Unnütz oder unersetzbar: Brauchen wir noch Personalabteilungen?

Sie galten lange als eines der Herzstücke eines Unternehmens: Human Resources (HR) verantworten alle Themen rund um das Personal. Doch die Digitalisierung verlangt nach neuen HR-Konzepten.

Warum wir ein Mindestalter beim Recruiting brauchen

Markus Väth
  • Für viele Personalabteilungen gilt Recruiting noch als Einstiegsposition
  • So urteilen oft Unerfahrene über Qualifikationen von älteren Bewerbern
  • Man sollte besser auf erfahrene Recruiter statt auf Algorithmen setzen

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Sich bewerben ist Alltag in Deutschland. Sieht man sich einen normalen Bewerbungsprozess an, so steht auf der einen Seite der Bewerber und auf der anderen Seite „das Unternehmen“. Doch wer ist dieses „Unternehmen“ konkret? In der Regel die Personalabteilung – jene Menschen, die Bewerbungen sammeln und sich hinter der Mail-Adresse jobs@ oder karriere@ verbergen (manchmal im doppelten Wortsinne).

Nun sollte man annehmen, dass ein Unternehmen, welches seine Mitarbeiter als „wertvollste Ressource“ betrachtet (und welches mit Political Correctness gesegnete Unternehmen würde das nicht betonen), auf die berufliche und persönliche Qualifikation dieser Gatekeeper in der Personalabteilung besonders achtet. Doch mir scheint: Das ist oft nicht der Fall. Recruiting ist für viele HRler immer noch die Einstiegsposition, mit der man seine Sporen verdient, um irgendwann in eine angesehenere Position zu wechseln. Strategie vielleicht oder Organisationsentwicklung.

Daher kommt es im Recruiting immer wieder zu der bedauernswerten Situation, dass menschlich und beruflich Unerfahrene über die Qualifikation von Bewerbern urteilen, die teilweise wesentlich älter sind und durchaus qualifiziert sein können – allerdings auf eine Weise, die den Denkschablonen der Recruiter nicht entspricht, und die somit durch den Rost fallen.

Gefragt sind Fingerspitzengefühl und Überblick

Wenn man das Geschrei um den Fachkräftemangel und den angeblichen War for Talents wirklich ernst nähme, sollten wir das Recruiting umbauen. Eine zentrale Forderung wäre hier: Recruiter sollten neben ihrer beruflichen Qualifikation ein gewisses Alter erreicht haben. Sagen wir mal, mindestens 40 Jahre. Warum?

Ein Recruiter muss mit vielen unterschiedlichen Ansprechpartnern zurechtkommen: mit seinem eigenen HR-Chef, mit Bewerbern, mit den Fachkollegen und mit der Geschäftsführung. Jede dieser Gruppen hat einen anderen „scope“, eine andere Perspektive auf das gleiche Thema: Menschen für eine Aufgabe erfolgreich ins Unternehmen integrieren. Ein Recruiter braucht dafür Fingerspitzengefühl und muss den Horizont haben, diese unterschiedlichen Perspektiven in eine Handlungsstrategie zu überführen. Das erfordert berufliche Erfahrung und persönliche Reife.

Erfahrung schlägt Algorithmus

Ein Recruiter muss die Qualifikationstiefe eines Bewerbers ausloten und hinter die Oberfläche schauen können. Diese Fähigkeit verkommt heutzutage zusehends zum Klick-Klick in einer dummen, weil nicht differenzierenden Bewerber-Datenbank. Der Algorithmus erkennt vielleicht Muster, aber er kann sie nicht interpretieren. So werden teilweise hoch qualifizierte Bewerber von der Maschine ausgeschlossen, die dem Blick eines erfahrenen Recruiters durchaus standhalten könnten.

Ein Recruiter sollte ein „Menschenexperte“ sein und verfügt idealerweise über eine profunde Lebenserfahrung. Er sollte jemand sein, der schon verschiedene Meilensteine des Lebens hinter sich gebracht hat: ein oder zwei erfolgreiche Positionen, Verantwortung für den Partner beziehungsweise eine Familie, eine gewisse Erdung. Er sollte im Leben „Anker geworfen haben“. Das schafft nicht nur Vertrauen in sich selbst und das eigene Urteil, sondern verbessert auch die Verhandlungsposition innerhalb des Unternehmens und gegenüber dem Bewerber.

In einem modernen Unternehmen hätte die Personalfunktion eine wesentlich stärkere Stellung, als das momentan in der Unternehmenslandschaft der Fall ist. Ein Grundstein hierfür könnten selbstbewusste, professionell versierte und menschlich gereifte Recruiter sein.

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