Medienpädagogik: Brauchen Kinder wirklich Smartphones?

Schon Kleinkinder wachsen oft mit dem Handy oder Tablet der Eltern auf. Spätestens auf der weiterführenden Schule fordern sie dann ihr eigenes Gerät. Experten streiten über Sinnhaftigkeit und Alter.

Smartphones stressen Kinder mehr, als dass sie nutzen

Kristin Langer

Medienpädagogin, Elternratgeber Schau Hin!

Kristin Langer
  • Viele Kinder sind zu jung, um Handys mit all ihren Funktionen zu verstehen
  • Auch Digital Natives brauchen Begleitung, um sich damit zurechtzufinden
  • Wir müssen Kinder langsam heranführen, um ihre digitale Kompetenz zu stärken

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Die Basisstudie zum Medienumgang der Sechs- bis Dreizehnjährigen in Deutschland belegt: 18 Prozent der Acht- und Neunjährigen verfügten 2016 über ein Mobiltelefon mit Internetzugang, Apps und Touchscreen. Zwei Jahre zuvor waren es zehn Prozent. Bei den Sechs- und Siebenjährigen stieg die Zahl binnen zwei Jahren von zwei auf vier Prozent. Nicht nur beim Smartphone, auch bei anderen Medien sehen wir Medienpädagogen eine Verjüngungstendenz.

Dass immer mehr Grundschüler ein eigenes Mobiltelefon mit Internetzugang und Apps besitzen, sehe ich kritisch. Viele Kinder sind noch zu jung, um das Gerät in all seinen Funktionen verstehen zu können. Damit meine ich nicht vordergründig die Bedienung. Denn wie die Spiele-App oder Kamera funktionieren, Nachrichten verschickt und Youtube-Filme abgespielt werden, das weiß der Nachwuchs schon längst. Was sich allerdings hinter all den Diensten, Möglichkeiten und Angeboten verbirgt und wie man sich in der digitalen Welt am besten vor Gefahren schützt, dieses Wissen ist unseren Kindern auch als Digital Natives nicht in die Wiege gelegt. Sie brauchen Zeit und elterliche Begleitung, um sich dies Schritt für Schritt anzueignen.

Teuer, schwer durchschaubar und unerwünscht

Wischen, tippen, surfen – weil die schlauen Telefone intuitiv funktionieren, finden sich selbst junge Kinder sofort zurecht. Sind ihre Ausflüge ins Internet jedoch unbegleitet, können sie schnell auf die falschen Seiten gelangen oder beim Spielen online versehentlich In-App-Käufe tätigen. Auch die Funktionen von Messengerdiensten wie etwa WhatsApp sind für Kinder schwer durchschaubar. Wo kommt dieser Kettenbrief jetzt genau her? Aus Neugier geöffnet, trübt sich der gespannte Kinderblick recht schnell. Angst vor dem Inhalt, aber auch davor, etwas falsch gemacht zu haben, beunruhigt und verunsichert. Auch Filme oder Fotos mit Darstellungen, die garantiert nicht für Kinderaugen gedacht sind, können via Messenger oder Internetplattform direkt auf dem Smartphone landen – sofern das Gerät nicht kindersicher ist.

Apropos Sicherheit: Ja, ein Smartphone kann auch meinem Drittklässler ein sicheres Gefühl vermitteln, wären da nicht außerdem noch so viele Stressfaktoren. Handys sind teuer. Mal ehrlich, niemand würde sein Kind mit 400 Euro, selbst nicht mit 150 Euro in der Hosentasche in die Grundschule schicken. Das gute Stück darf weder verloren noch kaputtgehen, und gut darauf aufpassen muss man auch, damit es nicht geklaut wird. Das sind die häuslichen Devisen, und dann gibt es noch die Schulregeln. In der Mehrheit der Grundschulen dürfen Schüler nur in Ausnahmefällen das Handy nutzen. „Nicht erwischen lassen, sonst gibt’s Ärger“, lautet die Strategie – das Sicherheitsgefühl ist also durchaus trügerisch.

Digitale Kompetenz ist trotz allem ein Muss

Natürlich prägen digitale Medien den Alltag, auch den der Eltern. Längst sind Erwachsene überall erreichbar, und viele Eltern fühlen sich wohler, wenn sie auch ihr Kind jederzeit anrufen können und genau wissen, wo es sich aufhält. Aber für Kinder und ihr Aufwachsen ist es wichtig, Verabredungen zu treffen und einzuhalten, mit Freiheiten außerhalb des Elternhauses richtig umzugehen, Dinge und Situationen einschätzen zu lernen sowie aktiv zu meistern. Unsere Kinder aufs reale Leben vorbereiten, das sollten wir Eltern – sowohl analog als auch digital.

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Kristin Langer
© Schau Hin
Kristin Langer

Medienpädagogin, Elternratgeber Schau Hin!

Kristin Langer ist Mediencoach beim Elternratgeber SCHAU HIN! Die diplomierte Medienpädagogin und Mutter einer Tochter hat langjährige Erfahrungen im Bereich der Elternarbeit: Als freie Dozentin arbeitet sie in der Erwachsenen- sowie Lehrerfortbildung und ist Referentin für die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM). Aus der fachlichen Arbeit für das Projekt Medienscouts-NRW sowie für das Deutsche Kinder- und Jugendfilmzentrum resultieren aktuelle Erfahrungen zur Mediennutzung von Kindern.

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