Mitarbeiterbeteiligungen: Geeignetes Vorsorgemodell fürs Alter?

Mitarbeiterbeteiligungen sollen die Bindung an den Arbeitgeber erhöhen und die Beschäftigten motivieren. Experten jedoch streiten über die Sinnhaftigkeit dieser Modelle.

Warum sich mehr Mitarbeiter an Firmen beteiligen sollten

Michael H. Kramarsch
  • Mitarbeiter in Deutschland sind viel zu selten an ihren Unternehmen beteiligt
  • Dabei wirken sich Beteiligungen positiv auf Engagement und Performance aus
  • Ich plädiere dafür, weil sie das Bewusstsein für Vermögensaufbau im Alter schärfen

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Bert Rürup, der Vater eines nicht gerade euphorisch genutzten Rentenprodukts, holt im „Handelsblatt“ vom 13. Februar 2017 zu einem Rundumschlag gegen Mitarbeiterbeteiligungen aus. Doch wie es mit Rundumschlägen so ist: Ohne Rücksicht auf Verluste machen sie alles platt, in diesem Fall auch die positiven Intentionen eines Konzepts, das Mitarbeitern, Unternehmen und der Gesellschaft einen hohen Nutzen bieten kann.

Mitarbeiterbeteiligung wirkt

In seinem Beitrag greift Rürup Siemens-Chef Joe Kaeser an, dass dieser für eine „Ownership Culture“ trommele, die Beschäftigte zu Aktionären machen wolle, um so der drohenden Altersarmut vorzubeugen und wachsender Vermögensungleichheit entgegenzuwirken. Dies sei kein Patentrezept. Der Siemens-Chef propagiert die Mitarbeiterbeteiligung aber gar nicht als solches, sondern als Beitrag zur Lösung einer umfassenden Herausforderung. Und er trommelt nicht nur, sondern er macht, und das seit Jahren und mit Erfolg: Zurzeit nehmen etwa 144.000 der rund 340.000 Siemens-Mitarbeiter an dem Beteiligungsprogramm des Unternehmens teil. Sie sehen und nutzen ihre Chance, so Vermögen zu bilden.

Aber auch das Unternehmen selbst profitiert davon. Eine Studie der Universität Göttingen belegt am Beispiel Siemens: Beteiligungsprogramme wirken sich positiv auf das Engagement von Mitarbeitern aus, auf deren individuelle Performance und auf die des Unternehmens. Was bitte ist daran zu kritisieren?

Ein weiter Horizont macht aus Risiken Chancen

Fakt ist, dass Mitarbeiter in Deutschland im internationalen Vergleich wenig Aktien direkt oder indirekt halten. Fakt ist auch, dass die Mehrheit deutscher Konzerne in den Händen ausländischer Investoren liegt – oft mit kurzfristigen Engagements, was aus Sicht der Unternehmen wenig konstruktiv ist. Fakt ist somit auch, dass weite Teile der Bevölkerung nicht an einer höchst rentierlichen Anlageklasse teilhaben. Die Vermögensschere lässt grüßen.

Weshalb also plädiert ein Lobbyist wie Herr Rürup gegen und nicht für Unternehmensbeteiligungen der Mitarbeiter? Im Kern, weil Ökonomen, Aktuare, Versicherungen und Politiker über Jahre eine falsche Sicht auf Risiken vermittelt haben. Ihr Schwarz-Weiß-Bild: Risiken sind schlecht – Garantien und Sicherheiten sind gut. Letztere verhindern jedoch jeden Vermögensaufbau, übrigens auch im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge.

Doch gerade ökonomisch versierte Menschen müssten wissen, dass es bei Mitarbeiterbeteiligung nicht um die tägliche Kursentwicklung und entsprechende Volatilitätsrisiken geht. Wir reden hier über einen Anlagehorizont für einen heute 20-Jährigen von 47 Jahren bis zum Renteneintritt und weiteren 25 Jahren Rentendasein. Diese Sparpläne sind solide wie seinerzeit das gute alte Sparbuch, dem ein politisch motiviertes Zinsdiktat den Garaus gemacht hat.

Weiterdenken

Gefragt ist ein Perspektivenwechsel. Verfechter der Mitarbeiterbeteiligung fordern schon seit Langem, den Steuerfreibetrag für Mitarbeiterbeteiligungen von derzeit 360 Euro pro Jahr und Mitarbeiter deutlich anzuheben. Orientierung könnte hier Italien mit 2.065 Euro geben und Großbritannien mit 3.500 Euro. Rürup sieht darin jedoch zum einen eine bevorzugende staatliche Subventionierung von Mitarbeitern börsennotierter Unternehmen, und zum anderen warnt er vor einem Klumpenrisiko. Gehe es einem Unternehmen schlecht, sei auch die Altersvorsorge der Mitarbeiter in Gefahr. Seine Folgerung: „Gesellschafts- und sozialpolitisch macht Mitarbeiterbeteiligung nur auf einer überbetrieblichen Ebene Sinn.“

Dazu Folgendes: Die Zahl der Mitarbeiter in börsennotierten Unternehmen ist keine Quantité négligeable. Doch auch Mitarbeitern mittelständischer Unternehmen oder von Start-ups sollte mit geeigneten Instrumenten die Teilhabe an der Wertentwicklung ihrer Unternehmen ermöglicht werden. Das Klumpenrisiko könnte dabei über eine Einrichtung entschärft werden, die dem Pensionssicherungsverein entspricht. Der Steuervorteil wirkt als erster Sicherheitspuffer. Und die überbetriebliche Ebene darf gern ein Rürup-Wunsch bleiben. Mitarbeiter identifizieren sich nicht mit einem abstrakten Fonds, sondern mit ihrem Unternehmen; daraus gewinnt Mitarbeiterbeteiligung ihre Kraft.

Ein wichtiger Schritt

Ich plädiere dafür, Mitarbeiterbeteiligung zu fördern, weil gerade sie das Bewusstsein für Vermögen, Risiko und spätere Versorgungsnotwendigkeiten schafft und als Vermögensgrundlage funktionieren kann.

Ich möchte jedoch auch den Rürup-Gedanken aufgreifen, die Rente zu stärken. Es ist kein Entweder-oder, es ist vielmehr die Kombination von Mitarbeiterbeteiligung und funktionierendem Rentensystem, mit der wir die sich breit abzeichnende Altersarmut in den Griff bekommen können. Einzelne Aktivposten oder Unternehmen an den Pranger zu stellen, hier einen wichtigen ersten Schritt zu gehen, halte ich für ebenso unangebracht wie unfair.

Die Mitarbeiterbeteiligung in Deutschland braucht Macher wie Joe Kaeser und sie braucht die entsprechenden Rahmenbedingungen. Darum mehr Teilhabe für Mitarbeiter!

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Michael H. Kramarsch
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Michael H. Kramarsch

Gründer und Managing Partner, hkp group

Michael H. Kramarsch (Jg. 1970) führt als Gründer, Delegierter des Verwaltungsrats und Managing Partner die internationale HR Beratung hkp group. In seiner mehr als 20-jährigen Tätigkeit als Berater beschäftigte er sich schwerpunktmäßig mit Fragestellungen der wertorientierten Unternehmensführung, Corporate Governance, Performance Management und Top-Executive-Vergütung in Industrieunternehmen und Banken. Zudem hat er zwei Regierungskommissionen zum Thema Vorstandsvergütung und Corporate Governance beraten.

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