„Sorry, bin total im Stress“: Wie verändert uns permanente Belastung?

Überstunden ohne Ende, Ärger mit dem Partner und kranke Kinder daheim: Stress bestimmt den Alltag vieler. Doch während manche Menschen unter ihm leiden, kommen andere ohne Druck gar nicht aus.

Als Coach erhöhe ich den Druck? Nicht zwangsläufig!

Tina Schütze
  • Coaches wie ich haben die Aufgabe, Arbeitnehmer zu entspannen
  • Ihnen wird jedoch auch unterstellt, den Leistungsdruck zu steigern
  • Was der Mitarbeiter aus dem Training macht, bestimmt er selbst

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Der Druck in unserem Alltag ist omnipräsent – im Privatleben genauso wie im Beruf. Wir leben schnell, laut und unbewusst. Viele Menschen sind mit ihren Kräften am Ende, sind gestresst und sehnen sich nach Auszeiten. Nicht nur von ihrem Job, meist auch von ihrem Leben und bekommen dann von Coaches wie mir gesagt, wie und womit sie sich entspannen können. Ein Freund von mir meinte neulich: „Du willst den Menschen helfen? Du erhöhst doch nur den Druck auf die Angestellten und hilfst den Ausbeutern, noch mehr Arbeitskraft aus den Menschen herauszuquetschen.“

Wir haben verlernt, auf unseren Körper zu hören

Ist das so? Sind Achtsamkeitstrainer und Gesundheitscoaches keine wirkliche Hilfe? Das muss ich verneinen. Selbst wenn es den unterschwelligen Wunsch gäbe, die Angestellten durch Coachings zu optimieren, so liegt es doch im Ermessen jedes Einzelnen, was er oder sie daraus macht. Denn diese Methoden schenken den Menschen etwas ganz Wichtiges: das Sich-selbst-bewusst-Sein. Etwas, das wir leider verlernt haben. Es ist höchste Zeit, dass Unternehmen sich für ihre Mitarbeiter und deren Gesundheit einsetzen – und zwar als Wertschätzung für das Wissen und die Lebenszeit jedes einzelnen „Mit-Arbeiters“. Schließlich arbeitet er oder sie mit. Bringt sich ein. Hilft, das Unternehmen voranzubringen. Zum Höchsten und Besten.

Zehn Minuten in Stille mit sich selbst zu sein, den Körper bewusst wahrzunehmen, von Kopf bis Fuß, hält kaum noch jemand aus. Geschweige denn simple Zeichen des Körpers wie Müdigkeit, verspannte Muskeln oder schmerzende Gelenke zu verstehen und heilsam darauf zu reagieren. Wir leben schnell und ungesund und vor allem unbewusst. Außerhalb unseres Körpers, weit weg von unserem Lebensweg.

Jeder muss für sich eruieren: Optimiere ich noch oder lebe ich schon?

Das hört keiner gern, auch nicht als lieb gemeinten Rat. Und doch ahnen es viele: Irgendetwas stimmt so nicht. Sie sind von Suchenden zu Süchtigen geworden. Weil sie nicht wissen, wozu sie hier sind. Dann kann es hilfreich sein, wenn jemand kommt und das glasklar formuliert. Wenn jemand zeigt, wie der Weg aus dieser Spirale herausführen kann. Und wohin. Doch das braucht seine Zeit. Und genau da liegen für viele meiner Klienten der Druck und die Chance zugleich. Denn genau hier beginnt das Learning: Optimiere ich noch oder lebe ich schon? Genieße ich die Meditation als Weg zurück in meine Mitte oder hake ich diese Übungen ab wie all die anderen Punkte auf meiner To-do-Liste? Ziehe ich „es“ durch oder gehe ich meinen Weg freudvoll und bewusst? Für mich selbst oder für wen? Wozu?

Das ist alles andere als einfach. Das ist sogar sehr komplex, weil unser Leben nun einmal sehr komplex ist. Und genau deswegen ist es wichtig, den Menschen Methoden an die Hand zu geben, ihnen ein Gefühl dafür zu geben: „Du musst gar nichts. Nichts! Aber du darfst so vieles! Und es liegt in deiner Verantwortung. Niemand anders wird diesen Weg für dich gehen. Und das kannst du jetzt als Druck und Stress und voll gemein empfinden oder als großes Abenteuer, was auf dich wartet. Denn niemals gab es einen Menschen wie dich, und nie wieder wird es einen Menschen wie dich geben. Was du daraus machst, entscheidest du. Nur du allein.“

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Tina Schütze
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Tina Schütze

Fitness- und Gesundheitscoach

Tina Schütze ist Fitness- und Gesundheitscoach sowie Autorin. Ihre ersten Schritte ins Berufsleben führten sie zum Fernsehen. Schon immer trieb sie jedoch die Frage nach dem Sinn des eigenen Lebens um. Als sie Mutter wurde, fasste sie den Mut, einen neuen Weg zu gehen. Sie machte ihre Leidenschaft zum Sport zu ihrer Profession und wurde zunächst Personal Trainerin. In Trainings, Workshops, auf Veranstaltungen und in Büchern teilt sie ihr Wissen über einen achtsamen Umgang mit dem Körper mit Interessierten.

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