Jahresrückblick 2017: Was hat dieses Jahr wirtschaftlich bewegt?

Air Berlin meldet Insolvenz an, Audi ruft Fahrzeuge mit Dieselantrieb zurück, Daimler muss bei drei Millionen Autos nachbessern und Trump setzt auf Protektionismus: 2017 war ein ereignisreiches Jahr.

VW, Airbus, „Paradise Papers“ – 2017, Jahr der Korruption?

Prof. Dr. Peter Fissenewert
  • In diesem Jahr gab es erneut mehrere Korruptionsskandale
  • Der Eindruck, dass Manager immer skrupelloser werden, täuscht jedoch
  • In Deutschland verhärtet sich eine Kultur, die Manager von Korruption abhält

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Das Jahr 2017 bot eine Schlagzeile nach der nächsten: „Es stinkt zum Himmel“, schrieb zum Beispiel die „Zeit“ zur VW-Affäre, die uns auch in diesem Jahr beschäftigt hat. „Ein Riese wankt“, schrieb das Handelsblatt und meinte damit den Flugzeughersteller Airbus. Und schließlich: „Paradies der Reichen“ – die „Süddeutsche Zeitung“ enthüllt durch die „Paradise Papers“, wie weitere Konzerne und Superreiche Milliarden Euro unterschlagen. Darunter: Nike, Apple, Uber oder auch Facebook sowie Tausende Begünstigte aus Deutschland – Unternehmen wie Sixt, die Deutsche Post, die Deutsche Bank, aber auch Prominente wie Gerhard Schröder.

Diese Schlagzeilen lassen auf den ersten Blick vermuten, dass jedes Jahr die Anzahl von Korruptionsfällen zunimmt. Dieser Eindruck täuscht. Die großen Fälle wie der Siemens-Skandal 2006 und die VW-Affäre, die sich bis in dieses Jahr gezogen hat und auch im nächsten Jahr noch präsent sein wird, sind Einzelfälle. Ich beobachte sogar einen gegenteiligen Trend: Compliance wird für Unternehmen immer wichtiger und auch immer präsenter. Noch ist eine entsprechende Abteilung keine gesetzliche Pflicht, doch immer mehr Unternehmen gehen dieses Thema von sich aus an. Ein weiterer Meilenstein gegen Korruption wurde in diesem Jahr mit dem bundesweiten Wettbewerbsregister gesetzt. Hier werden Firmen aufgeführt, die sich in irgendeiner Form strafbar gemacht haben. Der Zweck ist, sie von öffentlichen Aufträgen auszuschließen. Um das Ausmaß zu verdeutlichen: In einigen Bundesländern werden bereits Firmen aufgeführt, die zu unter 3000 Euro Buße verurteilt wurden. Werden diese nun auch im bundesweiten Register aufgeführt, kann das zum Bankrott führen. Allein diese Tatsache ist Motivation genug, keine Straftat zu begehen.

Das eigentliche Problem ist die Intransparenz der Unternehmen

In der Frage, warum Entscheider betrügen, bleibt ein Vorurteil beständig haften: „Alle Manager machen nur das, was zu ihrem eigenen Vorteil ist.“ Dabei gilt: Früher war dieses Verhalten viel leichter durchzusetzen als heute. Zum Beispiel die Bankenkrise: Damals verkauften Banker faule Kredite und erhielten dafür einen fetten Bonus. Das machen die meisten Unternehmen nicht mehr mit. Zwar kenne ich auch heute noch Manager, die sich den Bonus in die Tasche packen, wenn er ihnen vor die Nase gehalten wird. Doch immer mehr handeln nachhaltig. Sie legen Wert darauf, mehrere Jahre in einem Unternehmen aufzusteigen. Und möchten etwas schaffen, mit dem sie sich den Bonus auch so verdienen.

Meines Erachtens haben wir ein ganz anderes Problem als skrupellose Manager – die von Korruptionsskandalen betroffenen Unternehmen. Denn diese verhalten sich alles andere als transparent und tun sich mit der Aufklärung schwer. Wenn wir beispielsweise endlich Sammelklagen zulassen würden, stünde VW viel mehr unter Druck. Doch wir leben im traditionell automobilfreundlichen Deutschland, wo VW trotz eines Skandals wie diesem weiterhin nicht im Sinne des Verbrauchers handeln muss. Und solange VW-Konzernchef Matthias Müller Sündenböcke findet, die für die Taten geradestehen, und Besserung lobt, kommen er und sein Unternehmen davon. Der Vorstand und das Unternehmen selbst werden nicht bestraft – Unternehmen können gesetzlich gar nicht bestraft werden. Stattdessen werden einzelne Manager – meiner Meinung nach unverhältnismäßig – in die Haftung genommen.

2018 wird den Umgang mit Compliance noch mehr erschweren

Bis vor sieben oder acht Jahren kannten wir den Begriff Compliance gar nicht. Damals konnte man die schwarzen Kassen noch beim Finanzamt absetzen. Das Schlimmste, was Managern damals passieren konnte, war, entlassen zu werden. Von diesem Extrem gehen wir nun in das nächste: Manager werden nicht nur entlassen, sie werden auch durch das Dorf gejagt. Ich kenne viele, die einen Vorstandsposten ablehnen, weil ihnen das Risiko zu hoch ist. Heute ist man nur noch verunsichert: Darf ich diesen Restaurantbesuch übernehmen oder darf ich meinem Geschäftspartner ein kleines Geschenk machen? Überall fragt man sich: Ist das noch compliant? Dieser Ausschlag in das andere Extrem tut uns nicht gut. Ein bisschen mehr Leichtigkeit würde uns hier nicht schaden.

Ich fürchte aber, dass sich dieser Trend 2018 noch verstärken wird. Unser noch geschäftsführender Justizminister Heiko Maas hat eine weitere Verschärfung der Managerhaftung gefordert. Wir in Deutschland haben bereits die härteste Managerhaftung weltweit. Die Politik ist hier gefragt, den Blick auf Compliance-Themen in ein angemessenes Verhältnis zu rücken. Zudem würde ich mir ein bisschen mehr Verständnis für die Personen wünschen angesichts des Drucks, unter dem sie stehen. Natürlich muss jeder für seine begangenen Fehler einstehen und die Konsequenzen dafür tragen. Doch sollten wir uns nicht nur auf Personen, sondern auch auf Unternehmen konzentrieren.

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Prof. Dr. Peter Fissenewert
© Peter Fissenewert
Prof. Dr. Peter Fissenewert

Rechtsanwalt und Partner, Kanzlei Buse Heberer Fromm

Der Jurist (Jg. 1961) arbeitete unter anderem als Sprecher des Berliner Innensenators und führte bis 1995 die Geschäfte einer mittelständischen Unternehmensgruppe. Heute ist Peter Fissenewert Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Buse Heberer Fromm. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Gesellschaftsrecht, Restrukturierung, Sanierung und Insolvenz sowie Compliance-Beratung und Managerhaftung. Seit 2005 hält er eine Professur für Wirtschaftsrecht. Zudem ist er Autor und nimmt als Redner an Fachveranstaltungen teil.

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