Wer sind die Generalist:innen?

Wer sind die Generalist:innen?

Seit einiger Zeit kursiert der Begriff Generalist in einschlägigen Beiträgen u.a. zum Thema Transformation und HR. Die Expert:innen sind sich einig und fordern die Unternehmensmanager:innen geradezu auf, sich dieser „Spezies“ anzunehmen, steht doch nicht weniger als die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen auf dem Spiel.

Dabei geht es um die sogenannten Future- und SoftSkills, die die Generalist:innen, die bisweilen auch T Shaped People, Game Changer, Freigeister, Musterbrecher:innen, Übermorgenge-stalter:innen genannt werden, mitbringen. Vorrangig zu nennen sind multiperspektivisches und vernetzendes Denken und Handeln, Kreativität, Intuition, Empathie, emotionale Intelligenz und vieles mehr. Es sind genau die Fähigkeiten, nach denen sich die Manager:innen für ihr Unternehmen so sehnen und so nehmen sie die Aufforderung der Expert:innen dankend an. Damit verbunden ist gleichzeitig die Hoffnung, raus aus der unternehmerischen Monokultur und dem Konformismus zu kommen und mit Ideen, Innovationen und unkonventionelle Lösungsansätze in herausfordernden Zeiten überhäuft zu werden.

Grundsätzlich freut es mich, dass das Thema immer häufiger in der Öffentlichkeit Platz findet.

Interessant und spannend finde ich bei den Rufen nach und die Diskussionen über Generalist:innen, dass die Menschen hinter den Bezeichnungen wenig bis gar nicht thematisiert werden.

• Wer sind die Menschen, die diese o.g. genannten Future- und SoftSkills mitbringen?
• Wer sind die Generalist:innen?

Für die Antworten nehme ich euch in eine Art „Parallel-Universum“ mit. Dem der Hochsensitivität und Scanner-Persönlichkeiten, besser bekannt als Vielbegabung.

Seit fast 7 Jahren widme ich mich diesen Themen, auch weil es mich persönlich betrifft und wenn ich auf die Persönlichkeitsmerkmale, Begabungen und Fähigkeiten hochsensitiver und vielbegabter Menschen schaue, dann finde ich eine extrem große Übereinstimmung mit den bereits beschriebenen FutureSkills. Ich wiederhole mich gerne, auch, damit eine größere Öffentlichkeit davon Notiz nimmt, und führe sie noch einmal in Auszügen auf:

• Ausgeprägte Neugierde und Kreativität verbunden mit hoher Begeisterungsfähigkeit und sehr vielfältigen Interessen.
• Ausgeprägtes intuitives Denken | ausgeprägte kognitive Fähigkeiten, häufig verbunden mit der Fähigkeit zu lateralem und multiperspektivischem Denken.
• Schnelles Erkennen und Analysieren von Situationen, Stimmungen und Zusammenhängen.
• Ausgeprägte Intuition, Empathie und emotionale Intelligenz.
• Psychosoziale Feinwahrnehmung - Intensives, vielschichtiges und gleichzeitiges Empfinden, Erleben und Wahrnehmen von Situationen bei hoher Verarbeitungs- und Verknüpfungsdichte, was unter Umständen neue Wahrnehmungsbereiche, ungewöhnliche Zusammenhänge oder Sichtweisen erschließen kann und schnellere Lösungsfindungen ermöglicht.
• Hohe Eigenverantwortung, Wunsch nach Unabhängigkeit, Gewissenhaftigkeit, Verantwortungsbewusstsein, welches mit dem Wunsch nach eigenen Aufgabenfelder beim Arbeiten einhergeht.
• Sehr ausgeprägtes Langzeitgedächtnis.
• Ausgeprägter Gerechtigkeitssinn, starke Werteorientierung.
• Unkonventionelle Problemlösungen.
• …

Der „Matching-Level“ von Generalisten vs. hochsensitive / vielbegabte Menschen ist meines Erachtens sehr hoch. Dennoch werden Hochsensitivität, Vielbegabung bzw. Scanner-Persönlichkeiten im Kontext Generalisten seitens der Manager und Experten selten bis gar nicht erwähnt. Woran liegt das?

Zum einen liegt die Vermutung nahe, dass sich Hochsensitivität und Vielbegabung als vermeintlich unwissenschaftliches und „weiches“ Thema nicht verkaufen lässt. Es besteht immer noch eine Skepsis gegenüber Begabungen und Fähigkeiten, die nicht mit Zertifikaten und Ausbildungen nachweisbar bzw. nicht mit Zahlen, Daten und Fakten belegbar, geschweige denn skalierbar sind.

Zum anderen werden häufig negative Persönlichkeitsmerkmale der hochsensitiven und vielbegabten Menschen lanciert. Sie gelten als sprunghaft, unausgeglichen, unfokussiert, entscheidungsunfreudig, unruhig, suchend, ungeduldig, anstrengend, unbequem und vieles mehr. Zudem erlauben sie sich, Autoritäten, Hierarchien, Standards, Normen und Konformismus zu hinterfragen und die Finger in die Unternehmenswunden zu legen, wenn ihnen etwas nicht stimmig oder sinnvoll erscheint.

Das mag abschrecken, doch wer Generalisten haben möchte, kommt an den hochsensitiven und vielbegabten Menschen nicht vorbei. Entweder ganz, mit vielen Vorteilen und wenigen kleinen Abstrichen, oder gar nicht.

Das Paradoxe an der Geschichte ist, dass rein statistisch, sich in jedem Unternehmen hochsensitive und vielbegabte Menschen befinden und damit ebenso die ersehnten FutureSkills. Bei einer Unternehmensgröße von 100 Personen sind dies ca. 10 bis 15 hochsensitive und ca. 2 bis 3 vielbegabte Menschen*. Doch anstatt sie aus den genannten Gründen zu hofieren, werden oft als zu introvertiert, als Störenfriede oder gar Verrückte oder Spinner wahrgenommen.

* Es wird laut unterschiedlichen wissenschaftlichen Studien davon ausgegangen, dass 10 % bis 20 % der Bevölkerung hochsensitiv und 2 % bis 4% vielbegabt ist.

Wie sollen sich Unternehmen und deren Manager:innen diesem Thema nun am sinnvollsten nähern?

Mein Tipps:

• Achtet bei der Suche nach Menschen mit den gewünschten FutureSkills auf die Bezeichnung. Um die „richtigen“ Bewerber:innen anzusprechen eignet sich aus meiner Sicht die Bezeichnung Generalist:in / Scanner-Persönlichkeit oder Generalist:in / Vielbegabte (im weiteren Verlauf kurz G/SP/V genannt). Dadurch erhöhen sich die Chancen bereits deutlich.
• Statt per Stellenanzeige im außen zu suchen, sollte zu erst im innern geschaut werden, wer sich für die Aufgaben als G/SP/V eignet.
• Sollte sich wider erwartend intern niemand für die Rolle der/des G/SP/V interessieren (kann ich mir nicht vorstellen) oder geeignet sein (auch nicht), dann solltet ihr mit einer speziellen Stellenausschreibung rausgehen. Hier ist darauf zu achten, dass diese so offen wie möglich gestaltet wird. Dies gilt für die Bezeichnung (s.o.) und Rollenbeschreibung.

• In beiden Fällen, ob nun intern oder extern, ist es unabdingbar, die richtigen Rahmenbedingungen dauerhaft zur Verfügung zu stellen. Generalist:innen benötigen 

•  Freiräume: Zeitlich, räumlich und inhaltlich.

•  Abwechselung: Routineaufgaben langweilen sie schnell.

• Wird die externe Suche nur halbherzig angegangen, und wie häufig in anderen Bereichen schon erlebt, als HumanGreenWashing betrachtet, dann wird das nichts. Hochsensitive und vielbegabte Bewerber:innen merken sehr schnell, ob sie wirklich erwünscht sind. Ich sag nur: Ghosting. Das liegt nunmal an ihren Persönlichkeitsmerkmalen.

• Ungeachtet, ob es in eurem Unternehmen ein sogenanntes Talent Management gibt – Zwischenanmerkung: Talente lassen sich nicht managen – lasst euch zum Thema Scanner-Persönlichkeiten und Vielbegabten von externen Expert:innen beraten und unterstützen. Das ist allemal günstiger, als eine Stelle lange unbesetzt zu lassen.

Auch wenn es anfangs unbequem oder gar schmerzhaft ist, sich mit dem Thema auseinander zu setzen. Es lohnt sich in vielerlei Hinsicht und bringt Vielfalt in euer Unternehmen.

Ganz nach Loriot: „Ein Unternehmen ohne Scanner-Persönlichkeiten / Vielbegabte ist möglich, aber sinnlos (und nicht zukunftsfähig.)“ und dem von mir gern zitierten Klassiker von George Bernhard Shaw: „Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute; seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben.“ wünsche ich euch viel Spaß mit den Generalist:innen, Scanner-Persönlichkeiten und Vielbegabten.

Ich freue mich auf euer Feedback.

Über mich

Seit 2015 widme ich mich intensiv den Themen Hochsensitivität und Vielbegabung, welche meinen heutigen Berufsmittelpunkt bilden. Als Potentialgefährte begleite ich hochsensitive und vielbegabte Menschen und entdecke mit ihnen ihre Talente und Potentiale. Als Organisations-Counselor auf Zeit bringe ich Unternehmen mit gleichnamigen Konzept das Thema Hochsensitivität und Vielbegabung näher. Ich bin zudem Speaker, Buch-Co-Autor, Freigeist, Musterbrecher, Non-Konformist, Brückenbauer, Unternehmens-Seismograph und selbstverständlich vieles mehr.

Sollten wir hier noch nich vernetzt sein, freue ich mich, wenn Sie mir eine Kontaktanfrage senden oder mir als XING Insider folgen: https://www.xing.com/profile/TorstenRoman_Jacke/cv