Schweizer Stellenmeldepflicht: Bürokratiemonster oder wirksame Reform?

Ab 1. Juli müssen Schweizer Arbeitgeber offene Stellen bei den Arbeitsvermittlungszentren melden, bevor sie diese ausschreiben. Dieser „Inländervorrang light“ soll die Zuwanderung bremsen.

Die Stelle sollte nicht der bekommen, der sich zuerst meldet

Matthias Mäder
  • Der Faktor Zeit spielt bei der Rekrutierung eine wichtige Rolle
  • Wir brauchen eine aktualisierte Liste der meldepflichtigen Stellen
  • Die Arbeitsvermittlungszentren stehen vor einer grossen Herausforderung

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Ab dem 1. Juli 2018 wird es ernst: Die Schweiz führt die Stellenmeldepflicht ein. Für uns als Anbieter einer Rekrutierungsplattform hat sich schon früh abgezeichnet, dass uns diese Verordnung beschäftigen wird. Allerdings war es nicht einfach, an relevante Informationen zu kommen. Vieles war lange unklar, unter anderem wie die Verordnung umgesetzt und interpretiert werden muss. Dass hier die Politik am Werk war, zeigt sich in den vielen Teilen der Verordnung, die nicht auf die heutigen Prozesse und Gegebenheiten in der Rekrutierung ausgelegt sind.

Heute geht es nicht nur darum, einen Kandidaten mit den richtigen Skills und passender Erfahrung zu rekrutieren, sondern auch eine Persönlichkeit, die zu der Unternehmenskultur und den Werten passt. Die Praxis zeigt: Nicht unbedingt der Erste, der sich meldet, bekommt auch die Stelle.

Veraltete Berufsbezeichnungen erschweren die schnelle Suche

Ein weiteres Problem sind die Berufsbezeichnungen auf der Liste der meldepflichtigen Berufsgattungen des Seco (Staatssekretariat für Wirtschaft). Sie sind oftmals veraltet. Insbesondere bei den Marketingstellen werden die Titel fast inflationär neu geschaffen. Hier wird es schwierig, diese den jeweiligen Berufstypen zuzuordnen.

Oder wie geht man mit einer Vakanz zum Beispiel für Growth-Hacker oder SEO-Manager um? Beide gehören von der Tätigkeit her in das Marketing. Aber um geeignete Kandidaten zu finden, braucht es hier besonders grosse Anstrengungen und viel Zeit. Denn es gibt nur wenige, die ausreichend Erfahrung in diesem Bereich mitbringen. Hier spielt der Faktor Zeit eine wichtige Rolle, und es hilft, wenn ich als Unternehmen die Stelle möglichst schnell und breit ausschreiben kann. Aus diesem Grund hoffen wir, dass das Seco auf Ende 2019 eine aktualisierte Liste präsentiert. Zudem sind auch die Berufsverbände gefordert, die beim Erstellen der Berufsbezeichnungen eine aktive Rolle einnehmen müssen.

Arbeitsvermittlungszentren stehen vor einem Ressourcenproblem

Aber auch die Berater der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) stehen vor einer grossen Herausforderung, müssen sie doch innerhalb sehr kurzer Zeit auf die eingereichten Stellen geeignete Bewerber vorschlagen. Dies ist ohne ein leistungsfähiges digitales Matchingtool fast unmöglich. Die Berater bekommen nicht nur von den Unternehmen die Vakanzen gemeldet, sondern auch von unzähligen Personalvermittlern, die sich ebenfalls um solche Stellen kümmern. Dies wird eine Flut von Stellenmeldungen verursachen, welche bei den RAV-Mitarbeitenden eingehen werden.

Ich hoffe, die Arbeitsvermittlungszentren haben genügend Ressourcen vorgesehen, damit sie die gewünschte Qualität, die die Unternehmen erwarten, auch erbringen können. Insbesondere bei der Übermittlung der Dossiers: Unternehmen können wählen, wie ihnen diese von den RAV-Beratern weitergeleitet werden sollen. Unbedingt zu vermeiden ist, dass die Dossiers mehrfach an diverse Stellen gesendet und dann schliesslich nicht mehr beachtet werden. Dies würde den Sinn der Sache, Stellensuchende schneller wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren, nicht erfüllen.


_Diskutieren Sie mit: Ist die Stellenmeldepflicht eine wirksame Reform, um arbeitslose Schweizer schneller in den Arbeitsmarkt zu bringen oder ein Bürokratiemonster, das die Probleme nicht löst?_

Veröffentlicht:

Matthias Mäder
© Prospective Media Services PMS AG
Matthias Mäder

Geschäftsleiter, Prospective Media

Matthias Mäder ist Geschäftsleiter der Prospective Media Services PMS AG, Verwaltungsratspräsident der RecruitingHUB AG und darüber hinaus als Referent und Blogger tätig. Die Prospective Media Services PMS AG ist Spezialistin für Stelleninserate, Personalmarketing und E-Recruiting-Solutions.

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