Beim Lesen von Bewerbungen frage ich mich oft: Wer hat das eigentlich geschrieben? Aus meiner eigenen Vergangenheit weiß ich nur zu gut, dass diese Texte häufig nicht aus der eigenen Feder stammen. Mein erstes Anschreiben verfasste beispielsweise meine Mutter, bei der Bewerbung für die Uni halfen meine Lehrer, einmal sogar meine Nachbarin.
Das Internet macht es Bewerbern heutzutage noch einfacher. Seit Jahren sind Text und Tipps für jede Art von Bewerbung, inklusive hilfreicher Floskeln, als Vorlage online verfügbar. Meine Schwester schrieb ihre Bewerbungen deswegen oft einfach mithilfe von Google – ein bisschen Copy and Paste, das war’s. Unsere Personalreferentin und ich sind uns deshalb auch absolut einig: Heute zeigt das Schriftstück nur noch, dass der Bewerber einen Internetzugang hat und googeln kann.
Wir suchen andere Qualitäten als Rechtschreibung
Ein Motivationsschreiben allein sagt nichts (mehr) über das Ausdrucksvermögen aus, verrät nicht viel über Leistungsbereitschaft und Beweggründe, zeigt auch nicht auf, ob der Bewerber belastbar ist oder nicht. Diese Eigenschaften halten wir jedoch für enorm wichtig. Dass wir damit nicht allein sind, zeigt die aktuelle Ausbildungsumfrage der IHK Berlin: Neun von zehn Betrieben kritisieren bei ihren Auszubildenden genau diese Mängel.
Ein guter Monteur beispielsweise glänzt durch handwerkliches Geschick, Einsatzbereitschaft und Pünktlichkeit. Die Rechtschreibung ist da eher zweitrangig, zumal die Dokumentation auf unseren Baustellen per App erfolgt und die Bestandsaufnahme einfach ins Handy diktiert wird. Demnach kann es uns herzlich egal sein, ob ein Bewerber Texte verfassen kann oder nicht.
08/15-Bewerbungen haben ausgedient
Bei Bewerbungen vertrauen wir deshalb auf die Aussagekraft von Videos, in denen die Kandidaten sich und ihre Motivation vorstellen müssen. Die heutige Generation kennt und begreift Videos sowieso als Teil ihres Alltags. Sie fühlen sich wohl damit, beherrschen den Umgang mit digitalem Werkzeug und können sich deshalb ganz natürlich geben. Außerdem vermitteln Videos einen guten Eindruck der sprachlichen Fähigkeiten, zeigen, ob sich ein(e) Kandidat(in) gut präsentieren kann und ob er oder sie tatsächliches Interesse an einer Position hat.
Das Beste an der Videobewerbung aber: Wir sehen, inwiefern jemand selbst gestalterisch tätig geworden ist, erkennen Talente, die auf dem Papier nicht zu sehen wären, und verschwenden dank authentischem ersten Eindruck viel weniger Zeit mit frustrierenden Erstgesprächen. Das alte Deckblatt der Bewerbung hat aus unserer Sicht ausgedient.
Diskutieren Sie mit, liebe Leserinnen und Leser: Wie sollte eine optimale Bewerbung Ihrer Meinung nach aussehen? Braucht es das schriftliche Anschreiben noch? Oder sollten die Bewerbungen der Zukunft anders aus?
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