Es ist noch gar nicht so lange her, dass wir Menschen als Jäger und Sammler durch die Wälder streiften, kleine Horden, die ständig ums Überleben kämpften. Kein Steinzeitmann wäre auf die Idee gekommen, einer Frau das Jagen zu verbieten. Wer Hunger hat, dem ist egal, wer das Mammut erlegt. Hauptsache, die Jäger sind schnell, ausdauernd und listig.
Die Männerherrschaft hält bis heute an dieser veralteten Ordnung fest
Zur Nomadenzeit waren Frauen den Männern deutlich ähnlicher. Die weiblichen Oberarme sollen angeblich kräftiger gewesen sein als die der Ruderer vom Cambridge-Achter. Die Nomaden haben vielfältige Gesellschaftsorganisationen hervorgebracht, aber weder Matriarchat noch Patriarchat. Die kleinen Gruppen waren fast immer akephal organisiert, also herrschaftslos, egalitär, gleichberechtigt. Qualifikation zählte. Die Evolution war offenbar eine brillante Gleichstellungsbeauftragte.
Erst mit der Sesshaftigkeit vor etwa 10.000 Jahren änderten sich Aufgaben und Körper. Machtfragen wurden zugunsten der physisch Stärkeren beantwortet, Religionen lieferten den Überbau. Die Männerherrschaft verfestigte sich in Politik, Wirtschaft, Kultur, Gesellschaft und hält bis heute an der alten Ordnung fest. Der Rückbau zieht sich.
„Geschlechterrollen“ – das bedeutet, auf schmalen Gleisen unterwegs zu sein
Gut möglich, dass das Patriarchat in 300.000 Jahren Menschheitsgeschichte ein Ausrutscher war. Typisch männlich, typisch weiblich? Gibt es praktisch nicht. Im Laufe der Jahrhunderte war alles schon mal da: der zarte Knabe der Romantik, der tapfere Soldat aus der Weltkriegszeit, Muskelmann Rambo, der androgyne Bowie, der metrosexuelle Beckham, schließlich Conchita Wurst. Derzeit ist das rehäugige Modell gefragt, wie der Obergrüne Robert Habeck. In Washington, Moskau oder Ankara dominiert dagegen der Typus Haudrauf.
Höchste Zeit, dass sich Männer wie Frauen vom Rollenkonzept verabschieden. Tapfere Jungs, anständige Mädchen – bitte nicht. Das Konzept von den „Geschlechterrollen“ bedeutet doch, einem Drehbuch zu folgen, Erwartungen zu bedienen, auf schmalen Gleisen unterwegs zu sein und damit das Gegenteil von Autonomie und Authentizität.
Große Aufgaben können wir nicht mit Mann-gegen-Frau-Denken bewältigen
Heute, im 21. Jahrhundert, konkurrieren nun nicht mehr körperliche Merkmale, sondern freiheitliche mit diktatorischen Gesellschaftsentwürfen. Mann, Frau, Trans – sie alle stehen vor denselben Aufgaben: Respekt, Gelassenheit, Fairness. Wer arbeitet an einer lebenswerten Zukunft mit? Wer hält sich an die Regeln? Wer nutzt seine Ressourcen kooperativ? Alle großen Aufgaben, ob Digitalisierung, Ökologie, Globalisierung oder Gerechtigkeit, sind nicht mit dem alten Mann- gegen-Frau-Denken zu bewältigen. Kooperation, sagt der Wiener Professor Martin Nowak, sei die Fortführung der Evolutionstheorie in die Zukunft; nicht „Survival of the Fittest“, sondern die „Koalition der Willigen“ ist gefragt.
Unsere Kinder werden vermehrt als digitale Nomaden um die Welt ziehen, der Arbeit, den Trends, dem Wetter hinterher. Besitz, Status, Eigenheim verlieren an Bedeutung. Flexibilität braucht weder schweres Gepäck noch Stereotypen. Die Zukunft fragt nicht: „Wer darf was?“, sondern: „Wer kann was?“.
Zurück zum jagenden Menschen
Höchste Zeit, Glaubenssätze zu checken und Reflexe mit liebevoller Distanz zu betrachten. Ist die Frontlinie zwischen Mann und Frau zeitgemäß, wenn höchste Gerichte in aller Welt ein drittes Geschlecht anerkennen, das sich nicht biologisch, sondern individuell definiert? Haben wir es in der Geschlechterfrage tatsächlich mit zwei unversöhnlichen Polen zu tun oder mit einem Schieberegler, den jeder für sich selbst bedienen kann?
In einem gigantischen Prozess des Verlernens müssen wir uns von eingeübtem Verhaltensmüll befreien, von Mustern, Mythen, Missverständnissen – Detox für Körper, Geist und Seele. Weg mit giftigen Rollenbildern und kranken Erzählungen aus einer vergangenen Zeit. Wie anfangen? Ganz einfach: Das polare „Mann“ oder „Frau“ häufiger mal durch „Mensch“ ersetzen. Das Umdenken in der Sprache wird zu einem Umdenken im Handeln führen. Und dann werden „jagende Frauen“ auch in der heutigen Zeit endlich keine Rarität mehr sein.
Vor 15 Jahren gab es weder soziale Medien noch Smartphones, agiles Arbeiten war hierzulande unbekannt. Unvorstellbar, was in den kommenden 15 Jahre alles Neues entstehen und wie sich unsere Arbeitswelt entwickeln wird! In welchen Berufen werden wir künftig überhaupt arbeiten – und wie? Wie verändert die künstliche Intelligenz den Recruiting-Prozess? Wird die Arbeitswelt von morgen gerechter sein – oder tiefer gespalten?
Zusammen mit dem Zukunftsforscher und Gründer des Trendbüros, Professor Peter Wippermann, hat XING 15 Trends untersucht, die Arbeitnehmer und Unternehmen betreffen und die Gesellschaft verändern werden. Unsere Prognosen basieren auf der wissenschaftlichen Expertise des Trendbüros, einer repräsentativen Umfrage unter den XING Mitgliedern und E-Recruiting-Kunden sowie aus unserer Erfahrung als Vorreiter beim Thema New Work.
Die 15 Trends lassen wir seit dem 5. November täglich auf XING diskutieren – hier auf XING Klartext, von unseren XING Insidern und im XING Talk. Alle Beiträge finden Sie gesammelt auf einer News-Seite.
-
In der Woche ab dem 5. November drehte sich alles darum, was sich für den einzelnen Arbeitnehmer ändert.
-
Ab dem 12. November diskutierten wir eine Woche lang die Folgen des Wandels für Unternehmen.
-
Ab dem 19. November, thematisieren wir, wie sich unsere Gesellschaft verändern wird.
Bei Fragen, Feedback und Ideen erreichen Sie die Redaktion von XING News unter klartext@xing.com. Wir freuen uns auf spannende und hitzige Diskussionen!
Einloggen und mitdiskutieren