Macht eine Altersgrenze für Topmanager noch Sinn?

Der FC Bayern München stellt Jupp Heynckes wieder als Trainer ein und zeigt damit: Um ältere, qualifizierte Arbeitnehmer wird geworben. Doch ist in vielen Unternehmen mit 60 Jahren Schluss.

Wir brauchen ein Generationenmanagement, keine Altersgrenze

Prof. Dr. François Höpflinger

Altersforscher

Prof. Dr. François Höpflinger
  • Das Alter ist zwar eine leicht messbare, aber auch missverständliche Größe
  • Entscheidender für die Analyse sind Generationenprägung und Langjährigkeit
  • Die Perspektiven jüngerer und älterer Kollegen müssen berücksichtigt werden

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Das (kalendarische) Alter ist eine leicht messbare, aber missverständliche Größe. Immer mehr Studien weisen darauf hin, dass sich das kalendarische Alter – zumindest bis zum Alter von 75 Jahren – kaum entscheidend auf Leistung und Leistungsvermögen von Menschen auswirkt. Entscheidender für Leistungseinbußen oder verzerrte Perspektiven – gerade auch bei Topmanagern – sind zwei andere Faktoren (die nur statistisch mit dem Lebensalter assoziiert sind).

Erstens gehören Menschen des gleichen Alters dem gleichen Geburtsjahrgang an. Gerade bei Personen mit viel Macht und Verantwortung können Generationenprägungen – die Prägung durch frühere Zeitepochen – wirksam werden, etwa wenn ältere Manager aufgrund ihrer Prägung durch Führungsmodelle aus ihrer frühen Karrierephase nicht erkennen, dass nachkommende Generationen andere Führungsvorstellungen aufweisen. Nicht selten haben Topmanager früherer Generationen Mühe mit weiblichen Führungskräften, weil sie in einer männlich orientierten Managerperiode aufgewachsen sind.

Digitalisierung ist für zu viele ein Fremdwort

Ebenso können Prägungen durch frühere Techniken ältere Topmanager daran hindern, Chancen und Gefahren einer digitalen Welt rechtzeitig zu erkennen. Gezieltes Lernen durch Jüngere und eine gezielte Pflege einer Kultur intergenerationeller Diversität können den negativen Wirkungen einer starren Generationenprägung entgegenwirken. Ein gutes Generationenmanagement – auch im Sinne eines kreativen Umgangs mit jüngeren Menschen und ihren neuen Ideen – ist vor allem in einer sich rasch wandelnden Geschäftswelt zentral.

Zweitens sind ältere Topmanager häufig – wenn auch nicht immer – schon seit längerer Zeit im Unternehmen oder in einer verantwortungsvollen Position tätig. Langjährige Erfahrung kann sich positiv auswirken, aber auch zu beruflichen Deformationen beitragen. Wer lange Zeit Macht ausübt, kann Meister in der reinen Machterhaltung werden. Langjährige unternehmerische Verantwortung kann zu Erschöpfung, Irritation und einer Tendenz zur Besserwisserei beitragen.

Eine Auszeit kann den Blick wieder schärfen

Generell zeigt sich, dass die meisten Leistungseinbußen älterer Arbeitskräfte kaum etwas mit dem Alter an sich zu tun haben, sondern im Grunde Langjährigkeitsprobleme widerspiegeln. Etwa wenn sich jahrelange einseitige berufliche Belastungen, eine mehrjährige Unterbrechung von Weiterbildung oder ein zu langes Verharren in der gleichen Position negativ auswirken. Sabbaticals oder Formen von Seitenwechseln (Wechsel in eine andere Tätigkeit oder Position) wie auch die regelmäßige Reflexion der eigenen Erfahrung können Langjährigkeitsproblemen entgegenwirken. Ebenso kann eine Amtszeitbeschränkung in gewissen Machtpositionen sinnvoll sein, um einen regelmäßigen Generationenwandel zu gewährleisten.

Kurz und gut: Altersgrenzen – auch für Topmanager – machen keinen Sinn, weil sie sich an einer zwar leicht messbaren, aber inhaltlich sinnlosen Größe ausrichten. Sinnvoller sind gezieltes Generationen- und Langjährigkeitsmanagement, die es erlauben, die Perspektiven jüngerer und älterer Personen produktiv einzubinden und ein zu langes Verharren in der gleichen Machtposition zu verhindern.

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Prof. Dr. François Höpflinger
© Privat
Prof. Dr. François Höpflinger

Altersforscher

Prof. Dr. François Höpflinger (Jg. 1948) studierte Soziologie und Sozialpsychologie an der Universität Zürich. Es folgten Mitarbeit bzw. Leitung von Forschungsprojekten zu Kinderwunsch, Familiengründung und Wandel der Familien. Von 1994 bis 2013 war er Titularprofessor für Soziologie an der Universität Zürich. Von 1999 bis 2008 hatte er die Forschungsdirektion am Universitären Institut „Alter und Generationen“ in Sion inne. Seit 2009 forscht und berät er selbständig zu Alters- und Generationenfragen.

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