Es ist ein trügerisches Bild: Nachdem Börsencrash und Schock-Abwertung des Renminbi im vergangenen Jahr sowie schlechte Konjunkturdaten zu Jahresbeginn für Aufregung sorgten – und die Folgen auch hier auf XING Klartext diskutiert wurden –, ist es zuletzt um Chinas Wirtschaft etwas ruhiger geworden. Doch der Eindruck täuscht. Das Risiko eines Konjunktureinbruchs oder von Verwerfungen an Chinas Finanzmärkten mit erheblichen Auswirkungen auf Deutschland und die Weltwirtschaft ist keineswegs gebannt. Im Gegenteil: In den vergangenen Monaten ist das Szenario einer sogenannten harten Landung nochmals wahrscheinlicher geworden.
Zwar hat sich die Konjunktur in den vergangenen Monaten stabilisiert: Einzelhandelsumsätze und Industrieproduktion expandierten zuletzt sogar wieder etwas schneller; der Außenhandel scheint seine Talsohle durchschritten zu haben. Allerdings halten sich private Unternehmen aktuell mit Investitionen merklich zurück. Kompensiert wird dies in erster Linie durch höhere Staatsausgaben. Das bedeutet vor allem: kreditfinanzierte Infrastrukturprojekte, deren ökonomischer Nutzen und Ertrag bezweifelt werden darf.
Machtverluste werden nicht akzeptiert
Chinas Machthaber scheinen manisch fixiert darauf, ihr selbst gestecktes Expansionsziel von 6,5 bis 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts um jeden Preis zu erreichen. Statt Überkapazitäten bei defizitären Staatsunternehmen abzubauen oder dem privaten Unternehmertum mehr Spielräume zu gewähren – beispielsweise durch verbesserte Finanzierungsbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen –, dürfte die aktuelle Wirtschaftspolitik eher die Schwerindustrie und das Baugewerbe stützen. Das verzögert aber nur die notwendige Umschichtung von Ressourcen und wirkt dem von der Regierung angestrebten Strukturwandel hin zu einer innovationsbasierten Industrie- und Dienstleistungsökonomie entgegen. Dabei verfestigt sich der Eindruck, dass die Pekinger Führung die Notwendigkeit dieses Wandels zwar einsieht, gleichzeitig jedoch nicht bereit ist, den mit einer Stärkung der Marktkräfte einhergehenden Machtverlust zu akzeptieren.
Der Internationale Währungsfonds mahnt bereits
Eine weitere Folge dieser stützenden Staatseingriffe ist eine rasant steigende Verschuldung. Die historische Erfahrung legt nahe, dass das nicht gut gehen kann: Liegt die Abweichung der Privatverschuldung gegenüber ihrem langfristigen Trend über der Schwelle von acht Prozent, gilt dies gemeinhin als guter Indikator für drohende Finanz- oder Bankenkrisen. In China beträgt diese Abweichung aktuell laut Berechnungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich knapp 30 Prozent! Auch der Internationale Währungsfonds hat in seinem jüngsten Länderbericht zu China ungewohnt deutliche Worte zu der hohen Verschuldung chinesischer Unternehmen gefunden.
Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass Chinas Wirtschaftspolitiker noch eine Kehrtwende vollziehen und den Anstieg der Verschuldung – zum Preis niedrigeren Wirtschaftswachstums – eindämmen und die notwendigen Strukturreformen anpacken. Zumindest im Moment sieht es danach aber nicht aus. Eine harte Landung ist also längst nicht vom Tisch. Früher, als uns lieb ist, könnte China die Schlagzeilen wieder beherrschen.
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