Wenn es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht gäbe, dann müssten wir ihn gerade heute erfinden. Denn angesichts der großen Umbrüche durch die Digitalisierung und den Medienwandel bekommt er eine größere Bedeutung. Warum? Er ist verfassungsrechtlich beauftragt, staatsfern und unabhängig von marktwirtschaftlichen Zwängen der freien Meinungsbildung zu dienen. Ohne der Presse und den privaten Sendern ihren gesellschaftlichen Beitrag absprechen zu wollen, haben wir damit doch eine einzigartige Institution geschaffen, die erheblich zur Stärkung des demokratischen Prozesses der freien Meinungsbildung beiträgt. Dies geschieht nicht nur durch seine Unabhängigkeit, sondern auch die Pflicht, gesellschaftliche und auch Minderheiten- und Nischenthemen aufzugreifen, und nicht zuletzt aufgrund seines gut ausgestatteten Korrespondentennetzes.
Vor diesem Hintergrund wird auch deutlich, warum jeder Haushalt den Rundfunkbeitrag als eine Art Demokratieabgabe zahlt. Gerade durch die solidarische Finanzierung wird die Unabhängigkeit gewährleistet. Indem wir alle ihn finanzieren, ist er nicht abhängig von Regierungen, die je nach Gefälligkeit den Geldhahn auf- oder zudrehen können.
Der Öffentlich-Rechtliche muss sich an der Zukunft orientieren
Zudem kann der öffentlich-rechtliche Rundfunk gerade in Zeiten von Fake News und Hate-Speech mit seiner Verpflichtung auf Vielfalt unter Wahrung hoher journalistischer Standards zur Versachlichung der Debatten beitragen. Umso wichtiger ist es, ihn nicht nur zu erhalten, sondern so zu gestalten, dass er den Anforderungen des Internets gerecht wird. Jetzt müssen dringend die Weichen gestellt werden, damit er auch im 21. Jahrhundert seinen integrativen Auftrag erfüllen und alle Bevölkerungsgruppen erreichen kann.
Das Verbot der Presseähnlichkeit und der Sendungsbezug etwa gehören nicht in einen zukunftsgerichteten Telemedienauftrag. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk darf derzeit keine Inhalte bereitstellen, die der gedruckten Presse ähneln. So wird vermieden, dass beide in Konkurrenz treten und dass die Presse nicht gegen den kostenfreien Rundfunk zurückstecken muss. Dieses Verbot bewirkt aber auch, dass analoge Kategorien in das digitale Zeitalter übertragen werden. Dort passen sie aber nicht hin. Ähnlich sieht es mit der Sieben-Tage-Regelung aus. Viele Angebote aus den Mediatheken verschwinden nach sieben Tagen. Das ist nicht zeitgemäß und lässt die Akzeptanz schwinden. Die öffentlich-rechtlichen Medien müssen online wie offline Öffentlichkeit schaffen – ohne unsachgemäße Hürden.
Das Publikum will mitreden
Im Gegenzug gilt es, Transparenz und Mitbestimmung der Nutzer auszubauen. Beitragszahlerinnen und -zahler wollen heute genauer wissen, was mit ihrem Geld passiert. Wie viel bekommt Thomas Gottschalk für eine Moderation? Was kostet ein „Tatort“? Wie teuer sind die Rechte für die Fußballbundesliga? Die Sender geben sich noch zu wenig Mühe, dem Publikum gegenüber offenzulegen, für was sie wie viel ausgeben. Die Zeiten, in denen es ausreichte, Zuschauerinnen und Zuschauer vor der Mattscheibe zu versammeln, sind vorbei. Ein mündiges Publikum will mitreden, mitbestimmen.
Ein zeitgemäßer Onlineauftrag, mehr Transparenz und nicht zuletzt mehr Möglichkeiten für Mitsprache und Beteiligung – das sind Dinge, die ich von „meinem“ öffentlich-rechtlichen Rundfunk erwarte: In welche Richtung soll sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk im 21. Jahrhundert weiterentwickeln? Was für eine Art von Dialogplattform brauchen wir, um ehrliche und spannende Diskurse voranzubringen? Darüber muss endlich eine gesellschaftliche Debatte geführt werden, und zwar bevor man ARD, ZDF und Deutschlandradio kaputtspart, wie es manchen vorschwebt, die aus der Legitimationskrise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks politisches Kapital schlagen wollen.
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