Prof. Dr. David Matusiewicz

Prof. Dr. David Matusiewicz

für Gesundheitswesen, Medizinmanagement, Digitale Gesundheit

Sind Visitenkarten eigentlich out?

in or out?

Ich komme gerade von einem größeren Kongress. Auf der Hinfahrt habe ich mich kurz geärgert, als mir auffiel, dass ich meine Visitenkarten nicht mitgenommen habe. Aber dann habe ich mich gefragt, ob es in unserer so durchtechnologisierten Welt nicht etwas „old school" ist, gedruckte Visitenkarten - meist in Scheckkartengröße - in kleinen Behältern mit sich mitzuführen. Eine kurze Eigenanalyse dazu.

Abriss der Geschichte der Visitenkarte

Die Visitenkarte leitet sich aus dem französischen Wort „visite” (Besuch) ab. Eine Visitenkarte wurde bereits ab dem 17. Jhd. von Gästen, die in ein gehobenen Haus eingeladen wurden, der Empfangsdame oder dem Diener übergeben. Diese wiederum reichten die Visitenkarte dann an den Hausherrn oder die Dame des Hauses (da gab es noch keine Genderdebatten) weiter, um den Neuankömmling damit zu begrüßen. Dies war insbesondere in Österreich, Frankreich und England en vogue. In der heutigen Zeit werden Visitenkarten gerade im Geschäftsleben seit langer Zeit gerne verwendet und es gibt sogar wissenschaftliche Abhandlungen dazu. Es geht darum, dass die wichtigsten Fakten (insbesondere Kontaktdaten) über die eigene Person zu übermitteln. In der High-End-Version gibt es Visitenkarten mit Profilbild, mit englischer Sprache auf der Rückseite, mit 3D-Hochglanz-Logo, transparente Karten, QR-Code, doppelter Stärke (teilweise 600g oder mehr pro Quadratmeter), kleine Kunstwärke, Goldrand – whatever. Hier scheint der Fantasie keine Grenze gesetzt zu werden. Wie alles im Leben haben auch Visitenkarten ihre Glanz- und Schattenseiten und können heute auch kritisch hinterfragt werden.

Vor-und Nachteile von Visitenkarten aus anekdotenhafter Evidenz

Die Vorteile „liegen auf der Hand“ und können mit den folgenden Punkten beschrieben werden:

  • Der Träger einer Visitenkarte ist meist eine wichtige Person - schließlich hat er eine eigene Visitenkarte
  • Es kann auf die eigene Position aufmerksam gemacht werden, beispielsweise als CXO von irgendetwas

  • Eine schnelle und funktionierende Übergabe der wesentlichen Facts zu der eigenen Person

  • Gerade Menschen, die im Vertrieb arbeiten brauchen eine unkomplizierte Lösung

  • Die Präsentation des eigenen Logos und damit Marketing für das Unternehmen ist wichtig

  • Man bleibt auch nach dem Treffen bestenfalls in guter Erinnerung

  • Wir leben - trotz Digitalisierung - in einer haptischen Welt und hier ist auch das Papier etwas „Besonderes“ (vgl. auch das ausgereifte Produkt „Buch“)

  • Unabhängig einer Batterie- oder Akkulaufzeit

Es gibt aber auch eine Menge Nachteile, die sich im Wesentlichen nach empirischer Eigenevidenz wie folgt aufschreiben lassen:

  • Visitenkarten müssen aufbewahrt werden. Früher gab es diese Klarsichthüllen, die man dann in einen Ordner (seine Sammlung) aufbewahren konnte. Andere Nutzen irgendwelche Plastikbehälter, die dann irgendwann selbst eine Ordnungsfunktion brauchen
  • Oftmals steht man vor der Waschmaschine und nicht weiß nicht wohin womit mit den kleinen Dingern
  • QR-Codes auf Visitenkarten sind solange gut, wie das Gegenüber einen QR-Code Scanner hat; und das ist auch heute noch meist nicht der Fall
  • Vorgegebenes Corporate-Design mit dem der Visitenkartenbesitzer unzufrieden ist (zu kleine Schrift, keine Kontraste, kein Gefühl für Farbenlehre, überdimensionierte Logos, unnütze Fax-Nummern, peinliche Logos)
  • Leider findet man die Visitenkarten erst wieder Tage später und kann sie nicht mehr dem Gedächtnis zuordnen
  • Eine Visitenkarte kommt selten allein: je mehr Visitenkarten man erhält, desto weniger findet man die Visitenkarte wieder, die wertvoll war
  • Visitenkarten unterliegen Veränderungen durch Fusionen, Slogans, Rufnummern etc. und müssen regelmäßig neu gedruckt werden (Stichwort: Umwelt und Kosten)

  • Wenn die Karten längere Zeiten bspw. in der Brieftasche waren, so kommen Eselsohren, Flecken und andere Dinge dazu. Gerade wenn Sie in Ländern wie Japan unterwegs sind, so sollten Sie darauf achten, sonst ist das eine eher schlechte „Visitenkarte“ für Sie. (In Asien wird die Visitenkarte übrigens meist mit zwei Händen übergeben.)

  • Und das Schlimmste: man gibt meist im Affekt statt der eigenen Visitenkarte, eine gerade erhaltene Visitenkarte von jemand anderem weiter - damit ist die Verwirrung perfekt

Digitales Archivieren von Visitenkarten

Selbstverständlich gibt es heute verschiedene digitale Lösungen. Da ist zunächst die "Do it yourself" (DIY)-Lösung: Einfach einscannen oder abfotografieren: Das ist zwar schnell gemacht, aber muss irgendwie nach einem bestimmten System archiviert werden. Wonach macht man das? Nach dem Namen der getroffenen Person, dem Ort der Visitenkartenübergabe oder der Farbe der Visitenkarte? Es stellt sich die Frage, ob es sich überhaupt lohnt, Visitenkarten, die einst digital erschaffen wurden, um sie erstmalig auszudrucken wieder einzuscannen und damit erneut zu digitalisieren. Das erinnert mich an das Rezept in der Apotheke, das im Produktlebenszyklus in der Regel rund sechs Mal eingescannt und wieder gedruckt wird.

Und dann gibt es noch die Nutzung von bestimmten Visitenkarten-Managementprogrammen bzw. Scan-Apps für Visitenkarten. Da gibt es kostenfreie und kostenpflichtige Lösungen oder Lösungen die in der Basis-Lösung kostenfrei sind und in der Premiumversion Geld verlangen. Hierbei geht es ebenso nicht nur um die Text-Erkennung beim Scan der Karten, sondern vor allem um die intelligente Verwaltung. So gibt es Lösungen, bei denen man bestimmte Tags wie „Kontakt vom ABC-Kongress“ hinterlegen kann. Zudem gibt es Lösungen, bei denen eine Export-Funktion in CRM-Systeme oder schlicht in Excel & Co möglich ist. Es lassen sich dann Filterfunktionen nutzen, die bei einer vierstelligen Zahl von Kontakten als durchaus nützlich erachtet werden können. Wobei man an der Stelle auch sagen muss, dass ein fehlerfreies Auslesen nicht immer funktioniert. Und es reicht dann bei der Telefonnummer ein Zahlendreher und man hat plötzlich einen ganz anderen Kontakt in der Telefonleitung. Es gibt aber auch gute Programme mit hoher Text-Erkennungsquote und sogar einer sog. „Batch-Funktion“, d.h. dass mehrere Karten unmittelbar und schnell hintereinander gescannt werden können. Da muss man sich durch den Produkt-Jungle aber selbst kämpfen. Für mich reichen die im Folgenden beschriebenen Alternativen.

Alternativen zu „klassischen“ Visitenkarten

Aber eigentlich reicht es doch, wenn man seinem Gegenüber den eigenen Vor- und Nachnamen und das genutzte Berufsportal wie XING (oder LinkedIn) nennt und sich so direkt oder im Nachgang online vernetzt. Der Vorteil daran ist, dass das Online-Profil meist aktueller ist als die gedruckte Variante und wahrscheinlich auch nachhaltiger. Wenn allerdings das "Adden" etwas aufschiebt, so kann es sein, dass es bis nach dem Treffen wieder vergessen ist. Aber seien wir mal ehrlich, dann war es wohl auch kein wichtiger Kontakt. Selbstverständlich fällt einem da auch die Funktion XING-Handshake ein. Die Idee davon war, dass man mit der Xing-App auf dem Smartphone alle Kontakte in der Umgebung ganz leicht mit einem Klick adden konnte. Da gab es allerdings einen Haken. Das mussten alle in der Umgebung auch aktiviert haben – und vielen war das unbekannt. Und so habe ich das zuletzt vor ein paar Jahren ausprobiert, allerdings habe ich noch nie (!) jemanden auf meinem Radar gefunden. Entweder war ich stets von digitalen LinkedIn-Zwillingen meiner Mitmenschen umgeben oder keiner hat diese Funktion genutzt. Und jetzt finde ich diese Funktion gar nicht mehr auf dem Smartphone und selbst wenn das noch irgendwo im Menü so gut versteckt ist, dann spricht das auch für sich.

Eine Alternative, die ich ganz gerne nutze, ist die eigene private Homepage mit meinem Vor- und Nachnamen in der URL, bei der es einen Reiter „Kontakt“ gibt und immer alle aktuellen Informationen zentral hinterlegt sind. Wenn die eigene private Homepage gut verlinkt ist, müsste diese auch in der Suchmaschine ziemlich weit oben erscheinen, wenn man nach dem Namen sucht. Dies kann man seinem Gegenüber zurufen und das klappt in meinem Fall sehr gut.

Alternativ kann man seinem Gegenüber schnell eine eine sog. vCard (vcf-Datei) via E-Mail versenden mit dem eigenen Kontakt oder zumindest der eigenen Signatur, welche in das Adressbuch automatisch oder manuell importiert werden kann.

Ausblick

Es bleibt wohl Geschmacksache, ob man an den "old school"-Variante festhält oder die Visitenkarte auch Opfer der digitalen Transformation wird. Der neuste Schrei sind übrigens intelligente Visitenkarten, die lediglich eine Art "Schlüsselfunktion" übernehmen. Wenn die Visitenkarte dann ans Smartphone gehalten wird, so werden Daten von einem Server in das Smartphone geladen. Dies ist besonders dann interessant, wenn sich die Daten auf der gedruckten Karte ändern. Wie auch immer die Zukunft aussehen mag. Vielleicht rächt sich auch das Analoge am Digitalen und wir werden den klassischen Visitenkarten nachtrauern, wenn wir irgendwann im Angesicht Smartphone zu Smartphone durch shaken, aufeinanderlegen der Geräte oder langen Diktaten den einfachen Tausch eines Stücks Papier nachsehen. Es bleibt also offen, ob Visitenkarten aus der Zeit gefallen sind oder nicht. Was meinen Sie?

Wer schreibt hier?

Prof. Dr. David Matusiewicz
Prof. Dr. David Matusiewicz

Gründer & CEO, DXM Group - Digitale Medizin

für Gesundheitswesen, Medizinmanagement, Digitale Gesundheit

Dekan des Hochschulbereich Gesundheit & Soziales, Direktor des ifgs an der FOM Hochschule | Gründer Digital Health Academy | Digi Health Talk | Buchherausgeber, Speaker und Moderator.