Die Vermarktungsmaschinerie „Karrierefrau“ läuft, und zwar auf vollen Touren: Kaum ein Tag vergeht, an dem man nicht mit der neuesten Diversitystudie, dem nächsten Topranking von Führungsfrauen oder einer neuen Woman in Digitalinitiative konfrontiert wird. Insgesamt also eine positive Großwetterlage, die zumindest die Anzeigenabteilungen namhafter Verlage, InfluencerInnen und Frauennetzwerk-BetreiberInnen in Goldgräberstimmung versetzen dürfte. Denn sie tragen massiv dazu bei, dass das jahrelang leicht verstaubte Randthema „Frauenförderung“ in ganz neuem Glanz erstrahlt.
Sichtbarkeit um jeden Preis, so lautet die Devise. Das haben selbst Firmen erkannt, bei denen das Thema Frau bisher keine so große Rolle gespielt hat. Denn wenn man sonst schon nichts zur Debatte beitragen kann, dann tut es sicher auch mal das inhaltsleere Lob an die Frauen unter den Vorbildern. Vielleicht erinnern Sie sich an den Tweet und Artikel des Immobiliengiganten Engel & Völkers: Dort wurde den Frauen anlässlich des Weltfrauentages von der Führungsriege des Unternehmens gratuliert – die sich dummerweise auf dem mitgeposteten Bild als komplett männlich entpuppte. Es reicht eben nicht, die Welle der Aufmerksamkeit zu reiten oder im Jahrmarkt der permanenten Sichtbarkeiten insbesondere über soziale Netzwerke mitzumischen.
Heldinnen sollten die Arbeitswelt mit ihren Fähigkeiten neu prägen
Frauen-, Diversity-, oder Quotendebatten brauchen dringend mehr unternehmerischen Bezug und Ernsthaftigkeit. Sie sollten vor allem stärker und sichtbar in handfeste Unternehmensinitiativen und Projekte münden. Stattdessen werden allzu leichtfertig Managerinnen um der lieben Vermarktung willen als Heldinnen der Digitalisierung gefeiert. Obwohl eigentlich niemand so recht weiß, wofür. Woran können wir heute festmachen, dass Frauen die prädestinierten Gestalterinnen der Digitalisierung sind? An ihrem Sendungsbewusstsein, der Anzahl ihrer Bühnenauftritte oder ihrer omnipräsenten Meinungsmache? Wohl kaum.
Unsere Wirtschaft und Gesellschaft brauchen dagegen Vordenkerinnen, die ihren Worten auch Taten folgen lassen und mit ihren Kompetenzen und Fähigkeiten die Arbeitswelt maßgeblich neu prägen. Sie müssen zeigen, wie sie ihre Organisationen auf immer neue Veränderungen vorbereiten, sich als Führungskraft zwischen fünf Generationen im Arbeitsleben bewegen und wichtige Stakeholder begeistern können.
Und nur dann, wenn unsere modernen digitalen Heldinnen das Zeug dazu haben, ihre Leistungen im Job geschickt mit der eigenen Vermarktung zu verschmelzen, haben sie eine echte Chance, Vorbild in der digitalen Ära zu sein und Wirtschaftsgeschichte zu schreiben. Einige einflussreiche Wirtschaftslenkerinnen haben das begriffen und machen beispielsweise öffentlich, wie sie ihre Teams divers besetzen und welche Performancesteigerung das zur Folge hat. Das müssen nicht immer nur die großen Highlightprojekte sein, auch kleine Schritte wirken.
Die Quintessenz ist Haltung und Verantwortung
Digitale Macherinnen haben einen klar erkennbaren Auftrag, mit dem sie sich identifizieren. Ihr Dialog hat demzufolge eine klare Richtung – ob im Gespräch mit der Geschäftsleitung, mit Arbeitnehmervertretern, Kunden oder in den sozialen Medien. Sie machen ihre Businessagenda zum persönlichen Auftrag und prägen so das Unternehmensimage maßgeblich. Statt um Selbstinszenierung geht es ihnen darum, ihre unternehmerische Verantwortung zu transportieren.
Erst wenn diese Kriterien erfüllt sind, kann man darüber nachdenken, ihnen einen Heldinnenstatus zu verleihen. Denn solche Vorbilder beweisen, dass es bei Diversity und Frauenförderung im Kern nicht um Show oder um irgendwelche Quoten geht, sondern um echten Mehrwert für alle. Denn den gibt es, da bin ich mir ganz sicher.
Diskutieren Sie mit: Haben Sie selbst Erfahrung mit Führungspersonen, die ihren Worten Taten folgen lassen - oder solchen, die das nicht tun?
Log in and join the discussion