Crowdworking, das ist unbestritten, zählt zu den Arbeitsformen der Zukunft. Doch bis Crowdworking eine Bereicherung für die Kreativbranche werden kann, müssen ein paar Missverständnisse geklärt werden. Klar ist: Der Zukunftsberuf Designer befindet sich zum Teil auf der Resterampe; Grafik- und Webdesign gibt es mittlerweile an jeder Straßenecke. Die Bezeichnung „Designer“ ist zudem kein geschützter Beruf. Jeder darf sich so nennen – und das ist gut so.
Leider macht es mittlerweile auch fast jeder: Crowdworking-Plattformen werden inzwischen zu einem nicht unwesentlichen Teil von Autodidakten, Teilzeitdesignern und Berufseinsteigern genutzt. Das ist grundsätzlich zu begrüßen und eröffnet zum Beispiel für den Bäcker Schmitz einen interessanten Discountmarkt, da ein professioneller Designer wahrscheinlich zu teuer wäre. Sie treffen dort aber auch auf Kleinausschreibungen der Deutschen Post, die versucht, ihre Kosten zu senken.
Mit Design als „Handwerk“ wird immer weniger Geld verdient
Ein paar Zahlen: Das Wachstum der Werbe-, Design- und PR-Agenturen ist im Jahr 2014 zwischen fünf und 14 Prozent gestiegen. Gleichzeitig sind Umsatz und Beschäftigtenzahl der Kreativwirtschaft laut Monitoringbericht der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung im selben Jahr ebenso um etwa zwei Prozent gestiegen. Bei den Kreativen allerdings – denjenigen also, denen dieses Wachstum maßgeblich zu verdanken ist – sieht es anders aus: Die Tagessätze für kreative Dienstleistungen sind im letzten Jahrzehnt um bis zu 15 Prozent gesunken. Das Jahreseinkommen der bei der Künstlersozialkasse Versicherten betrug 2015 durchschnittlich magere 15.425 Euro.
Wie passt das zusammen? Wie kann es sein, dass einer der Schlüsselberufe für die Digital- und Erlebniswirtschaft unter Preisdruck steht und erfahrene Designer allzu leicht durch „Clickworker“ ersetzt werden?
Mein Kind kann das auch!
Auf den ersten Blick ist die Antwort simpel: Immer mehr Menschen arbeiten in kreativen Berufen, während die Budgets für Medienkanäle und Produkte stagnieren oder gar sinken. Hinzu kommt: Vieles ist mittlerweile frei im Netz verfügbar, daraus resultiert eine Kostenloskultur. Selbst gut ausgearbeitete Designvorlagen sind mittlerweile online verfügbar.
Doch auch das Qualitätsmerkmal Kreativität gilt hierzulande leider oftmals als kostenloses Gut: Einfallsreichtum und Fantasie werden kulturell bedingt als Teil der eigenen Selbstverwirklichung und damit als Gegenteil von echter Arbeit wahrgenommen. Das beliebte Zitat „… mein Kind kann das auch“ von Eltern, die vermeintlich misslungene Zeichnungen oder Skulpturen betrachten, zeigt das Ausmaß des Missverständnisses. Denn: Wer die Rolle des reinen Kreativen akzeptiert – was zunächst schmeichelhaft erscheint –, hat schon verloren. Er verabschiedet sich damit von einer Verhandlung auf Augenhöhe. Er wird nicht als Geschäftsmann wahrgenommen, sondern als Lieferant eines „weichen Faktors“, der nicht zwingend notwendig ist und dessen Qualität schwer zu beurteilen ist.
Es könnte alles so schön sein
Um nicht missverstanden zu werden: Die Digitalisierung eröffnet uns gewaltige Chancen bei Arbeitsteilung, Kommunikation und der Verfügbarkeit von Wissen. Ihre Nachteile verstärken aber bereits vorhandene Probleme. Design ist ein Prozess von der Beratung des Kunden hin zu einem Konzept und der tatsächlichen Umsetzung. Crowdworkern allerdings fehlt dieser Vorgang gänzlich, mit dem Resultat, dass Entwürfe mehrfach angeboten werden. In der Summe ist Crowdworking oft inneffizient und redundant. Bei diesem Geschäftsmodell dürfte also vor allem einer profitieren: die Betreiber der Portale selbst.
Die Situation ist dennoch nicht ausweglos. Es liegt an den Designern selbst, konstruktiv im Dialog mit potenziellen und vorhandenen Kunden und der restlichen Öffentlichkeit daran zu arbeiten, dass kreative Dienstleistungen wertgeschätzt werden: indem sie ihre Arbeitsweise transparenter machen und lernen, die Sprache des Kunden zu sprechen und sich besser in Abläufe zu integrieren. Und indem sie einheitlichere, berufsständische Standards etablieren, also verständliche Angebote machen. Dann werden sogenannte Kreativberufe vielleicht anders wahrgenommen. Es könnte alles so schön sein.
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