Warum ist die weibliche Periode im Job oft noch ein Tabuthema?

Im Durchschnitt 28 Tage dauert der weibliche Zyklus. Für viele Frauen ist die Menstruation mit Schmerzen verbunden. Wie lässt sich verhindern, dass ihnen daraus berufliche Nachteile entstehen?

Menstruations-„Urlaub“? So ein Quatsch!

Heide Peuckert
  • Immer mehr Unternehmen gewähren Sonderurlaub für Menstruierende
  • Das ist sowohl der falsche Ansatz als auch die falsche Begrifflichkeit
  • Die Periode muss nicht nur enttabuisiert, sie darf sogar gefeiert werden

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Gehen dir beim Lesen des Wortes „Menstruation“ eher negative Gedanken durch den Kopf? Dann solltest du weiterlesen!

Die in unserer Gesellschaft bestehende Tabuisierung der Periode hindert noch immer viele Menstruierende daran, offen über ihre Periode zu sprechen, insbesondere über damit einhergehende Einschränkungen im Job. Einer der größten Dienstleister Indiens gewährt daher all seinen Mitarbeiterinnen seit Kurzem Periodenurlaub von bis zu zehn Tagen im Jahr. Auch in anderen Unternehmen und Ländern, zum Beispiel in Japan und Korea, ist #periodleave aktuell im Gespräch oder bereits durchgesetzt. Frauen sollen ihre Menstruationsgesundheit priorisieren können, ohne befürchten zu müssen, Chancen am Arbeitsplatz zu verpassen. So die Theorie.

Brauchen wir das in Deutschland – Menstruationsurlaub?

Sicher nicht! Allein die Begrifflichkeit „Urlaub“ könnte falscher nicht sein. Für 90 Prozent der Frauen ist die Periode mit ernsthaften Schmerzen verbunden. Mehr als 80 Prozent der Frauen geben an, aufgrund ihrer Menstruationsbeschwerden weniger produktiv zu sein. Wer unter extremen Magenkrämpfen, Rücken- und Kopfschmerzen leidet, chillt sicher nicht auf Balkonien.

Tampons sind Chefsache, keine Dealerware

Mein Tipp: Die Wahrscheinlichkeit, dass der nächste Besucher auf der Männertoilette Klopapier benutzt, ist genauso hoch wie die Nachfrage nach Tampons auf dem Damenklo! Was das heißt? Tampons müssen auf den Toiletten der Unternehmen ebenso vorrätig sein wie Klopapier.

Die Realität sieht leider ganz anders aus: Im Gegensatz zum allgegenwärtigen Klopapier werden Tampons in Büros zu Dealerware. Aber im Jahr 2020 sollte nun wirklich niemand mehr Tampons heimlich unter dem Tisch weitergeben.

Zum einen weil es wirklich an der Zeit ist, dass jedes Unternehmen seine Toiletten mit Damenhygieneartikeln ausstattet. Wer sich nicht ganz sicher ist, ob das wirklich nötig ist, dem empfehle ich das herrlich sachliche Buch „Invisible Women“.

Zum anderen weil ich mir wünschen würde, dass wir aufgeklärt und entspannt und ehrlich mit dem vermeintlichen Tabu umgehen. Der Grund für Periodenurlaub ist sicher nicht, dass wir uns auf die faule Haut legen wollen. Würden unsere typischen Symptome nicht „Periodenschmerzen“ heißen, würde sich die Frage grundsätzlich nicht stellen, ob man damit lieber zu Hause im Bett bleibt.

Periodenurlaub ist 90er – heute brauchen wir andere Ansätze

Nein, die Periode ist keine Krankheit! Dennoch können ihre Symptome dazu führen, dass Frauen zu dieser Zeit ihren beruflichen Alltag anders gestalten wollen oder müssen. Es ist wichtig, ihnen diesen Freiraum zu geben.

Statt einen Pauschalurlaub zu gewähren, der für sich stehend nicht viel mehr bewirken würde, als die Whataboutism-Trolle zu füttern, ist es notwendig, das Tabu rund um die Periode zu brechen, offen in den Austausch zu treten und auf individuelle Bedürfnisse einzugehen. Wenn ich beispielsweise weiß, dass eine Kollegin PMS, also das prämenstruelle Syndrom hat oder Periodenschmerzen, gehe ich behutsamer mit ihr um.

Die Periode gehört auf die Agenda jeder Personalabteilung

Bei uns im Unternehmen gibt es Wärmflaschen und die Möglichkeit, aus dem Homeoffice zu arbeiten. Wer sich nicht gut fühlt, spricht es an, macht länger Pause, tankt frische Luft oder ist eben krank.

Diese Herangehensweise hat nichts mit der Periode zu tun. Es ist eine Wertschätzung der Mitarbeiter·innen und ein selbstverständliches Eingehen auf ihre Bedürfnisse. Wenn einer Mitarbeiterin unwohl ist, bekommt sie die Möglichkeit, von zu Hause oder gar nicht zu arbeiten – egal ob Kopfweh, die Periode oder etwas anderes der Auslöser ist. Da möchte ich nicht unterscheiden und damit die Periode weiter stigmatisieren. Zugegeben, so ein offener Austausch im Büro erfordert etwas Gewöhnung. Man kann die bevorzugte Herangehensweise zum Beispiel im Rahmen einer Team-Retro im Start-Stop-Keep-Format vorsichtig anstoßen. Möglich ist es auch, den Menstruierenden zunächst Raum zu geben, sich untereinander auszutauschen. Das steigert die Zufriedenheit und macht den Büroalltag entspannter, verständnis- und respektvoller.

Sonderurlaub allein nützt nichts, wenn die Periode weiter ein Tabu ist, das die Betroffenen daran hindert, ihn in Anspruch zu nehmen. Überhaupt: Perioden-„Urlaub“ ist wie Rosen am Weltfrauentag. Klingt gut und schön, verfehlt aber seinen Zweck. Es gilt vielmehr, das Tabu um die Periode zu brechen. Sie ist Teil eines verdammten Wunders, das der Körper monatlich vollbringt, eines Wunders, das Leben schenken kann. Das darf man auch mal feiern!

Veröffentlicht:

Heide Peuckert
© Lena Scherer
Heide Peuckert

Gesellschafterin und Gründerin, MyLily GmbH

Heide Peuckert ist Gesellschafterin und Gründerin von MyLily. Das Hamburger Startup stellt unter anderem Bio-Tampons und -Binden her und klärt in Workshops über die weibliche Periode auf. Peuckert hat das Unternehmen zusammen mit dem Mitgründer Dennis Werner ins Leben gerufen.

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