Ist die Sorge gegenüber dem Freihandelsabkommen TTIP berechtigt?

Bei seinem Deutschland-Besuch wirbt US-Präsident Barack Obama für einen schnellen Abschluss des Transatlantischen Freihandelsabkommens (TTIP). Doch viele Bürger bleiben skeptisch.

Diese drei Punkte müssen nachgebessert werden

Mario Ohoven

Präsident, Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW)

Mario Ohoven
  • Wir sind gegen ein teures und noch dazu intransparentes Schiedsverfahren
  • Regulierungsvorhaben müssen mit dem Mittelstand abgesprochen werden
  • Ein internationaler Gerichtshof könnte die Lösung einiger Probleme sein

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Um Missverständnissen vorzubeugen: Der deutsche Mittelstand steht in seiner großen Mehrheit hinter dem Freihandelsabkommen TTIP – allerdings nicht um jeden Preis. Es sind im Wesentlichen drei Punkte, bei denen TTIP aus unserer Sicht dringend nachgebessert werden muss. Das gilt vor allem für das geplante Investor-Staat-Schiedsverfahren (ISDS), durch das Investoren gegen Entscheidungen des Staates klagen dürfen. Grundlegende Bedenken habe ich aber auch bei dem sich gegenseitig ausschließenden Verbraucherschutz sowie beim Regulationsrat, der eigenständig mögliche Regulierungen zwischen der EU und den USA abstimmt.

Schiedsverfahren sind überflüssig und viel zu teuer

Schiedsverfahren schützen Investoren in Ländern, die nur wenig oder gar keine Rechtssicherheit bieten. Davon kann weder in den USA noch in der Europäischen Union die Rede sein. Im Gegenteil: Sie verfügen über die weltweit wohl besten Rechtssysteme und Gesetze zum Schutz von Eigentum. Zudem war ursprünglich bei ISDS keinerlei Revisionsmöglichkeit, kein Berufungsverfahren, vorgesehen. Das ist natürlich nicht tragbar.

Dazu kommt der Kostenfaktor. Ein Schiedsverfahren kostet laut OECD zwischen 5 und 6 Millionen Euro. Ein Konzern kann das mühelos verschmerzen, ein Mittelständler zumeist nicht. Das spiegelt auch die Statistik wider: Nur etwa ein Fünftel der bisherigen Klagen wurden von mittelständischen Unternehmen oder Privatleuten angestrengt. Deshalb sollten erst alle nationalen Instanzen ausgeschöpft werden, bevor ein internationales Schiedsgerichtsverfahren möglich ist.

Beim Verbraucherschutz ist ebenfalls Vorsicht geboten. Das europäische Vorsorge- trifft auf das amerikanische Nachsorgesystem. In Deutschland werden neue Produkte vor der Markteinführung aufwendig geprüft. Das kostet Geld und vor allem Zeit, bis zu zweieinhalb Jahre. Ein amerikanischer Hersteller kann sein neues Produkt sofort auf den Markt bringen und ist damit der europäischen Konkurrenz um Längen voraus. Er muss erst reagieren, wenn tatsächlich ein Schaden entstanden ist.

Die nationalen Parlamente müssen miteinbezogen werden

Und auch beim geplanten Regulationsrat besteht Korrekturbedarf. Diese Institution soll künftige Regulierungsvorhaben in den USA und der EU frühzeitig abstimmen. Sicher ist es sinnvoll, beispielsweise Normungsprozesse bereits im Vorfeld auf ihre Praxistauglichkeit zu prüfen. Dies darf jedoch keinesfalls unter Umgehung der nationalen Parlamente geschehen. Und erst recht nicht, ohne den deutschen und europäischen Mittelstand einzubeziehen.

Wir haben, anfangs als einziger deutscher Wirtschaftsverband, in Brüssel und Berlin auf konkrete Nachbesserungen im Sinne des Mittelstands gedrängt. Das gilt vor allem für die intransparenten Schiedsverfahren. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hat inzwischen Nachbesserungen beim Investorenschutz in Aussicht gestellt: neutrale Schiedsgerichte, transparente Berufungen und Verfahren, Einführung einer Berufungsinstanz. Ihre Vorschläge laufen langfristig auf einen Internationalen Handelsgerichtshof hinaus. Mit diesem Vorschlag könnte der deutsche Mittelstand leben.

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Mario Ohoven
© Philipp Wehrend
Mario Ohoven

Präsident, Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW)

Mario Ohoven (Jg. 1946) ist Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) und des europäischen Mittelstandsdachverbands European Entrepreneurs. Der gelernte Banker gehört dem TTIP-Beirat des Bundeswirtschaftsministers an. In diesem berät er mit 21 anderen Vertretern über die TTIP-Verhandlungen und trägt maßgeblich zur deutschen Positionierung bei.

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