Gründen will gelernt sein – Was bei Start-ups alles schief gehen kann

Viele Menschen träumen davon, ein eigenes Unternehmen aufzubauen. Doch nur wenigen gelingt es, sich zu etablieren. Hier reden Unternehmer offen darüber, welche Fehler ihnen als Gründer unterliefen.

Georg Dahm
  • Unser Start-up-Crash war nicht das Ende, sondern der Anfang
  • Die Mission und das Machbare müssen sich verbinden lassen
  • Ideen und Risikobereitschaft sollten stärker gefördert werden

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Nach 229 Tagen am Markt war der Traum aus. In der Abflughalle des Hamburger Flughafens schaltete ich den letzten Beitrag unseres Digitalmagazins „Substanz“ frei, klappte den Rechner zu und bestieg ein Flugzeug, aus dem ich zwei Stunden später in die Sonne Kroatiens stolperte. Wunden lecken. Und diese zwei apokalyptisch-ekstatischen Jahre Revue passieren lassen, in denen wir ein Start-up erdacht, gegründet, in den Markt geführt und mit einem Haufen Schulden wieder auf Eis gelegt hatten.

Wir hatten es verkackt.

Ich bin kein Freund von geschriebener Fäkalsprache, aber diese Formulierung benutze ich ganz bewusst. Weil sie so weit weg ist von den „schwierigen Marktumfeldern“ und „großen Herausforderungen“ der Unternehmens-PR. Weit weg vom „Das ist jetzt dumm gelaufen“, mit dem man sich im Konferenzraum aus der Verantwortung wieselt.

So wird Scheitern zur Befreiung

In den Spiegel schauen und sich sagen: „DU hast es verkackt. Nicht der unreife Markt. Nicht die zögerlichen Kunden. Nicht die unwilligen Investoren. Du.“ Wenn das Ego diese Demutslektion annimmt, wird Scheitern zur Befreiung.

Und wir waren mit großem Ego gestartet, so wie viele Gründer, die von ihrer Mission beseelt sind. „Wir wollen zeigen, dass der Qualitätsjournalismus auch im Netz ein Geschäftsmodell hat!“, deklamierten wir bei Interviews, während wir hinter verschlossenen Türen am ultimativen Digitalmagazin schraubten, ohne Kompromisse bei Technik, Inhalt, Optik und Geschäftsmodell. Die Kulmination von 15 Jahren Berufserfahrung, Maximallösung statt Minimum Viable Product. Mit Erfolg: Candystorms in sozialen Medien, Auszeichnungen, Schulterklopfen auf Journalistenkongressen: „Geil, was ihr da macht!“ Nur schade, dass wir viel zu spät und teuer launchten und dann kaum ein Kunde davon erfahren hat.

Unser Projekt war zu riskant für uns

Immerhin: Wir sind nicht abgestürzt, sondern mit brennenden Motoren notgelandet. Insolvenz abgewendet. Chance auf den Neustart mit einer Maschine, die wir gerade aus den Wrackteilen bauen. Um viele Erfahrungen reicher und flexibler.

Heute wissen wir: Wir haben uns als Start-up an ein Konzernprojekt gewagt, zwar mit solide gerechnetem Businessplan, aber zu riskant für uns. Und viele unserer Fehler teilen wir mit anderen Gründern, wie man in Blogs nachlesen kann – oder in Gründerbibeln wie „The Lean Startup“, die vor Perfektionsdrang warnen und zu Minimallösungen raten. „Damals wolltet ihr das nicht hören“, sagen unsere Gründungscoaches gütig lächelnd: „Ihr wolltet ja den Journalismus retten.“

Aufstehen, abputzen, weitermachen

Heute haben wir etwas weiter reichende Vorstellungen davon, wie sich die Mission und das Machbare verbinden lassen. Und wir sind nicht allein, es tut sich was in der Start-up-Szene. Leider nur vereinzelt: Journalismus gehört nicht zu den Lieblingen der Investoren und Accelerator-Programme; gefragt sind einfache Modelle, die schnell skalieren. Es gibt kaum Einrichtungen wie das MediaLab Bayern, die gezielt neue Ideen und Risikobereitschaft fördern. Schade. Wahrscheinlich würde es nicht nur unserer Branche guttun, wenn mehr kreative Menschen die Chance bekämen, sich auf die Fresse zu packen.

Aufstehen, abputzen, weitermachen: Ich freue mich auf das neue Jahr.

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Georg Dahm
© Georg Dahm
Georg Dahm

Geschäftsführer, Fail Better Media GmbH

Georg Dahm gründete Anfang 2014 gemeinsam mit Denis Dilba die digitale Medienfirma Fail Better Media GmbH. Ihr erstes Projekt ist das Wissenschaftsmagazin „Substanz“. Nach einem Volontariat arbeitete der Wissenschafts-journalist lange Zeit bei der „Financial Times Deutschland“, ehe diese 2012 eingestellt wurde. Auch sein anschließender Arbeitgeber, das Magazin „New Scientist“, musste im Mai 2013 aufgeben. Seinen Glauben an diesen Beruf, dem der Anthropologe verfiel, hat er jedoch bis heute nicht verloren.

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