Was sind die großen Aufgaben für die neue Bundesregierung?

Die Große Koalition hat nach langen Verhandlungen ihre Arbeit aufgenommen. Was bedeuten ihre Pläne für unser Gesundheitssystem, für Pfleger, für Eltern oder für Menschen mit Behinderungen?

Behindertenpolitik: gute Maßnahmen, aber wenig Konkretes

Raul Krauthausen
  • Der Koalitionsvertrag beendet endlich eine lange kritisierte Diskriminierung
  • Positiv sind Entscheidungen zum Kindergeld und für den Arbeitsmarkt
  • Weniger klar ist die Koalition bei der Bildung und der Barrierefreiheit

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Die neue Regierung hat viele Maßnahmen für Menschen mit Behinderungen angekündigt. Tatsächlich steht im Koalitionsvertrag viel Gutes. An einigen Stellen sind die Parteien aber deutlich zu wenig konkret geworden – oder haben wichtige Themen schlicht ausgeklammert.

Zunächst einmal: endlich! Eine auch von mir oft kritisierte Regelung im deutschen Wahlrecht soll abgeschafft werden: Menschen, die sich durch eine Vollbetreuung unterstützen lassen, vom Wahlrecht auszuschließen. Im Koalitionsvertrag steht sehr konkret, dass die neue Bundesregierung dem Bundestag eine entsprechende Wahlrechtsänderung vorschlagen will. Gut so!

Das Kindergeld soll um 25 Euro erhöht werden. Das ist höchst relevant für Kinder mit Behinderungen, insbesondere sogenannten „psychischen Auffälligkeiten“. Denn das erhöhte Kindergeld wird auch solchen Eltern zustehen, deren behindertes Kind älter als 25 Jahre ist und außerstande, sich selbst zu unterhalten.

Ein neues Budget für inklusive Berufsausbildung

Weniger klar ist der Koalitionsvertrag beim Thema Bildung. Es heißt dort: „In der Bildungsforschung soll die inklusive Bildung entlang der gesamten Bildungsbiographie zu einem Schwerpunkt gemacht werden.“ Zudem ist vom „Abbau von Bildungsbarrieren“ die Rede. Konkreteres gibt das Papier jedoch leider nicht her. Was genau die Ankündigungen am Ende bedeuten und bewirken werden, lässt sich deshalb nicht sagen.

Positiv ist, dass die Parteien angekündigt haben, bei der Berufsausbildung für Menschen mit Behinderungen neue Wege zu beschreiten. Sie wollen die Einführung eines Budgets speziell für die berufliche Ausbildung prüfen. Bisher gibt es zwar ein Budget für inklusive Arbeit, aber noch keines speziell für die Ausbildung.

Konsequent barrierefrei geht anders

Auch auf dem Arbeitsmarkt ist die Große Koalition auf einem guten Weg. Sie hat angekündigt, zusammen mit der Arbeitsagentur bessere Angebote für Menschen mit Behinderungen zu entwickeln und vor allem im öffentlichen Dienst darauf zu achten, dass diese angemessen repräsentiert sind. Besonders freut mich die Ankündigung, dass die unabhängige Teilhabeberatung weiterfinanziert werden soll – wahrscheinlich sogar über die aktuelle Legislaturperiode hinaus.

Bei der Barrierefreiheit kann jedoch leider gar nicht von einem Fortschritt gesprochen werden. Es ist von einem Prüfauftrag für die Privatwirtschaft die Rede. Wer „Dienstleistungen für die Allgemeinheit“ erbringt, solle „angemessene Vorkehrungen“ umsetzen. Das ist leider überhaupt nicht konkret und nur ein sehr begrenzter Arbeitsauftrag. Im Bereich Kultur und Film wird der Vertrag ebenfalls nur sehr vage. Die Koalition will „darauf hinwirken, dass die Produzenten der Medien ihren Verpflichtungen nachkommen, zugängliche und barrierefreie Angebote […] anzubieten.“ Eine sehr schwache Formulierung.

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Raul Krauthausen
© Esra Rotthoff
Raul Krauthausen

Aktivist und Gründer, Sozialhelden e.V.

for Inklusion, Barrierefreiheit

Raul Krauthausen arbeitet seit über 10 Jahren in der Internet- und Medienwelt. Seit 2011 konzentriert er sich voll auf die Arbeit bei dem von ihm gegründeten Verein Sozialhelden. Neben klassischem Projektmanagement vertritt er die Sozialhelden nach Außen. Auf Grund seiner Glasknochen ist er auf den Rollstuhl angewiesen. 2013 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. 2014 veröffentlichte er seine Biographie „Dachdecker wollte ich eh nicht werden – Das Leben aus der Rollstuhlperspektive“.

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