Als Sozialarbeiterin arbeite ich seit 25 Jahren in der Beratung und Betreuung von Prostituierten. Jeden Tag habe ich es mit jungen Frauen zu tun, die schwer unter der Prostitution leiden, die verzweifelt sind und aussteigen möchten, aber es einfach nicht schaffen. Denn sie sind in Abhängigkeiten von Zuhältern, BordellbetreiberInnen oder Familienmitgliedern verstrickt, die Kapital aus ihrer Prostitution schlagen.
Etwa 90 Prozent der Frauen kommen aus dem Ausland, oft aus ethnischen Minderheiten. Diese Frauen sprechen kaum Deutsch, der Anteil der Analphabetinnen ist hoch, und manche von ihnen wissen noch nicht einmal, in welche Stadt sie gerade verfrachtet wurden.
Zu viel bleibt ungeregelt
Meine Hoffnung, dass sich mit der Novellierung des Prostitutionsgesetzes an diesen Zuständen Wesentliches zum Besseren verändern könnte, hat sich zerschlagen. Der Druck und die Marketingstrategien der millionenschweren Prostitutionslobby haben dazu geführt, dass in Deutschland die sexuelle Benutzung von (vor allem) Frauen durch (fast ausschließlich) Männer weiterhin staatlich geschützt bleibt.
Was alles nicht in dem neuen Gesetz stehen wird: Das Schutzalter der Prostituierten ist nicht auf 21 Jahre erhöht, obwohl gerade die 18- bis 21-Jährigen besonders häufig Opfer von Menschenhandel werden. Es gibt keine Anmeldepflicht an jedem Ort, an dem die Frauen der Prostitution nachgehen. Das bedeutet, dass die Zuhälter und Profiteure der Prostitution weiterhin die Frauen von Ort zu Ort verschieben können, ohne dass irgendjemand weiß, wo sich die Frau gerade aufhält. Es wird keine Nachweispflicht einer Krankenversicherung geben. Das bedeutet, die allermeisten Frauen werden weiterhin in der Prostitution arbeiten müssen, besonders häufig krank werden, sich aber nicht behandeln lassen können, weil sie dafür kein Geld haben.
Frauen werden weiterhin brutal vermarktet
Was weiterhin im Gesetz steht: BetreiberInnen behalten ein Weisungsrecht. Sie dürfen also weiterhin Selbstständigen – denn als solche gelten Prostituierte – vorschreiben, wie sie sich anzuziehen beziehungsweise nicht anzuziehen haben und wie lange sie sich für die Freier verfügbar halten müssen. Dieses Weisungsrecht spielt den Ausbeutern direkt in die Hände. Um Menschenhandel wirksam bekämpfen zu können, hätte das als Allererstes abgeschafft werden müssen.
Auch Begriffe und Tatbestände wie „Ausbeutung“ und „Zwang“ bleiben weiterhin juristisch unklar und erschweren damit die Umsetzung der gesetzgeberischen Regelungen in der Praxis. Und es wird selbst weiterhin nicht rigoros ausgeschlossen sein, dass Frauen, die nicht in der Lage sind, mit dem Freier Art und Umfang der sogenannten sexuellen Dienstleistung zu verhandeln, in der Prostitutionsindustrie brutal vermarktet werden.
Nicht viel, aber ein Anfang
Immerhin bringt das geplante Prostituiertenschutzgesetz trotzdem kleine Verbesserungen: Die Kondompflicht für Freier soll Prostituierte vor Krankheiten wie Aids schützen. Verstöße können mit Bußgeldern zwischen 5 und 50.000 Euro sanktioniert werden, je nach Schwere des Verstoßes und der Einkommensverhältnisse. Und es kommt eine Anmeldepflicht, die wenigstens für die unter 21-Jährigen eine Beratung zweimal im Jahr und für Ältere alle zwei Jahre vorschreibt.
Die Betreiber und Betreiberinnen müssen bei den Behörden künftig eine Erlaubnis für Bordelle oder andere Prostitutionsgewerbe beantragen. Sie müssen ein Betriebskonzept vorlegen und sich einer Zuverlässigkeitsprüfung unterziehen. Menschenunwürdige oder ausbeuterische Formen wie Flatrate-Modelle können zukünftig unterbunden werden.
Deutschland hinkt hinterher
Die rot-grüne Regierung hat mit der umfassenden Liberalisierung der Prostitution seit 2002 einen wahren Sklavinnenmarkt mitten in unserer Gesellschaft ermöglicht. Die geplante Reform kann den Schaden nur leicht begrenzen, aber nicht aufheben. Immer mehr unserer Nachbarländer wie Schweden, Norwegen, Island, Nordirland und Frankreich gehen da einen anderen, einen konsequenten Weg: Mit der Freier-Bestrafung zeigen sie dem menschenunwürdigen System Prostitution die Rote Karte und arbeiten an einer Gesellschaft, in der Menschen nicht mehr zur Ware gemacht werden. Davon ist Deutschland noch weit entfernt.
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