Erste Fahrverbote für Diesel: Der richtige Weg für saubere Luft?

Hamburg sperrt als erste Stadt in Deutschland Straßen für dreckige Dieselfahrzeuge. Politik und Experten streiten, ob das ausreicht, um die Schadstoffbelastungen wirksam zu verringern.

Fahrverbote sind die einzig wirksame Maßnahme

Jürgen Resch

Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe

Jürgen Resch
  • Seit Aufdeckung des Abgasskandals hat die Verkehrspolitik sich nicht geändert
  • Wir setzen uns auch im Sinne der betroffenen Autofahrer für Nachrüstungen ein
  • Dieselfahrverbote werden kommen, ob in Leipzig oder Luxemburg

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Damit die Luft, die wir atmen, sauber wird und die Grenzwerte eingehalten werden, sind Fahrverbote für schmutzige Diesel unerlässlich. Die Verschmutzung der Luft in unseren Städten mit dem Dieselabgasgift NO2 ist eines der drängendsten Umweltprobleme in Deutschland. Mehr als die Hälfte der verkehrsnahen Messstellen zeigen eine Überschreitung des EU-Grenzwerts für NO2.

Verantwortlich dafür ist eine bei der Abgasreinigung betrügerisch agierende Automobilindustrie. Der derzeit geltende Grenzwert für NOx wird selbst bei neuen Euro 6 Diesel-Pkw im Durchschnitt um das 6-fache überschritten. Der im Vergleich zu den USA nicht besoners ambitionierte Abgasstandard wird wegen fehlender Kontrolle bei weitem nicht erreicht.

Seit vielen Jahren weisen die Deutsche Umwelthilfe und andere Akteure, wie der International Council on Clean Transportation (ICCT), darauf hin, dass die Abgaswerte von Diesel-Pkw im realen Betrieb auf der Straße deutlich über dem liegen, was der Gesetzgeber vorgibt.

Seit Aufdeckung des Abgasskandals in den USA 2015 ist bekannt, dass die Automobilhersteller sich seit der Jahrtausendwende bei der Abgasreinigung rechtswidrig abstimmen. Mit Betrugssoftware schaffen es so die Dieselhersteller, dass die Pkw auf dem Prüfstand sauber sind, im Straßenverkehr jedoch zu Abgasschleudern mutieren.

Bisher beugt die Bundesregierung sich den Autokonzernen

Hat sich seit Aufdeckung des Diesel-Abgasskandals in der deutschen Verkehrspolitik etwas geändert? Klare Antwort: Nein. Die illegale Abgasmanipulation wird weiterhin nicht geahndet. Eine Kontrolle der Bestandsflotten? Fehlanzeige. Statt die Hersteller zu verpflichten, die Fahrzeuge technisch auf deren Kosten nachzurüsten, um damit die Emissionen massiv abzusenken und die nachgerüsteten Fahrzeuge von Fahrverboten auszuschließen, beugt sich die Bundesregierung dem Druck der Autokonzerne und gestattet diesen, sich mit weitgehend unwirksame Softwareupdates aus der Affäre zu ziehen.

Wesentliche Folge: Es fahren weiterhin ungestraft viele Millionen dreckige Diesel auf unseren Straßen, die die Luft verschmutzen und uns krank machen. Laut EU-Angaben sind jährlich 12.860 vorzeitige Todesfälle auf die hohe Belastung mit NO2 zurückzuführen.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wird am Dienstag nicht entscheiden, ob Dieselfahrverbote kommen, sondern wie. Konkret geht es um die Frage: Wenn die Bundesregierung die seit Jahren geforderte Blaue Plakette weiter verweigert, können dann bestehende Verkehrszeichen um ein Zusatzschild „Fahrverbot für Diesel“ ergänzt werden oder nicht?

Klagen in 19 Städten sollen endlich für saubere Luft sorgen

Die Deutsche Umwelthilfe klagt derzeit in insgesamt 19 Städten für saubere Luft, da der Staat sich vom Schutz von Leben und Gesundheit seiner Bürger verabschiedet hat. Mit unseren Klagen möchten wir die saubere Luft in unseren Städten spätestens ab diesem Jahr endlich durchsetzen und tausendfaches Leid beenden. Die Verwaltungsgerichte Düsseldorf und Stuttgart haben uns jeweils Recht gegeben und die vorgelegten Luftreinhaltepläne von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zerrissen.

Gesundheitsschutz ist ein nach dem Grundgesetz besonders geschütztes Grundrecht. Aber wir setzen uns auch für die betroffenen Autohalter ein: Hersteller müssen auf ihre Kosten die Fahrzeuge der Eurostufen 5 und 6 so nachrüsten, dass diese den Euro 6 Nox-Grenzwert auf der Straße einhalten. Damit kann flächendeckend die Stickoxidbelastung drastisch reduziert werden. Und: Diese nachbehandelten Fahrzeuge sind dann auch von Fahrverboten befreit.

Rückenwind kommt von der Europäischen Kommission, die seit mehr als drei Jahren in einem Vertragsverletzungsverfahren ebenfalls Dieselfahrverbote und ein Ende der Dieselprivilegierung fordert. Ob Leipzig oder Luxemburg: Dieselfahrverbote werden kommen. Aber offensichtlich nur aufgrund gerichtlicher Entscheidungen.

Wir fordern ein Ende des eheähnlichen Verhältnisses zwischen Automobilindustrie und der Bundesregierung und endlich wirksame Maßnahmen für saubere Luft. Der Staat muss anfangen, die Autokonzerne zu kontrollieren und Verstöße zu ahnden. Wir brauchen saubere Busse und Umwelttaxis. Und eine Nachrüstung der Bestandsflotte sämtlicher 9 Millionen Euro 5 und Euro 6 Diesel-Pkw auf Kosten der Hersteller. Schließlich fordern wir eine Beendigung der Subventionierung des Dieselkraftstoffs mit jährlich sieben Milliarden Euro.

Doch nicht nur das. Wir brauchen eine umfassende Verkehrswende: Weniger motorisierter Individualverkehr in den Städten, dafür eine deutliche Stärkung kollektiver Verkehrsmittel und mehr Rad- und Fußverkehr. Das bedeutet nicht nur weniger Abgase, sondern zugleich weniger Lärm, mehr Sicherheit und mehr Lebensqualität.

Veröffentlicht:

Jürgen Resch
© Steffen Holzmann
Jürgen Resch

Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe

Jürgen Resch ist seit 1988 Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Er studierte Verwaltungswissenschaften an der Universität Konstanz und begann seine umweltpolitische Karriere 1975 als Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Naturschutz Bodensee und Anfang der 80er Jahre als Vorsitzender des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben beim Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND).

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