Es ist eine Tatsache: Frauen gründen kleinere Unternehmen und sind häufiger soloselbstständig als Männer, die vor allem im IT-Bereich noch eindeutig dominieren. Damit reagieren Frauen aber nur auf unterschiedliche Rahmenbedingungen. Ihnen stehen statistisch gesehen deutlich weniger Ressourcen zur Verfügung, wenn sie sich selbstständig machen. Sie erzielen in einer vorhergehenden abhängigen Beschäftigung meist ein kleineres Einkommen und haben deshalb weniger Möglichkeiten, Eigenkapital anzusparen. Sie leisten mehr unbezahlte Familienarbeit und haben mit einer größeren Wahrscheinlichkeit durch Familienphasen unterbrochene Erwerbsbiografien. Sie finden bei einer Gründung weniger Unterstützung im familiären Umfeld. Und sie müssen mit weniger staatlicher Unterstützung rechnen, weil die sich meist noch am männlichen Gründer und dessen besonderen Strukturmerkmalen orientiert.
Lieber gesund wachsen als krank scheitern
Aus der Perspektive der Frauen ist es also ein absolut logisches Verhalten, auf ihre schlechteren Rahmenbedingungen mit der Gründung kleinerer Unternehmen zu reagieren und weniger Risiken einzugehen. Den Vorteil einer solchen Herangehensweise haben wir in den letzten Jahren der Finanzkrise übrigens alle schätzen gelernt: Nicht zufällig haben sich von Frauen geführte Unternehmen darin als stabiler erwiesen.
Ein weiterer Grund für statistische Unterschiede sind andere Schwerpunkte in der Branchenwahl. Frauen gründen sinnvollerweise genau in denjenigen Berufen und Branchen, in denen sie auch ausgebildet sind. Erst wenn mehr Mädchen und Frauen sich eingeladen fühlen, MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) zu ergreifen, wird sich auch der Anteil der Unternehmerinnen in diesem Feld erhöhen. Umgekehrt gründen Frauen häufiger als Männer in wissensintensiven und personenbezogenen Dienstleistungen, denen hohe Wachstumsraten vorhergesagt werden.
Nachhaltigkeit als Unternehmensphilosophie
Es gibt aber auch Hinweise darauf, dass viele Frauen bewusst auf Wachstum verzichten, weil sie stattdessen andere Werte oder Fragen in den Vordergrund stellen. Unternehmerinnen verfolgen häufig eine Idee von „guter Arbeit“, also einer ethisch verantwortungsvollen und befriedigenden Tätigkeit im ursprünglichen Sinne von „Nachhaltigkeit“: ökologisch, sozial und gerecht. Welches Material verwende ich und wie viel? Woher kommt der Strom? Wie lange hält das, was ich herstelle? Welchen gesellschaftlichen Mehrwert leistet mein Unternehmen? Wie kann ich familienfreundliche Arbeitsplätze für mich und meine MitarbeiterInnen schaffen? Wie bekomme ich einen sinnvollen Ausgleich zwischen Frei- und Arbeitszeit hin?
Frauengeführte Unternehmen sind also tatsächlich noch „anders“, weil die Rahmenbedingungen für die Geschlechter unterschiedlich sind. Sie legen mehr Wert auf nachhaltiges Wirtschaften – nicht weil sie die besseren Menschen sind, sondern weil ihre strukturell bedingte Nebenrolle in der Wirtschaft ihnen den Perspektivwechsel leichter macht. Und genau darin können sie Trendsetterinnen und Vorbilder sein.
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