Digitale Transformation: Wieso verläuft die Digitalisierung so mühsam?

Die digitale Transformation ist für viele Unternehmen Schrecken und Chance zugleich. An allen Enden versuchen Firmen sie umzusetzen, der Erfolg ist aber nicht immer garantiert.

Wieso Firmen das kreative Potenzial der Masse nutzen sollten

Prof. Dr. Johann Füller
  • Unternehmen begreifen die Notwendigkeit der digitalen Transformation
  • Die Zeit der Geheimniskrämerei bei Ideen ist zum Glück langsam vorbei
  • Mitarbeiter haben oft sehr konkrete Lösungsansätze und kreative Ideen

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Wer glaubt, Innovationen seien lediglich die Kür im Wettbewerb erfolgreicher Unternehmen, der irrt. Der kürzlich veröffentlichte Innovationsreport 2016 macht deutlich, dass der Innovationsgedanke längst im Klein- und Mittelstand angekommen ist und von vielen Unternehmen versucht wird umzusetzen.

Die Betonung liegt auf „versucht“, denn noch immer tun sich viele Firmen schwer. Nach fast 20 Jahren Erfahrung mit Open Innovation blicke ich auf bewegte Zeiten zurück, in denen Innovationen noch im Geheimen ausgebrütet wurden. Da herrschten die Angst, Ideen an agilere Unternehmen zu „verlieren“, der Irrglaube, nur Branchenkenner könnten Produkte verbessern, und das „Not invented here“-Prinzip – wenn die Idee nicht von uns kommt, taugt sie nichts.

Die Crowd ist der Schlüssel

Gerade im digitalen Zeitalter ist der kollaborative Innovationsansatz heute nicht mehr wegzudenken. Dank Open Innovation und Co-Creation im Zusammenspiel mit aktueller Informations- und Kommunikationstechnologie ist es einfacher denn je, neue Wege zu finden, um innovativ zu sein. Was ich persönlich an Open Innovation liebe, ist die Tatsache, dass sie keine triviale Marketingstrategie ist, sondern etwas bewegen kann. Sie bringt Erleichterungen und Verbesserungen für unser Leben. Gleichzeitig verändern neue Technologien unser Verhalten und das Zusammenleben. Open Innovation im Zeitalter digitaler Transformation ist also nicht nur im Unternehmerkontext ein Gewinn – es bedeutet Innovation für alle.

Ideenwettbewerbe und Online-Communitys bieten Inspiration, neue Perspektiven, konkrete Problemlösungen oder Ideen und Konzepte. Denn Arbeitnehmer nutzen zu Hause vielleicht bessere digitale Lösungen als im Büro, und ein technikaffiner Hobbybastler weiß oft mehr als der Technologieanbieter selbst.

Die modernen Kommunikationskanäle ermöglichen es Unternehmen, bessere Innovationen hervorzubringen, indem sie die Crowd und sogenannte Lead User in den Innovationsprozess miteinbeziehen. Denn wer nicht über den eigenen Gartenzaun schaut, ist letztendlich limitiert, wenn es darum geht, bestmögliche Lösungen zu finden.

Best Practices

Heute muss ich nicht mehr erklären, welchen Vorteil Co-Creation mit sich bringt. Stattdessen steigt die Nachfrage nach unterschiedlichsten Möglichkeiten, die richtigen (externen) Leute in den Produktentwicklungsprozess zu involvieren.

Zusammen mit Siemens führten wir einen achtwöchigen internen Ideenwettbewerb zum Thema Nachhaltigkeit durch, bei dem auf einer ins Firmenintranet integrierten Plattform insgesamt 3451 Mitarbeiter aus 43 verschiedenen Ländern 851 Ideen einreichten. 30.000 Siemens-Mitarbeiter, also etwa 7,5 Prozent aller Angestellten weltweit, besuchten die Webseite, die insgesamt 1,3 Millionen Mal angeklickt wurde. Ein enormes Engagement aller Angestellten über viele Fachabteilungen und Unternehmenshierarchien hinweg!

Innovation erfordert Zusammenarbeit

Einen sehr erfolgreichen externen Ideenwettbewerb führte auch Bombardier in Zusammenarbeit mit uns durch. Das Unternehmen suchte nach innovativen Lösungen zum Thema Mobilität, um den zeitineffizienten und stets überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln zu begegnen. Innovative Konzepte erfordern die Zusammenarbeit verschiedener Akteure; von Ingenieuren, Geschäftsleuten, Architekten, Designern, Städteplanern; kurzum einer Community mit interdisziplinärem Hintergrund. Über 800 Teilnehmer aus 74 Ländern und unterschiedlichen Disziplinen reichten Konzepte sowie Videoclips für die Megastädte London/UK, Belo Horizonte/Brasilien und Vientiane/Laos ein. Eine Jury aus Bombardier-Geschäftsführung und Akademikern renommierter Universitäten kürte die Gewinnerideen aus den Kategorien Maschinenbau, Geschäftsmodell und Städteplanung.

Dies sind nur zwei Beispiele sehr erfolgreicher Open-Innovation-Projekte und Innovation-Communitys zur Ideengenerierung. Der Einbezug der kreativen Masse bringt auf den Punkt, dass heutzutage unwahrscheinlich viele Menschen innovative und gute Ideen haben. Vielfach sind Problemlösungen in den unterschiedlichsten Kontexten bereits vorhanden und müssen nur genutzt werden.

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Prof. Dr. Johann Füller
© Johann Füller
Prof. Dr. Johann Füller

Gründer und Vorstand, HYVE

Prof. Dr. Johann Füller (Jg. 1971) ist Vorstand und Gründer der Innovationsagentur HYVE und Professor am Lehrstuhl Innovation und Entrepreneurship an der Universität Innsbruck sowie Fellow am NASA Tournament Lab-Research an der Harvard University. Vor seiner wissenschaftlichen Karriere war Johann Füller drei Jahre als Unternehmensberater bei PriceWaterhouseCoopers im Bereich Strategic Change tätig. Weitere Stationen waren McKinsey, Siemens und Allied Signal.

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