2016 soll es keinen Garantiezins für neue Lebensversicherungsverträge mehr geben – es gibt also keine gesetzliche Obergrenze mehr für den Zins, den Versicherungen garantieren dürfen. Die Fachleute nannten es Höchstrechnungszins. Das ist nicht schlimm. Denn neue Lebensversicherungsverträge sind schon seit Jahren nicht mehr attraktiv für Kunden. Die garantierten Zinsen sind zu niedrig und die realen Kosten zu hoch. Ein Großteil der Kosten fällt auch noch zu Beginn des Vertragsverhältnisses an, weshalb Kunden solche Verträge tief im Minus beginnen und oft erst nach mehr als einem Dutzend Jahren eine erste Rendite auf ihrem Konto sehen. Ausnahmen sind Verträge mit Riester- oder Rürup-Förderung oder Verträge in der betrieblichen Altersvorsorge, die von steuerlicher Förderung und einem ordentlichen Zuschuss des Arbeitgebers profitieren. Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.
Doch wie sieht das aus bei den 90 Millionen Lebensversicherungsverträgen, die Bundesbürger in den vergangenen Jahrzehnten abgeschlossen haben? Zunächst spricht alles für eine skeptische Prüfung. Wenn ein Produkt neu nicht mehr zeitgemäß ist, könnte es auch gebraucht nicht mehr sinnvoll sein. Bei genauerem Hinsehen stellt sich allerdings heraus, dass viele, wahrscheinlich die meisten alten Lebensversicherungsverträge, nicht gekündigt werden sollten.
Risikolebensversicherungen sind keine Sparprodukte, sie schützen Familie oder Geschäftspartner „ausschließlich“ vor dem wirtschaftlichen Risiko, dass der Kunde stirbt. Sie sind von der Anlagemalaise der klassischen Lebensversicherung nicht betroffen und werden weiter gebraucht.
Nicht freiwillig auf Renditezusagen verzichten
Und klassische Verträge haben ein paar Eigenheiten, die alte Policen wertvoll machen können. Viele ältere Lebensversicherungsverträge versprechen Garantiezinsen, die heute sehr attraktiv sind. Das schon auf dem Versicherungskonto angesparte Geld wird dann garantiert mit 3,5 oder gar 4 Prozent verzinst.
Die hohen Kosten für die Vertriebsmannschaft hat der Versicherte nach den ersten Jahren schon bezahlt, sie sind meist nicht mehr zurückzuholen. Das Sparen geht jetzt erst los. Kunden sollten den Versicherern nicht den Gefallen tun, in dieser Situation auf vertragliche Renditezusagen zu verzichten, indem sie kündigen. In der Kurzform lautet die „Finanztip“-Empfehlung: Neue Verträge nicht abschließen, alte nicht kündigen.
Bleiben zwei Fragen, eine individuelle und eine systemische. Individuell kann es passieren, dass das Einkommen für die Lebensversicherungsraten nicht mehr ausreicht oder man gar Geld aus dem Vertragsvermögen braucht. Kündigen ist dann oft die schlechteste Variante. Oft reicht es, den Vertrag einfach beitragsfrei zu stellen. Das Guthaben auf dem Vertragskonto wird weiter ordentlich verzinst, die monatlichen Zahlungen kann man so stoppen.
Verträge auf Widerrufsrecht überprüfen
Auch wenn man Geld braucht, sollte man nicht einfach kündigen. Vielmehr kann man den Vertrag beleihen. Das heißt, sich sein Geld aus dem Vertrag von der Versicherung oder einem anderen Anbieter zeitweise zu leihen, um den Engpass zu überbrücken. Zudem kann man den Vertrag auch noch an Unternehmen verkaufen, die mehr als der Versicherer selbst bei einer Kündigung zahlen. Und manchmal hat der Versicherer beim Vertragsabschluss einen Fehler bei der Widerrufsbelehrung gemacht, die Kunden berechtigt, den ganzen Vertrag auch nach Jahren noch zu widerrufen. Dann erhält der Kunde sein Geld zurück, abzüglich eventueller Leistungen des Versicherers zum Beispiel für den Risikoschutz.
Viele Kunden, die ihren Vertrag behalten werden, werden sich aktuell sicher fragen, ob ihr Versicherer bei der Rentenversicherung seine Garantien für die kommenden 50 Jahre auch einhalten kann – in der Einzahl- und in der Auszahlphase. Das weiß heute niemand. Aber in den letzten 50 Jahren wurden Verträge in Deutschland eingehalten – und die staatliche Aufsicht zwingt die Versicherer, Geld für die gut verzinsten Altverträge zurückzulegen. Daher wäre ein Kunde, der seinen Versicherer ohne Not aus dessen Verpflichtungen entlässt, ganz schön dumm.
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