Was bedeutet Corona für mich als Arbeitnehmer, Manager oder Investor?

Die Verbreitung des Coronavirus besorgt viele Menschen und schafft Unsicherheiten - an den Börsen genauso wie in den Unternehmen. Wie reagiere ich klug und besonnen auf die aktuelle Situation?

Corona – was müssen Arbeitnehmer und Arbeitgeber beachten?

Jens Niehl
  • Schon jetzt sind Hunderte Deutsche von Maßnahmen gegen Corona betroffen
  • Welche Rechte habe ich als ArbeitnehmerIn, wenn ich eine Ansteckung fürchte?
  • Und was müssen Unternehmen im Falle von Infektionen oder Quarantäne beachten?

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Die Behörden in Nordrhein-Westfalen haben mehrere Hundert Menschen in häusliche Quarantäne geschickt, weil sie auf einer Karnevalssitzung im Kreis Heinsberg Kontakt mit mindestens einem Corona-Infizierten hatten. Der Fall wird nicht der einzige in Deutschland bleiben: Menschen können wegen einer (drohenden) Epidemie nicht zur Arbeit gehen – oder sie haben schlicht Angst, sich dort anzustecken. Was bedeutet das für Arbeitnehmer und Arbeitgeber? Können besorgte Beschäftigte vorsorglich einfach zu Hause bleiben und im Homeoffice arbeiten? Zahlt der Arbeitgeber auch, wenn man in Quarantäne muss? Antworten auf die wichtigsten Fragen finden Sie hier:

Darf ich aus Angst vor einer Ansteckung der Arbeit fernbleiben?

Nein, eine „generelle“ Angst vor einer Infektion allein rechtfertigt nicht, dass ein Arbeitnehmer zu Hause bleibt.

Und wenn es einen Verdachtsfall in meinem Unternehmen gibt?

Grundsätzlich dürfte auch ein vager Verdachtsfall nicht ausreichen, um eigenmächtig der Arbeit fernzubleiben. Lediglich in Fällen, bei denen eine Infektion oder mehrere Infektionen im Betrieb bekannt sind, also bei einer konkreten Gefährdung, könnte der Arbeitnehmer gegebenenfalls die Arbeit im Betrieb verweigern und damit ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen. Allerdings auch nur so lange, bis der Arbeitgeber geeignete und erforderliche Schutzmaßnahmen ergriffen hat.

Bei einem Infektionsverdacht dürfte der Arbeitgeber den konkret betroffenen Beschäftigten nicht im Betrieb weiterarbeiten lassen. Der Arbeitgeber sollte sich vielmehr mit den für Arbeits- und Gesundheitsschutz zuständigen Stellen in Verbindung setzen und die Maßnahmen zum Schutz des Betroffenen und der übrigen Mitarbeiter abstimmen. Besteht lediglich ein Verdachtsfall, ist es selbstverständlich auch im Interesse des Arbeitgebers, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen und seiner gegenüber den Arbeitnehmern bestehenden Fürsorgepflicht nachzukommen.

Es wäre zudem die Frage zu stellen, woher der Verdacht rührt. Haben beispielsweise Beschäftigte direkten Kontakt zu einer infizierten Person gehabt, würde die zuständige Behörde, dem Muster der bisher beispielsweise im Kreis Heinsberg ergriffenen Maßnahmen folgend, diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter Umständen ohnehin in häusliche Quarantäne schicken.

Kann ich eine Dienstreise nach Asien/Italien/NRW wegen Gesundheitsbedenken ablehnen?

Auch wenn der Arbeitnehmer nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung zu Dienstreisen verpflichtet ist, muss die jeweilige Anweisung einer Reise billigem Ermessen entsprechen. Sofern das Auswärtige Amt Reisewarnungen ausspricht, wird die Weisung regelmäßig nicht mehr billigem Ermessen entsprechen, und der Arbeitnehmer kann die Dienstreise ablehnen.

Generell sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer darüber sprechen, inwieweit Dienstreisen in gesundheitlich kritische Gebiete nicht zu einem anderen Zeitpunkt stattfinden können beziehungsweise ob sie unbedingt nötig sind.

Kann ich mein Unternehmen irgendwie zwingen, vor dem Großraumbüro Kontrollen einzuführen?

Nein, ein solcher Anspruch dürfte nicht bestehen. Arbeitgeber sind allerdings verpflichtet, die Arbeitnehmer vor Gefahren für Leben und Gesundheit so weit zu schützen (§ 618 BGB) und entsprechende geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Dazu zählt aber nicht die Anordnung von Kontrollen. Der Arbeitgeber hat gar nicht das Recht, seine Beschäftigten zu untersuchen. Hier ist vielmehr an eine Aufklärung der Mitarbeiter über Schutzmaßnahmen und an die Bereitstellung entsprechender Desinfektionsmittel zu denken.

Habe ich zumindest Anspruch auf Homeoffice?

Ein genereller Anspruch auf Arbeiten im Homeoffice besteht nicht. Abgesehen davon eignen sich viele Tätigkeiten nicht für ein Homeoffice.

Werden Arbeitnehmer beispielsweise durch behördliche Anordnungen gehindert, zur Arbeit zu gehen, ist es sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer ratsam, darauf flexibel zu reagieren. Wenn möglich, ist die Arbeit im Homeoffice sicher eine sinnvolle Sache.

Wenn mein Unternehmen wegen Corona kurzzeitig schließen muss, weil beispielsweise Teile nicht geliefert werden, habe ich dann Anspruch auf Vergütung?

Der Anspruch auf die Vergütung bleibt bestehen. Das sogenannte Betriebsrisiko muss grundsätzlich der Arbeitgeber tragen. Denkbar ist allerdings, dass sich aus einem Tarifvertrag etwas anderes ergibt. Durch den Arbeitsvertrag kann das Betriebsrisiko jedenfalls nicht auf den Arbeitnehmer übertragen werden.

Wenn ich in Quarantäne müsste – bekäme ich dann weiterhin Geld vom Arbeitgeber?

Ist der Arbeitnehmer selbst erkrankt, besteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz für sechs Wochen. Voraussetzung ist zudem, dass das Arbeitsverhältnis schon länger als vier Wochen besteht. Nach den sechs Wochen besteht der Anspruch auf Krankengeld.

Das Infektionsschutzgesetz (IfSG – Gesetze zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen) gibt dem Staat die Möglichkeit, Menschen unabhängig von dem Vorliegen von Krankheitssymptomen unter Quarantäne zu stellen und beispielsweise anzuordnen, dass diese zu Hause bleiben müssen. In einem solchen Fall muss entweder der Arbeitgeber nach § 616 BGB bei einem zeitlich kurzen Ausfall die Vergütung weiterzahlen. Von § 616 BGB können aber abweichende Regelungen in Tarifverträgen oder auch zwischen den Arbeitsvertragsparteien getroffen werden.

So wird beispielsweise in einigen Tarifverträgen oder Arbeitsverträgen geregelt, in welchen Fällen ein Arbeitnehmer wie viele Tage genau weiterbezahlt wird, weil im Zusammenhang mit ihm persönlich ein unverschuldetes Leistungshindernis besteht, und dass in allen nicht geregelten Fällen keine Verpflichtung des Arbeitgebers besteht. In der Praxis finden sich allerdings selten spezielle Regeln zur Konkretisierung der Arbeitgeberverpflichtung im Zusammenhang mit Seuchen, Pandemien, Quarantäne et cetera. Lange Zeit wurde sogar davon ausgegangen, dass ein vollständiger Ausschluss des Anspruches nach § 616 BGB rechtlich zulässig ist. Ob dies nach inzwischen geänderter Gesetzeslage noch möglich ist, wurde noch nicht höchstrichterlich entschieden.

Wenn der Arbeitgeber nicht zur Fortzahlung der Vergütung verpflichtet ist, besteht allerdings ein Entschädigungsanspruch gemäß § 56 IfSG. In der Praxis wird vermutlich die Mehrheit der Fälle über diesen Entschädigungsanspruch geregelt werden. Danach wird für die ersten sechs Wochen der Quarantäne der Vierdienstausfall (Nettoarbeitsentgelt) weitergezahlt. Dieses zahlt der Arbeitgeber aus, der wiederum eine Erstattung beantragen kann.

Der Antrag ist gemäß § 56 Abs. 11 IfSG innerhalb von drei Monaten nach „Einstellung der verbotenen Tätigkeit oder dem Ende der Absonderung“ bei der zuständigen Behörde zu stellen. Welche Behörde zuständig ist, hängt von dem Bundesland ab. Der Arbeitgeber kann sich einen Vorschuss gewähren lassen.

Auch Selbstständige haben Anspruch auf Entschädigung nach diesem Gesetz.

Wenn mein Kind in Quarantäne müsste – bekäme ich dann weiterhin Geld vom Arbeitgeber?

Sofern sich keine andere Person um das Kind kümmern kann, kommt ein Anspruch nach § 616 BGB auf Fortzahlung der Vergütung in Betracht. Voraussetzung ist danach, dass es sich um einen kurzfristigen Ausfall handelt. Zudem muss beachtet werden, was Arbeitgeber und Arbeitnehmer genau vereinbart haben. Die Arbeitsvertragsparteien können von § 616 BGB abweichende Regeln treffen.

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Jens Niehl
© Jens Niehl
Jens Niehl

Fachanwalt für Arbeitsrecht, Ebl Esch & Kramer Rechtsanwälte

Der Jurist (Jg. 1970) ist seit 2003 als Rechtsanwalt und seit 2018 in der Sozietät Ebl Esch & Kramer tätig. Jens Niehl berät seit vielen Jahren in allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Zudem ist er Referent für arbeitsrechtliche Fortbildungen und informiert in unterschiedlichsten Medien.

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