Seit zwölf Jahren bin ich freiberuflich tätig, hauptsächlich im Bereich Corporate Publishing. Seit der Geburt meiner Kinder arbeite ich in Teilzeit im Homeoffice. Als „feste Freie“ für Marketingabteilungen und -agenturen erhalte ich meine Aufträge per E-Mail; eine Präsenz beim Auftraggeber vor Ort ist in der Regel nur wenige Male im Jahr nötig, zum Beispiel wenn ein neues Projekt beginnt. Für einen meiner Auftraggeber, ein Business-Center-Netzwerk, schreibe ich regelmäßig über die Vor- und Nachteile des Homeoffice, daher kenne ich inzwischen wohl alle Argumente dafür und dagegen – von der zeitlichen Flexibilität bis hin zum verringerten CO2-Ausstoß, von der Isolierung von Teamkollegen bis hin zur (empfundenen) fehlenden Professionalität.
Für mich persönlich ist es ein Segen, im Homeoffice arbeiten zu können. Ist zum Beispiel eines meiner Kinder krank, kann ich meine Arbeitszeit flexibel gestalten und meinen Auftrag notfalls am Abend fertigstellen, wenn die Kinder schlafen. Manchmal erlebe ich auch, dass ich morgens eine Schreibblockade habe, mir am Abend aber die zündende Idee kommt. Dann kann ich mich ins Büro setzen und oft ungestörter arbeiten als morgens, wenn das Telefon eben doch mal klingelt oder der Postbote vor der Tür steht.
Kaffeepausen werden sinnvoll genutzt
Im Vergleich zu meiner früheren Büroanstellung spare ich mehr als eine Stunde Fahrtzeit am Tag ein; das sind immerhin 20 Prozent meiner Arbeitszeit – und somit potenziell 20 Prozent mehr Einkommen. Und natürlich erfülle ich das Klischee des Heimarbeiters und stelle zwischendurch eine Maschine Wäsche an oder räume, während andere in die Kaffeepause gehen, die Spülmaschine aus.
Doch jede Medaille hat zwei Seiten: Auch meine Auftraggeber wissen um die Flexibilität des Homeoffice. Es ist schon vorgekommen, dass ich abends um zehn oder im Urlaub morgens um sieben angerufen wurde, ob ich „nur mal ganz kurz“ an den Rechner gehen und einen dringenden Text Korrektur lesen könne. Hier kommt der Druck nicht nur vom Auftraggeber, sondern auch von mir selbst: Kein Auftrag, kein Geld – und sagt man zu oft Nein, findet sich ein anderer, dem es nichts ausmacht, permanent erreichbar zu sein. Stünde mein PC eine halbe Stunde entfernt im Büro, bestünde dieses Dilemma natürlich nicht.
Selbstdisziplin ist Grundvoraussetzung
Auch auf privater Seite kommt es gelegentlich zu Grenzüberschreitungen. Manch einer reagiert mit Unverständnis, wenn ich einen Termin am Morgen nicht wahrnehmen kann oder für den unerwarteten Besuch keine Zeit habe, weil eine Abgabefrist naht. Besonders bei der älteren Generation herrscht oft noch die Vorstellung, es sei keine „richtige Arbeit“, wenn man von zu Hause arbeitet. Meiner Erfahrung nach verstehen nur die, die selbst regelmäßig von zu Hause arbeiten, wie viel Selbstdisziplin das Homeoffice erfordert. Die Trennung von Privat- und Berufsleben ist eine kontinuierliche Herausforderung, bei der ich noch immer dazulerne. Doch die Freiheiten, die sich dadurch für meine Familie und mich ergeben, sind die Mühe wert.
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