die konkrete Umsetzung der Mobilitätswende derzeit noch viele Fragen auf.

  • Was sind die Beharrungskräfte auf dem Weg zur neuen Mobilität?
  • Warum sollten wir die letzte Meile neu denken?
  • Welche Faktoren haben uns in die heutige Mobilitätsmisere geführt?
  • Welche Projekte zu Mobility-as-a-Service werden von wem angestoßen? Welche Kooperationen entstehen? Was wollen die Kunden?
  • Wie können alle verfügbaren Technologien genutzt werdebn, um Fortschritte bei der Sicherheit im Straßenverkehr zu erzielen?
  • Wie können wir endlich unsere Mobilität besser organisieren?
  • Worauf kommt es an, damit ein Unternehmen im Auto- und Mobilitätsmarkt bestehen kann?
  • Wie kann es gelingen, Lust und Freude auf eine neue Form der Mobilität wecken, Akzeptanz schaffen und damit eine nachhaltige Veränderung herkömmlichen Verhaltens erwirken?
  • Lässt sich mit Ride-pooling, Ride-hailing und Ride-sharing das Verkehrsaufkommen reduzieren?
  • Wie kommen wir zu einer nachhaltigen Verkehrswende?

Prof. Dr. Andreas Herrmann leitet das Institut für Mobilität an der Universität St. Gallen und ist Visiting Professor an der London School of Economics und an der Tongji University in Shanghai. Johann Jungwirth ist Ingenieur und Manager in der Automobilindustrie. Prof. Dr. Frank Huber hat den Lehrstuhl für Marketing Analytics an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz inne. In ihrem Buch „Mobilität für alle – auf Knopfdruck“ zeigen sie, dass Mobilität klimagerecht und barrierefrei sein kann. Beispiele aus aller Welt illustrieren, wie neue Player auf dem Mobilitätsmarkt mit revolutionären Geschäftsmodellen schon jetzt die Mobilität der Zukunft gestalten: „In diesem Jahrhundert erfinden wir das Automobil und die Mobilität neu, mit den Menschen im Zentrum.“ Das heißt nicht, dass wir unsere automobile Freiheit dafür aufgeben müssen. Jeder Mensch sollte sich auch künftig für die Mobilität seiner Wahl entscheiden können. Es werden neue Konzepte zur Fortbewegung benötigt, die vor allem auch die Bewältigung der „letzten Meile“ sicherstellen. Im urbanen Raum werden dafür zunehmend Fahrräder oder E-Roller genutzt, doch vor allem ländliche Regionen stehen weiterhin vor enormen Herausforderungen.

Mobilität als Dienstleistung

Für die Autoren stellen Dienstleistungs-Services die Lösung dar: Elektrische, vernetzte und autonome Fahrzeuge, die sich über eine App rufen lassen. Über eine Mobilitätsplattform werden Autos, Busse, Bahnen und Mikromobilität zu einer funktionierenden und komfortablen Reisekette verbunden. „Ohne Zweifel, Fahrräder sind in Mode. Aber auch die alternativen Verkehrsmittel spielen in den Überlegungen der Architekten und Städteplaner eine wichtige Rolle: Pods, Shuttles, aber auch Seilbahnen und natürlich die Mikromobilität in allen Varianten“, so die Autoren. Diese neuen Ansätze haben nach Meinung der Mobilitätsexperten das größte Potenzial, unser Leben und das Reisen nachhaltig zu verbessern. Mobilität als Dienstleistung könnte auch ein Teil der Lösung für die skizzierten Probleme im ländlichen Raum sein. Zudem wird eine deutlich bessere Auslastung für Fahrzeuge ermöglicht. Das schafft Freiheit und Krisenfestigkeit, denn Menschen werden mobiler und können eine Vielzahl von Verkehrsmitteln nutzen, statt sich für eines entscheiden zu müssen.

Nutzen statt besitzen

Eigentum ist heute keine Voraussetzung mehr, um mobil zu sein. Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Anbietern für Auto-Abos und Sharing-Modelle. Wo sich diese Art der Mobilität durchsetzt, wird eher auf das eigene Auto verzichtet. Mobility-as-a-Service als zentraler Baustein hin zur nachhaltigen Verkehrswende gewährleistet, dass sich Fahrzeuge effizienter als bislang nutzen lassen. Straßen und Parkplatzflächen können zurückgebaut und anderweitig genutzt werden. Die Folge: weniger Staus, geringere Kosten und lebenswertere Städte. In vielen chinesischen Städten sind bereits Mobility-as-a-Service-Konzepte im Test. Damit Fahrten häufiger geteilt werden können, müsste der Gesetzgeber intelligente regulatorische und finanzielle Anreize setzen.

Ohne Energiewende keine Mobilitätswende

Elektromobilität ist angesichts steigender CO2-Emissionen durch Verbrennung von Diesel- und Benzinkraftstoffen sowie knapper werdender fossiler Energieressourcen eines der wichtigsten Schlüsselthemen für eine integrierte Klima-, Energie- und Mobilitätsstrategie. Mit dem Megatrend wird auch die Digitalisierung im Fahrzeug- und Mobilitätssektor insgesamt vorangetrieben. Die Optimierung von Schnittstellen ist sowohl fahrzeug- als auch verkehrsseitig relevant für die Gestaltung intermodaler Wegeketten, die Kommunikation zwischen Fahrzeugen untereinander ebenso wie zwischen Fahrzeug und Infrastruktur.

Ausschlaggebend für den Erfolg der Elektromobilität ist aber nicht nur die Anzahl der Elektrofahrzeuge, sondern die Qualität dieses Gesamtsystems, bei dem Ladeinfrastruktur, ein intelligentes, intermodales Verkehrssystem sowie überzeugende Fahrzeugangebote Hand in Hand gehen müssen. Das Bindeglied ist die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), die beispielsweise das Laden an privaten und öffentlich zugänglichen Ladepunkten steuert und die Kommunikation der Elektrofahrzeuge mit intelligenten Stromnetzen oder Smart Homes steuert. Erst, wenn die Voraussetzungen für Vernetzung und Automatisierung geschaffen und mit den Vorteilen der Elektromobilität zusammengebracht werden, entsteht die Mobilitätswende.

Die wichtigsten Herausforderungen der Elektromobilität

  • die Bewältigung der negativen Folgen immer knapper werdender Ressourcen
  • des Klimawandels und des Umweltschutzes
  • der zunehmenden Feinstaub- und Lärmbelastung
  • der Wandel der Bevölkerungs- und Siedlungsstruktur
  • das steigende Mobilitätsbedürfnis von Wirtschaft und Gesellschaft
  • die Entwicklung der Batterien mit den essentiellen Rohstoffen Lithium und Kobalt
  • die Verbesserung der Sicherheit, Lebensdauer und Wirtschaftlichkeit
  • Recycling der Batterien
  • die Berücksichtigung der Wechselwirkungen zwischen dem technologischen Fortschritt und dem Rohstoffbedarf in die Technologieplanungen und Prüfung des Recyclingpotentials.

Maßnahmen für die nachhaltige Entwicklung der Elektromobilität und ihrer Batterietechnik

  • ambitionierte Ziele für das Sammeln
  • die Zweitnutzung und das Recyceln gebrauchter Antriebsbatterien
  • spezifische Ziele für die Rückgewinnung strategischer Schlüsselrohstoffe wie Lithium, Kobalt und Nickel.
  • Auch wird ein Regelungsbedarf benötigt, um gebrauchte Antriebs-Batterien aus Elektrofahrzeugen als stationäre Batterien etwa zur Speicherung von Solarstrom wiederzuverwenden.

Weitere Maßnahmen für eine nachhaltige Verkehrswende (nach Herrmann/Jungwirth/Huber)

  • Da die Herstellung von Mobilitätsmitteln viele Ressourcen verbraucht, sollte der Fokus auch auf Kreislaufwirtschaft gesetzt werden.
  • Es wird eine neue Verteilung der Flächen benötigt. Auch das Auto muss deutlich flächeneffizienter werden.
  • Öffentlicher Raum muss anders bepreist werden, ohne dabei Mobilität insgesamt zu verteuern.
  • Parkplätze in Innenstädten sollten teurer werden – öffentliche Verbindungen und multimodale Angebote gleichzeitig günstiger und verfügbarer.
  • Mobilität ist ein Menschenrecht: Alle Menschen sollten unterwegs sein können. Deshalb ist es wichtig, die multimodale Reisekette nahtlos und zukünftig auch mit selbstfahrenden Pods und Shuttles physisch und preislich barrierefrei gestaltet werden.
  • Unternehmen sollten verstärkt auf nachhaltige Mobilität setzen und die Mobilität der Mitarbeitenden fördern. Auch lässt sich die Nachhaltigkeit des Energiesystems verbessern, wenn Unternehmen erneuerbare Energien und Elektromobilität effektiv in ihre Systeme einbinden.

Wie das funktioniert, zeigt das folgende Beispiel

Das Baudienstleister und Projektentwickler Krieger + Schramm setzt ebenfalls auf E-Mobilität: Ladestationen und E-Autos sollen hier eine Selbstverständlichkeit werden. Etappenweise wird deshalb der firmeneigene Fuhrpark auf Elektroautos umgerüstet. „In diesem Zuge bekommen auch unsere Niederlassungen ein kleines Upgrade, mit PV-Anlagen und echtem Ökostrom“, heißt es im Unternehmensmagazin. Der Strom für die eigene Kfz-Flotte soll unter anderem daraus gewonnen werden. Mobilität wird hier umfassend betrachtet. Neben einer intelligenten Fuhrparkorganisation werden ergänzende Mobilitätsangebote berücksichtigt. Die Kooperation mit Leasinganbietern ist Teil der ganzheitlichen Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens. Es gibt inzwischen viele Dienstleister für Dienstfahrräder, die sich als Full-Service-Anbieter verstehen (von der Einführung der Firmenfahrräder bis zur Einrichtung eines individualisierten Online-Portals für die Bestellung der Diensträder, der individuellen Beratung durch die geschulten Bike-Berater, einer persönlichen Auslieferung und Übergabe bei den Unternehmen vor Ort und der effizienten Übernahme der Leasingrückläufer). Seit zwei Jahren bietet K+S seinen Mitunternehmer:innen und ein Dienstfahrrad in Kooperation mit dem Bikeleasing-Service an. Das Fahrrad kann sich jeder selbst bei einem Händler seiner Wahl aussuchen. Rad oder E-Bike können gleichermaßen privat und beruflich genutzt werden.

Auch das Thema multimodale Mobilität wird in unterschiedlichsten Kontexten hier berücksichtigt: Zum 30-jährigen Firmenjubiläum haben der Unternehmensgründer Matthias Krieger und sein Team eine besondere Aktion geplant: Mit einem Etappenlauf soll die Unternehmensgeschichte nacherzählt werden. „Damals wurden unternehmerische Grenzen überwunden, heute sportliche“, sagt der Geschäftsführer. Die erste Etappe war eine Wanderung vom Gründungsort und Hauptsitz Dingelstädt zur ersten Niederlassung in Kassel/Lohfelden (74 km). Mit dem Mountainbike wurde die zweite Etappe (174 km von Kassel nach Frankfurt/a.M. bewältigt). Für die dritte Etappe steigt weiteres Team aufs Rennrad und fährt insgesamt 375 km von Frankfurt nach München. Die vierte Etappe dieses Staffellaufs erfolgt mit Motorrädern (ca. 650 km von München nach Berlin). An diesem Beispiel zeigt sich in besonderer Weise, dass es eines vielfältigen Engagements von Menschen, Städten und Gemeinden, der Gesetzgeber und Unternehmen bedarf, damit die Veränderung der Mobilität gelingt.

  • Weiterführende Informationen

  • Elektromobilität: Basis für eine nachhaltige Mobilitätswende

  • K+S Magazin. Hg. von Krieger + Schramm. Ausgabe 22 (Mai 2022).

  • Andreas Herrmann, Johann Jungwirth, Frank Huber: Mobilität für alle. … auf Knopfdruck. Campus Verlag, Frankfurt/New York 2022.
  • CSR und Energiewirtschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. SpringerGabler Verlag, Berlin und Heidelberg. 2. Aufl. 2019.

Wer schreibt hier?

Dr. Alexandra Hildebrandt
Dr. Alexandra Hildebrandt

Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
Mehr anzeigen