Burn-out – Volksleiden oder Modekrankheit?

Gestresst und ausgebrannt: Immer mehr Deutsche klagen über psychische Leiden. Doch müssen Unternehmen und Gesellschaft wirklich etwas verändern – oder müssen wir einfach belastbarer werden?

Wie ein Burn-out aus mir einen Gründer machte

Jan Bredack
  • Ich baute mein gesamtes Wertesystem um einen Konzern auf
  • Nur dank Hilfe gelang mir der Ausstieg aus dem Hamsterrad
  • Der Sinnzweck meiner Arbeit steht seitdem für mich über allem

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Viele Jahre glich mein Leben einem Sprint – allerdings einem über die Marathondistanz. Es ging nur um „höher, schneller, weiter“, um Macht und Karriere. Aufgewachsen in der DDR, bekam ich gleich nach der Wende einen Job bei Daimler – das war für mich das Größte. Ich arbeitete mich rasant nach oben, erhielt immer mehr Verantwortung, Einfluss, Geld. Wie berauscht sammelte ich all jene Symbole, die vermeintlich das ganz große Glück sein sollten. Anerkennung zog ich nur aus meiner Arbeit, was bedeutete: Je mehr ich arbeitete, umso glücklicher wurde ich. Eine heikle, eine wackelige Angelegenheit, die mir 2008 schließlich auf die Füße fiel.

Ein Burn-out kündigt sich schleichend an

Ich war fast 20 Jahre bei Daimler, mein gesamtes Wertesystem war um diesen Betrieb gebaut. Wenn du deinen Sinnzweck von einem Konzern abhängig machst, kann der Absturz recht schnell gehen. Ein Vorstandswechsel, eine neue Strategie – plötzlich werden die Seile, an denen du jahrelang so schön hochgezogen wurdest, abgeschnitten, und du befindest dich im freien Fall. Das ist kein kurzes, hartes Aufprallen, das ist ein langsamer Prozess. Zumindest bei mir war es so, dass ich selbst kaum bemerkt habe, was da mit mir passierte. Ich konnte kaum noch eine Mail schreiben, mein Kopf war voll von wirren Gedanken. Ich wurde zunehmend handlungsunfähig. Ich war ausgebrannt.

Ich selbst hätte wohl so weitergemacht, weil mir sogar die Kraft dazu fehlte, aus diesem selbst gewählten Hamsterrad einfach so auszusteigen. Zwei Coaches zogen mich dann aus dem Verkehr, weil sie es nicht mehr mitanschauen konnten. Was dann kam, bezeichne ich gern als „wahres Leben“. Ich nahm vereinzelt an Therapiesitzungen teil, reiste durch die Welt. Ich trennte mich von meiner Frau und verliebte mich neu.

Immer ein Geschäftsmann geblieben

Durch meine Lebensgefährtin kam ich erstmals in Berührung mit Vegetarismus. Davor war Essen für mich Mittel zum Zweck, das änderte sich nun. Ich wurde zum Veganer, erkannte eine große Marktlücke – und gründete schließlich meine Firma Veganz, eine vegane Lebensmittelkette. Zurück also zu business as usual? Zum nimmermüden Karrieristen? Nein, mitnichten. Sicherlich bin ich Geschäftsmann. Ich will erfolgreich sein und mit meinem Unternehmen wachsen. Das ist mein Naturell, etwas anderes kann ich mir für mein Leben nicht vorstellen. Allerdings – und das ist der entscheidende Unterschied – ist nun der Sinn hinter meiner Arbeit ein anderer. Es mag nach Pathos klingen, aber ich lebe das, wofür ich arbeite. Ich stehe zu hundert Prozent dahinter, denn ich kann selbst bestimmen, wie das System aussehen soll, in dem ich mich tagtäglich viele Stunden bewege.

Oft werde ich gefragt, ob ich für meinen Burn-out dankbar bin. Ich antworte immer mit Ja. Denn wohl nur dadurch hatte ich die Chance zu erkennen, wie ich langfristig glücklich werden würde. Als Geschäftsmann – aber als mein eigener Chef.

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Jan Bredack
© Veganz
Jan Bredack

Gründer und Geschäftsführer, Veganz

Jan Bredack (Jg. 1972) legte beim Daimler-Konzern seine Kfz-Meisterprüfung ab und baute im Anschluss erfolgreich einen Lkw-Kundendienst auf. Er stieg zum Leiter Vertrieb und Service Nutzfahrzeuge Deutschland auf und hatte mit 30 Jahren 100 Mitarbeiter unter sich. Einem Burn-out 2008 folgte ein radikaler Lebenswandel, in dessen Zuge er seine Ernährung umstellte und fortan vegan lebte. Im Frühjahr 2011 gründete Bredack als Geschäftsführer die Veganz GmbH, einen veganen Großhändler mit eigenen Supermärkten.

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